Google Stadia: Der neue Spieledienst startet leise, überzeugt aber im ersten Test

Der von Google entwickelte Controller hat zwei zusätzliche Knöpfe: für den Google Assistant und zum Streamen auf Youtube.

Der von Google entwickelte Controller hat zwei zusätzliche Knöpfe: für den Google Assistant und zum Streamen auf Youtube.

Google Stadia könnte den Spielemarkt revolutionieren und teure Spielekonsolen überflüssig machen. Doch unmittelbar wird das nicht passieren. Denn zum Start wirkt das was Google bietet, alles etwas dürftig: Der Internetdienst für Spiele sollte mit mickrigen zwölf Spielen starten – auf den letzten Drücker hat Google die Zahl auf 22 aufgestockt. Sogar Vorbesteller der sogenannten Founder’s Edition wissen nicht, ob sie wirklich zum offiziellen Start am 19. November beliefert werden – und das, obwohl das Vorbestellerpaket, das aus dem Medienplayer Chromecast Ultra, einem speziellen Controller und drei Monaten Stadia-Pro-Service besteht, seit Wochen ausverkauft ist.

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Doch auch wenn neue Spiele schnell erscheinen und die Vorbesteller bald bedient werden, wirkt das Vorgehen von Google etwas langsam. Firmen wie Sony und Nintendo blasen den Start neuer Hardware im Vergleich regelmäßig zu medialen Großereignissen auf.

Spiele laufen über Googles Rechenzentren

Immerhin lud der Konzern zu einem Anspieltermin in einen wohnzimmerähnlichen Raum. Das Ausprobieren ist wichtig, denn die Idee hinter Stadia klingt wie Magie: Theoretisch müsste mit dem Dienst niemand mehr eine Spielekonsole kaufen oder eine teure Grafikkarte in den PC einbauen, um aktuelle, große Spiele wie “Destiny 2” oder “Red Dead Redemption 2” zu spielen. Stattdessen laufen die Titel auf Computern in Googles Rechenzentren. Benutzer loggen sich online bei Stadia ein, starten ein Spiel und bekommen es live aus dem Internet übertragen – wie ein Youtube-Video.

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Die Herausforderung für so eine Technik: Jeder einzelne Knopfdruck und jedes Joystick-Wackeln muss zuerst vom Spieler zum Google-Rechenzentrum übertragen und dort vom Computer verarbeitet werden. Erst danach wird das Bild zurück übertragen. Die Technik soll inzwischen gut genug sein und das Internet schnell genug, damit das klappt – auch bei hektischen Spielen, in denen es auf schnelle Reaktionen ankommt.

Funktioniert Stadia auch im Wohnzimmer ohne Ruckeln?

Mit dem gut verarbeiteten Stadia-Controller in der Hand wirkt der Dienst für jeden Besitzer einer aktuellen Xbox oder Playstation vertraut. Auf dem Testevent kann man den Egoshooter “Destiny 2” spielen. Zum Stadia-Start ist der Titel für Pro-Abonnenten gratis. Nicht einmal der Hauch einer Verzögerung ist beim Anspielen wahrnehmbar. Das 4K-Bild ist messerscharf und detailreich.

Funktioniert das auch in den Wohnzimmern der Nutzer so gut? Pressesprecherin Hannah Samland verweist beim Termin auf die firmeneigenen Rechenzentren, die auch in Deutschland stehen. Man habe schließlich eine besonders gute Infrastruktur. Details über die eigene Streamingtechnik werden aber nicht verraten. Es gibt ja auch Konkurrenten.

Die Konkurrenz für Google Stadia ist groß

Schon 2010 versuchten Unternehmen wie Onlive und Gaikai, Spiele über das Internet zu streamen. Sie kamen zu früh. Auch bei vermeintlich schnellen Internetverbindungen war eine Verzögerung bei jeder Eingabe zu spüren. Für Actionspiele war das fatal. Und auch bei eher ruhigen Titeln fühlt es sich einfach schlecht an, wenn der Mauszeiger einen Sekundenbruchteil hinterherhinkt. Onlive gibt es nicht mehr, Gaikai wurde von Sony gekauft.

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Aber Gaikais Erbe lebt. Der Dienst heißt inzwischen Playstation Now und ist, weitgehend unbemerkt, zu einem robusten Angebot gewachsen. Kurz vor dem Stadia-Start hat Sony auf die neue Konkurrenz reagiert, die Preise gesenkt und das Angebot aufgestockt. Wer Playstation Now für 10 Euro im Monat abonniert, kann damit ein großes Sortiment an Playstation-Titeln aller Generationen spielen, auch auf technisch schwachen Laptops. Sogar halbwegs aktuelle Toptitel werden regelmäßig für ein paar Monate eingewechselt. Das aktuelle “God of War” und der japanische Rollenspielhit “Persona 5” sind neben einer robusten Auswahl von Playstation-Klassikern im Sortiment.

