Pandemie

„Long-Covid-Welle“ rollt auf Brandenburg zu

Bei einem Covid-Patienten wird ein Lungenfunktionstest durchgeführt.

Bei einem Covid-Patienten wird ein Lungenfunktionstest durchgeführt.

Potsdam. Franziska K. (Name geändert) hat schon zweimal eine Corona-Diagnose bekommen. Aktuelle Symptome ließen zwar nach einigen Tagen nach. „Aber Wochen später wurde ich von Schlaflosigkeit, Krankheitsgefühlen, Atemproblemen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Gehör-Überempfindlichkeit und massiver Schwäche befallen“, schildert die Potsdamerin. „Keine Kraft, nicht einmal zum Wäsche aufhängen“, erinnert sich die 53-Jährige.

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Weder der Hausarzt noch eingeschaltete Fachärzte konnten bei der Diagnose, geschweige einer Therapie helfen. „Insgesamt war alles ein Schuss in den Ofen, konkrete Hilfe bekommen sie nirgendwo“, resümiert sie. Die meisten würden denken, Corona ist vorbei – „für uns aber nicht“. Ein Befund stellte schließlich fest, dass sie an Long Covid gelitten hat und leidet. Unterstützung erhielt sie schließlich in einer Selbsthilfegruppe, die sie über das Potsdamer Selbsthilfe-, Kontakt- und Informationszentrum Sekiz gefunden hatte. Meditation, autogenes Training und der Erfahrungsaustausch mit anderen seien hilfreiche Säulen geworden.

Long-Covid-Betroffene suchen oft vergebens nach Hilfe

Wie Franziska K. könnten in absehbarer Zeit nach Schätzungen von Fachärzten bis zu 75 000 Brandenburger unter den langfristigen Folgen einer Covid-Erkrankung leiden. Bis zu zehn Prozent aller Infizierten seien auch Monate nach Abklingen akuter Beschwerden von Symptomen wie Erschöpfung, Kurzatmigkeit, Konzentrationsproblemen, Schlafstörungen und Muskelschwäche befallen, schätzt der Geschäftsführer der Neurologischen Kliniken in Beelitz, Martin Spielhagen.

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Der Mediziner gehört zu den Initiatoren des vor gut einem Jahr gegründeten Netzwerkes „Direna“, in dem in Brandenburg unter Schirmherrschaft des Landes Diagnostik-, Rehabilitations- und Nachsorgeangebote gebündelt werden für Menschen, die an Covid-19-Langzeitfolgen leiden. Dabei geht es um Fälle von Long-Covid bei Beschwerden wenigsten vier Wochen nach der Infektion und auch Post-Covid – mehr als zwölf Wochen später.

„Die Herausforderungen fangen bereits mit der Diagnose an“, sagt Spielhagen. Die zahlreichen Symptome können jeweils auch anderen Ursprungskrankheiten zugeordnet werden. Auch deshalb sei die Direna-Vernetzungsstruktur für Patienten, Angehörige und die Gesundheitssektoren wichtig, so Spielhagen. Für Hausärzte als angeratene erste Adresse ist ein Fragebogen entwickelt worden, um Post Covid oder Long Covid erkennen und die Schwere einstufen zu können. Danach müssen die Betroffenen meist Fachärzten zugeordnet werden, vor allem Neurologen, Lungenärzten oder Kardiologen. Vom Immunsystem produzierte Antikörper gegen körpereigene Zellen, Immunfehlregulationen, Entzündungen der Gefäßinnenwände sowie der Nervenfasern, aber auch Kreislauf- und Herzrhythmusstörungen können erkannte Langzeitfolgen sein.

Bis zu zehn Prozent aller Infizierten leiden an Long-Covid

Betroffene leiden meist unter Erschöpfung und Gehirnnebel (Brainfog) – von Medizinern ME/CFS genannt. Erfolg versprechend scheinen bislang vor allem unterschiedliche Formen der Rehabilitation zu sein, wie sie sich in Direna gebündelt haben. Bald 30 Rehazentren ambulant oder stationär in einer Klinik bieten Unterstützung an.

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Für die Behandlung, die körperliche, psychische und soziale Folgen sowie aus der Erkrankung resultierende Aktivitätseinschränkungen beseitigen soll, sind angepasste neurologische und Lungen-Rehabilitationen vorgesehen. Erfolge resultieren auch aus der Psychosomatik, die den Blick auf Zusammenhänge von Körper, Psyche und sozialen Faktoren richtet.

Long-Covid: Eindeutige Diagnosen fehlen

Fehlende Aussicht auf Heilung ist das eine. Womit Long-Covid-Betroffene wie Franziska K. aber auch massiv zu kämpfen haben, ist das häufige Fehlen einer „schwarz auf weiß-Diagnose“, wie sie sagt. Ein derartiger eindeutiger Befund könnte bei Anträgen auf Schwerbehindertenrecht und Berufsunfähigkeit helfen, die auch Franziska K., die im öffentlichen Dienst tätig ist, gestellt hat. Long-Covid führt zu immer mehr Berufsunfähigkeiten. Weit mehr als 250 000 Anträge wegen Corona soll es in der Bundesrepublik bereits gegeben haben. Aber nicht jeder bekommt die daraus resultierende die knapp bemessene Erwerbsminderungsrente ergänzende finanzielle Absicherung.

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Mit Direna wird auch der Blick nach vorn gerichtet, indem Modelle für langfristige Versorgungsstrukturen entwickelt werden. „Was wir machen ist ein sektorübergreifendes Experiment“, resümiert Spielhagen. Auf weitere derartige Initiativen baut auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dessen Ministerium zudem 100 Millionen Euro in Forschungen investieren will, wie Long-Covid-Patienten am besten versorgt werden können.

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