Vom Recht auf den eigenen Körper

Bitteres Amerika – der Film „Call Jane“ erzählt von einem Netzwerk, das in den 60er-Jahren Frauen bei Abtreibungen half

Ein Netzwerk hilft Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen: Elizabeth Banks (links) als Joy und Wunmi Mosaku als Gwen in einer Szene des Films „Call Jane“.

Ein Netzwerk hilft Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen: Elizabeth Banks (links) als Joy und Wunmi Mosaku als Gwen in einer Szene des Films „Call Jane“.

Zum Treffen mit dem Krankenhaus­ausschuss hat Joy (Elizabeth Banks) ein Tablett Cookies mitgebracht. Selbstgebackenes sorgt ja immer für gute Stimmung. Und in der Sitzung geht es schließlich um ihr Leben. Joy ist schwanger und leidet an einer Herzinsuffzienz. Eine Fortsetzung der Schwangerschaft kann tödlich für sie ausgehen.

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50 Prozent Überlebenschancen – der Antrag auf Abbruch wird abgeschmettert

Wir schreiben das Jahr 1968 in Chicago. Abtreibung ist hier wie in den meisten US‑Staaten gesetzlich verboten. Der behandelnde Arzt hat deshalb einen „therapeutischen Abbruch“ beantragt. Aber dem komplett männlich besetzten Ausschuss sind die Überlebens­chancen von 50 Prozent für die Schwangere Grund genug, den Antrag abzuschmettern. „Lassen Sie sich die Treppe runterfallen. Bei mir hat es funktioniert“, rät die Sekretärin in der Arztpraxis.

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Aber dann sieht Joy an einem Stromkasten einen Zettel. „Schwanger? Ängstlich? Hilfe. Ruf Jane an“ steht darauf. Die Telefonnummer führt sie zu einem Untergrund­netzwerk. Der Arzt verlangt 600 Dollar, aber er ist gut in dem, was er tut. Nach dem Eingriff findet sich Joy im Haus von Virginia (Sigourney Weaver) wieder, wo sich die Gruppe um die Nachsorge kümmert – Frauen, die hohe Haftstrafen riskieren.

Joy wird in den Zirkel aufgenommen und eignet sich schließlich selbst das Wissen an, um den Eingriff durchzuführen. In „Call Jane“ erzählt Regisseurin Phyllis Nagy auf fiktionalisierte Weise von der feministischen Hilfsorganisation, die Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre mehr als 12.000 illegale Abtreibungen organisiert hat, ohne dass eine Schwangere gestorben ist.

„Call Jane“ – das Thema Abtreibung wird politisch wie persönlich beleuchtet

Mit viel Zeitkolorit, sorgfältiger Ausstattung und gedreht auf 16‑Millimeter-Filmmaterial atmet „Call Jane“ tief die Atmosphäre der späten 60er ein, in der politische Initiativen wie diese den gesellschaftlichen Umbruch einleiteten. Aber Nagy behandelt Abtreibung nicht nur als Politikum, sondern beleuchtet umsichtig, was ein illegaler Schwangerschafts­abbruch für die Frauen bedeutet.

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In mehreren sensibel inszenierten Sequenzen nimmt sie dem schmerzhaften medizinischen Eingriff jene Monstrosität, die ihm auch im Kino immer wieder zugeschrieben wird. Der Film schließt mit einem Happy End, als im Jahr 1973 der US‑Supreme-Court im Fall Roe versus Wade das Recht auf Abtreibung als verfassungskonform einstufte – eben jenes Urteil, das im Juni dieses Jahres nach fast fünfzig Jahren von einem neu besetzten Supreme-Court wieder gekippt wurde.

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Eigentlich ist „Call Jane“ als Film angelegt, in dem sich die feministische Alt-68er-Oma und die Me-Too-Enkelin gemeinsam vor Augen führen könnten, wie Frauenrechte und gesellschaftlicher Fortschritt erkämpft werden. Aber die aktuellen grotesken Entwicklungen in den USA verwandeln die Retrospektive zu einem bitteren Blick in die Zukunft, in der Frauen, die sich zu einer Abtreibung entschieden haben, in vielen Bundes­staaten erneut in die Illegalität getrieben werden.

„Call Jane“, Regie: Phyllis Nagy, mit Elisabeth Banks, Sigourney Weaver, Wunmi Mosaku, 121 Minuten, FSK 12

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