Und die Zahl der Streaminganbieter auf dem Spielemarkt wächst weiter: Im kommenden Februar startet zum Beispiel der Streamingdienst Shadow eine neue Initiative. Ab 15 Euro pro Monat haben die Nutzer Zugriff auf einen Cloud-PC, der einen vollwertigen Gaming-PC ersetzen soll und auf dem sie eigene Software installieren können. Und 2020 startet auch Microsofts Streaming-Service “Project xCloud” in Europa.

Google plant mit Stadia langfristig

Wenn Stadia schneller und reibungsloser funktioniert, dann könnte der Dienst die Konkurrenz abschütteln. Doch das wird schwierig. Auf Playstation Now etwa läuft mit einer schnellen Verbindung nicht nur “God of War” flüssig, auch Titel mit hohen Anforderungen an Timing und Präzision wie der Indiehit “Hollow Knight” lassen sich passabel spielen. Verzögerungen sind zwar noch messbar, aber kaum noch zu spüren. Ob daher viele Kunden – gerade auch angesichts der geringen Spieleauswahl – zum Wechseln animiert werden können, ist fraglich.

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Samland betont, dass Google langfristig plane. Der Dienst werde nicht eingestellt, wenn sich die Kundenzahlen in den ersten Monaten langsam entwickeln. Vielleicht ist der zurückhaltende Start auch ein Eingeständnis, weil anfangs noch vieles fehlt.

Stadia merkt sich genau, wo die Spieler waren

Eine handvoll starke Argumente hat Stadia aber jetzt schon auf seiner Seite. Der Dienst selbst wird über eine schicke App gesteuert, funktioniert schneller und eleganter als etwa Playstation Now. Die Ladezeiten sind kurz, die auf PC und Spielkonsole üblichen Installationen und Updates entfallen ganz. Stadia kann sich genau merken, wo Spieler gerade waren. Wer beim Spielen vom Fernseher auf das Handy umsteigen muss, der findet seinen Charakter an genau derselben Stelle wieder.

Das zum Stadia-Start erhältliche Exklusivspiel “Gylt” ist auch eine schöne Überraschung. Das Horrorspiel ab zwölf Jahren dreht sich um das Thema Mobbing: Spieler schleichen in der Rolle eines Mädchens durch eine dunkle Schule voller furchteinflößender Phantome. Doch wer einen Titel wie “Gylt” auf Stadia spielen will, der muss ihn kaufen.

So viel kostet Google Stadia

Stadia wird häufig als Spiele-Netflix beschrieben, dabei gibt es aber im Gegensatz zu dem Videostreamingdienst keine echte Monatspauschale für Spiele. Stattdessen gibt es zwei Abovarianten: Bei Stadia Base ist der Dienst an sich kostenlos, allerdings müssen alle Spiele gekauft werden. Auch müssen sich die Stadia-Base-Abonnenten mit Full-HD-Qualität begnügen. Zwischen 15 und 25 Mbit pro Sekunde muss die Internetverbindung schaffen, damit das klappt. Und: Stadia Base startet erst im Frühjahr 2020.

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Zum 19. November ist nur das Angebot Stadia Pro verfügbar. Für monatlich 10 Euro erhält man Zugriff auf ausgewählte Gratisspiele, andere Spiele müssen weiter gekauft werden. Für das Geld kann man außerdem Spiele in Surround-Sound und 4K-Auflösung streamen. Damit das klappt, muss die Internetverbindung daheim allerdings auch mindestens 35 Mbit pro Sekunde übertragen.

Die Stadia-Premiere-Edition mit drei Monaten Pro-Abo, Chromecast Ultra und Controller kann für 129 Euro bis zum 6. Juni 2020 (oder solange der Vorrat reicht) bestellt werden.

“Cyberpunk 2077” kann für Google zum Imagesieg werden

Im kommenden Jahr soll der Dienst dann auch zeigen, was er wirklich kann. Voraussichtlich im April erscheint mit “Cyberpunk 2077” ein extrem aufwendiges Spiel, auf das sich Spielefans freuen, und das auch den stärksten Gaming-PC ausreizen dürfte. Wenn das Spiel auf Stadia besonders gut aussieht, wäre das ein Imagesieg für Google. Auch viele Komfortfunktionen rund um Multiplayer und das Teilen gekaufter Spiele könnten Stadia attraktiv machen, starten aber erst 2020. Der aktuelle Start von Stadia ist also nicht der große Start in die Spiele-Streaming-Welt. Aber ein Vorgeschmack.

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