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Prüfung durch die Landesrechnungshöfe

Vernichtendes Zeugnis für RBB: „Gravierende systemische Mängel“

Ein Schild mit dem Logo des rbb hängt an dem Gebäude des Fernsehzentrums.

Ein Schild mit dem Logo des rbb hängt an dem Gebäude des Fernsehzentrums.

Potsdam. Nach der Prüfung des „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (RBB) haben die Rechnungshöfe beider Länder dem öffentlich-rechtlichen Sender ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Danach gab es in den Jahren zwischen 2017 und 2021 „gravierende systemische Mängel“, Misswirtschaft, mangelnde Transparenz und fehlende Kontrolle durch die Gremien.

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Die wirtschaftliche Lage war lange Zeit prekär. „Der RBB schob ein mittelfristig drohendes Liquiditätsrisiko wie eine Bugwelle vor sich her“, sagte am Freitag die Präsidentin des Berliner Rechnungshofs Karin Klinger. Der RBB habe lange Zeit über seine Verhältnisse gelebt und bis 2022 „sehenden Auges“ über einen längeren Zeitraum zusätzliche Ausgaben geleistet, obwohl die finanziellen Ressourcen dafür dauerhaft nicht ausreichten.

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Dennoch habe der RBB keine ausreichenden Einsparmaßnahmen getroffen und Einsparentscheidungen nicht konsequent umgesetzt. Geprüft wurden unter anderem 18 Fälle von Beratungsleistungen, für die zwei Millionen Euro ausgegeben wurden. Die Beauftragung für drei Viertel der Leistungen sei ohne Wettbewerb und Preisvergleich erfolgt. Der RBB habe zugelassen, dass einzelne Funktionsträger Beraterverträge allein abschließen konnten. „Das Vier-Augen-Prinzip war damit ausgehebelt“, sagte Klinger.

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Die Prüfberichte wurden der RBB-Intendanz sowie dem Rundfunkrat und dem Verwaltungsrat übergeben. Diese sollen jetzt dazu Stellung nehmen. In den Berichten werden auch Empfehlungen für das künftige wirtschaftliche Agieren, die Kontrolle des Senders und die Gehaltsstruktur unterbreitet.

Deutliche Kürzung der Gehälter beim RBB verlangt

Die Höfe empfehlen eine deutliche Kürzung der Gehälter beim RBB – von der Führungsebene bis ganz nach unten. Für die künftige Intendantin oder den künftigen Intendanten sollte es eine Gehaltsobergrenze von maximal 180 000 Euro brutto im Jahr geben. Das entspricht der Besoldungsgruppe B 11, die Mitglieder der Regierung entspricht. Die fristlos entlassene Intendantin in Patricia Schlesinger hatte ein jährliches Grundgehalt von rund 300 000 Euro plus Bonus von 50 000 Euro erhalten.

Die weiteren Führungsebenen sollten „mit einem Abstand“ vergütet werden, hieß es weiter. „Die Vergütung der Intendantin und der Geschäftsführung liegen seit Jahren jenseits dessen, was der Gesetzgeber Spitzenbeamten oder Mitgliedern der Landesregierung zubilligt“, sagte Klinger.

Besoldung soll sich am öffentlichen Dienst orientieren

Das sei möglich gewesen, weil dem RBB hierfür keine Grenzen gesetzt waren – weder durch Selbstverpflichtung noch durch Gesetze. Der Berliner Hof, der die Gehaltsstruktur geprüft hatte, empfiehlt eine Orientierung der Vergütung am Gehaltsgefüge des öffentlichen Dienstes.

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Die große Diskrepanz gab es bereits bei einer Prüfung 2018, als im Vergleich die RBB-Gehälter deutlich über denen im öffentlichen Dienst (TV-L) lagen. Die höchstmöglichen Vergütungen lagen danach bei 6274 Euro im öffentlichen Dienst und bei 10 329 beim RBB, was aber ohne Folgen blieb.

Woidke schreibt an Verwaltungsrat: Hinweise der Höfe berücksichtigen

Nach der Übergabe der Berichte an die Gremien des RBB wandte sich Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Freitag in einem Brief an den neuen Vorsitzenden des Verwaltungsrats, Benjamin Ehlers – mit einer klaren Erwartungshaltung. „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Hinweise der Rechnungshöfe zur Begrenzung der Vergütung der zukünftigen Intendanz bei der anstehenden Neubesetzung prüfen und berücksichtigen würden“, schreibt Woidke. Er kündigte schon einmal an, dass beide Länder beabsichtigen, die Hinweise der Rechnungshöfe bei der Reform des RBB-Staatsvertrags „maßgeblich zu berücksichtigen“. Der Brief von Woidke liegt der MAZ vor.

Der Regierungschef hatte sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe über Vetternwirtschaft und Verschwendung erschüttert gezeigt und Konsequenzen für den RBB gefordert. Neben der Begrenzung von Gehältern hatte sich Woidke auch gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab 2025 ausgesprochen, über den bundesweit derzeit diskutiert wird.

Weiser: Schärfere Rechte und Pflichten für Rundfunk- und Verwaltungsrat

Der Brandenburger Rechnungshof, der die RBB-Kontrollgremien prüfte, empfiehlt eine neue Schwerpunktsetzung für Verwaltungsrat und Rundfunkrat. „Es darf nicht mehr passieren, wie in der Zeit von Intendantin Schlesinger, dass sich diese von internen Regelwerken selbst herausnehmen konnte“, sagte Präsident Christoph Weiser. Für Rundfunkrat und Verwaltungsrat sollte es schärfere Rechte und Pflichten geben. „Daran hat es bislang gefehlt.“ Im neuen Staatsvertrag müsste eine allgemeine Sorgfaltspflicht der Mitglieder festgehalten werden.

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Der Verwaltungsrat solle einmal im Monat tagen, bislang gebe es nur alle zwei Monate eine Sitzung. „Jedes einzelne Mitglied des Verwaltungsrats sollte in der Lage sein, alle Geschäftsvorgänge der Intendanz ohne fremde Hilfe beurteilen zu können“, sagte Weiser.

Empfohlen wird auch, dass im Rundfunkrat keine Personen sitzen sollten, die „in einer herausgehobenen Funktion“ in einer politischen Partei oder Fraktion sind. Weiser begründete die Forderung mit der verfassungsrechtlich gebotenen Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Derzeit gehören dem neuen Rundfunkrat unter anderem der Berliner SPD-Chef Raed Saleh an.

Rundfunkrat wählt am 16. Juni Intendantin oder Intendant

Der Rundfunkrat wird am kommenden Freitag (16. Juni) einen neuen Intendanten oder eine neue Intendantin wählen. Im Rennen sind die frühere stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer (50), die Chefredakteurin Digitales von ARD-aktuell, Juliane Leopold (40), die frühere Vodafone-Managerin Heide Baumann (50) und der Programmdirektor von Radio Bremen, Jan Weyrauch (55). Die amtierende Intendantin Katrin Vernau ist nicht unter den Bewerbern. Sie hatte ihre Bereitschaft erklärt, weiterzumachen, wollte sich aber nicht extra bewerben, sondern gerufen werden. Das ist nicht passiert.

MAZ

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