Jubiläum

Brandenburg bereitet sich auf Fontanes 200. Geburtstag vor

Ministerpräsident Dietmar Woidke gibt einem Playmobil-Fontane die Hand.

Ministerpräsident Dietmar Woidke gibt einem Playmobil-Fontane die Hand.

Neuruppin. Wenn Fontane heute leben würde, „dann wäre er ein Blogger“, glaubt Mario Zetzsche, der auch bei 36 Grad ein faltenfreies weißes Hemd mit langen Ärmeln trägt. Theodor Fontane habe mit der digitalen Zeit geflirtet, urteilt er, dessen Briefe und Notizen seien der Versuch, Geistesgegenwart durch immer neue Anläufe zu konturieren –wenn Fontane etwas formulierte, war das nicht eine Fixierung in letzter Instanz. So halten es heute auch die Blogger, die sich im Internet ein Forum bauen, um eine kleine Meinung und den schnellen Blick auf die vergangenen zwei Stunden unterzubringen.

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„Seine Briefe sind Rapporte aus dem Alltag eines Schriftstellers“, hat Marcel Reich-Ranicki über Fontane geschrieben – während viele Autoren in Briefen Klarheit über sich selbst suchten, folgte Fontane dem „primitiveren Impuls, dem schlichten Mitteilungsbedürfnisses“. Auch das passt ins Regelwerk von vielen Bloggern. So gesehen, sagt Mario Zetzsche – noch immer ohne Schweiß auf der Stirn –, habe er Hoffnungen, die Jugend im nächsten Jahr, dem Fontanejahr, für den Brandenburger Schriftsteller zu begeistern. „Fontane ist zeitgemäß!“, das sagen fast alle, die sich auf 2019 und den 200. Geburtstag des Autors vorbereiten. Auch Zetzsche, der in Neuruppin, Fontanes Geburtsstadt, die Jugendprojekte leiten wird. Und Literatur mit Video-Games verbinden will.

Performance und Playmobil

Unter dem Titel „fontane.200“ zeigt das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Gesellschaft in Potsdam ab 30. März 2019 die sogenannte „Leitausstellung“ im Fontane-Jahr. Sie schließt am 30. Dezember 2019.

Die Fontane-Festspiele in Neuruppin beginnen am 31. Mai und bieten eine Mischung aus Musik, Theater, Literatur, Kunst, Performance und Film. Einerseits mit Bewährtem, andererseits mit völlig Neuem und Experimentellem.

Das Museum Neuruppin wird seine Dauerausstellung um Stationen erweitern, die Fontanes Leben illustrieren.

Die Kulturkirche Neuruppin zeigt bis 9. September eine Playmobilausstellung zu Fontane.

Doch natürlich ist den meisten, die aufs Jubiläumsjahr gucken, der Roman-Fontane lieber als der Notiz- und Brief-Fontane, weil der Roman die Form ist, die seinen Ruhm begründet. Im Potsdamer Theodor-Fontane-Archiv wissen sie, dass 2019 sehr viel Arbeit auf sie zukommt. Auch wenn der neue Leiter des Hauses, Peer Trilcke, mit einiger Gemütsruhe darauf hinweist, dass die vornehmliche Arbeit des Archives darin liege, die Handschriften zu sichten und zu bewahren. Das klingt nach akademischer Ruhe, vor allem nach der Kühle von gut temperierten Kellerräumen, die dem Papier nicht schaden. Doch das Ziel liegt nicht in der Errichtung eines Elfenbeinturms, sondern im schieren Gegenteil: Die originalen Handschriften, von den 67 Notizbüchern bis zu den Romanen, sollen digitalisiert und öffentlich zugänglich gemacht werden.

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Wieder also Digitalisierung. Es scheint an der Zeit, Fontane mit Blick auf seinen runden Geburtstag zu erden, ihn also auch in jener analogen Zeit zu suchen, die ihn prägte. Was liegt näher, als in seinem Geburtshaus zu beginnen? Ein Blick auf die Neuruppiner Löwen-Apotheke, wo er zur Welt kam, zeigt das ungebrochene Ansehen des Autors: Aus dem Wort „Geburtshaus“ ist das letzte S gestohlen worden, ein Buchstabe, so groß wie eine schöne, gebundene Ausgabe von „Effi Briest“, dem berühmtesten seiner Romane. „Das kommt öfter vor“, erzählt der Stadtführer Günter Rieger, „es gibt Verehrer, die brechen einen Buchstaben heraus“. Was man mit einem großen S zu Hause tut, kann auch er nicht sagen.

Grabstein seiner Mutter liegt am Parkplatz

Die damalige Dame des Hauses, Fontanes Mutter Emilie, kriegt leider keine große Bühne, ihr Grab steht leicht zu übersehen am Rande eines Parkplatzes. Auf Höhe mit den Kotflügeln der Stadt. Auch Günter Rieger ist darüber nicht glücklich.

Neuruppin hat stabile 32 000 Einwohnern. Noch zur Jahrtausendwende hatte man geunkt, die Bevölkerung werde auf 20 000 Menschen schrumpfen. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) freut sich, dass die Welt ihre Augen im kommenden Jahr auf Fontanes Geburtsstadt richtet, doch noch wichtiger findet er, „dass Neuruppin die Wende geschafft hat. In den 90er-Jahren hatte es die Stadt nicht leicht, wie so viele andere märkische Gemeinden, doch Neuruppin hat den Zukunftsoptimismus zurückgewonnen. Die Leute sind wieder stolz auf ihre Stadt. Das ist eine wunderbare Basis fürs Fontanejubiläum.“

Er mochte Wörter mit zahllosen Silben

„Zukunftsoptimismus“, das ist eins der langen Wörter, die Fontane hätte zur Welt bringen können – es sind Begriffe, die der Autor liebte, sie umfassen ungezählte Silben und werden heute verlässlich von den Rechtschreibprogrammen unterstrichen und als falsch markiert. „Pfefferkuchengegend“ oder „Weltverbesserungsleidenschaft“ sind weitere Wörter, sie hängen eingerahmt im Fontane-Archiv. Wie eine Urkunde, die Fontane als Sieger dieser kuriosen Disziplin ausweist.

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Neuruppin will im Jahr 2019 die Literaturhauptstadt von Brandenburg werden, sagt Uta Bartsch von den Fontane-Festspielen. Fast haben sie ihr Ziel erreicht. Sie halten sich ans Rezept, das schon Fontane formulierte: Sie arbeiten mit einem „gewissen Quantum Mumpitz“.

Von Lars Grote

MAZ

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