Ein hervorragender Richter, ein „erbärmlicher Angeklagter“ – die Reaktionen auf die Freiheitsstrafe für den SS-Mann Josef S. (101) zeigen: Der Sachsenhausen-Prozess konnte nur einige Erwartungen erfüllen.
Brandenburg/Havel. Mit Genugtuung haben Vertreter der Opferseite auf die Verurteilung des KZ-Wachmanns Josef S. (101) zu fünf Jahren Haft reagiert. „Ich bin erfreut, dass das Gericht ihm die maximale Strafe gegeben hat“, sagte Efraim Zuroff vom Simon Wiesenthal Center, einer Nicht-Regierungsorganisation, die nach NS-Verbrechern sucht. „Die Botschaft dieses Verfahrens ist wichtig, sie lautet: Alter schützt Menschen, die solche Verbrechen begangen haben, nicht.“ Auch 80 Jahre nach den Taten könne die Verbrecher jederzeit Gerechtigkeit ereilen.
Zuroff, der seit 40 Jahren ähnliche Verfahren begleitet, hob hervor, Sachsenhausen sei eines der weniger bekannten Konzentrationslager. Der Prozess habe diese Todesanstalt vor den Toren Berlins ins öffentliche Bewusstsein gerückt, das sei wichtig. Deutschland habe leider eine „schrecklich schlechte Bilanz“, was die Aufarbeitung von NS-Unrecht angeht, so Zuroff. Er hält die Wahrscheinlichkeit, dass Josef S. tatsächlich seine Haft absitzen muss, für „sehr gering“. Bis zum Ergebnis einer Revision vor dem Bundesgerichtshof bleibe der Verurteilte auf freiem Fuß.