Zahl der kleinen Waffenscheine verdoppelt
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Ein Passant betrachtet die Auslagen in einem Waffengeschäft (Symbolbild).
© Quelle: picture alliance/dpa/Axel Heimken
Potsdam/Berlin. Brandenburger Bürger decken sich mit Waffen ein: Wie das Polizeipräsidium in Potsdam auf Anfrage mitteilte, hat sich die Zahl der kleinen Waffenscheine seit 2015 mehr als verdoppelt. Waren 2015 noch 7036 Märker im Besitz einer Lizenz, die das Mitführen von Reizgas oder Schreckschusspistolen erlaubt, waren es Ende Oktober 15 834.
„Ein Kunde hat Pfefferspray gekauft, weil er beim Spazierengehen mit seinem Hund den Wolf fürchtet“, sagt Fritz Engel, Büchsenmacher aus Neuruppin. Andere wiederum hätten eher Angst vor Hunden oder schätzten Signalpistolen als sichere Alternative zu Silvesterraketen – zugelassen nur auf dem eigenen Grundstück.
• Kommentar:
Wie viel Sicherheit geben Waffen?
Ein Waffenhändler aus dem Kreis Oberhavel, der ungenannt bleiben will, sagt: „Nach der Silvesternacht 2016/2017 war kein Reizgas mehr zu bekommen.“ Damals waren in der Domstadt Frauen von Migranten massiv sexuell bedrängt worden.
Vielfahrer fühlten sich oft unsicher
Beim Waffenhandel Wedekind in Brandenburg/Havel berichtet eine Verkäuferin: „Kunden, die als Vertreter oft mit dem Auto unterwegs sind und den Kofferraum voller Ware haben, kaufen solche Waffen.“ Vielfahrer fühlten sich auf Raststätten oft unsicher. Gegen Einbrecher deckten sich manche Kunden auch mit Waffen ein.
Damit liegt Brandenburg im Bundestrend. Gab es 2014 deutschlandweit noch 261 332 Kleine Waffenscheine, so waren es 2018 (Stand Oktober) bereits 599 940. Eine Steigerung von etwa 130 Prozent.
Andreas Zick, Leiter des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld, sagte: „Die Zahlen weisen auf gestiegene Befürchtungen, aber auch auf eine Eskalation von radikalen Meinungen hin.“ Dort wo Flüchtlinge konzentriert untergebracht würden, seien Bilder der Bedrohung entstanden. Zugleich hätten sich mehr Menschen radikalisiert, indem sie Ideen aus populistischen Gruppen übernommen hätten, wonach der Staat die Kontrolle verloren habe und die Bürger Widerstand leisten müssten.
„Ein Misstrauensvotum gegen den Bundesinnenminister“
Die innenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, warnt, eine steigende Zahl privater Waffen sei „ein Misstrauensvotum gegen den Bundesinnenminister und die Folge jahrzehntelanger staatlicher Verunsicherungspolitik“. Es dürfe keinen Zweifel am Gewaltmonopol des Staates geben. Auch Jörg Radek, Vize-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sorgt sich um die Sicherheit. „Wir müssen aufpassen, dass wir keine amerikanischen Verhältnisse bekommen.“
Bei der Vergabe von Waffenbesitz-Karten wollen die Innenminister von Bund und Ländern nun eine Gesetzesänderung durchsetzen. Die Karten berechtigen zum Erwerb und Besitz einer scharfen Waffe. Künftig soll dafür nicht mehr nur ein polizeiliches Führungszeugnis nötig sein, sondern auch ein Hintergrund-Check durch den Verfassungsschutz. Rechtsradikalen soll so der Zugang erschwert werden.
Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Fassung stand, dass eine Waffenbesitz-Karte den Inhaber zum Tragen einer scharfen Waffe berechtigt. Das ist falsch. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
Von Ulrich Wangemann, Markus Decker und Fabian Wenck
MAZ