Die Selbstinszenierung der Hohenzollern
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Heldeninszenierung: Friedrich der Große auf dem Schlachtfeld bei Leuthen (1757), gemalt 1870 von Wilhelm Camphausen
Berlin. Otto guckt ziemlich selbstgewiss. Die Arme angewinkelt nach oben, steht er in seiner Ritterrüstung mit dem Speer in der Hand ein bisschen da wie ein kleiner Herkules. Graf Otto von Zollern sollte um 938 gelebt haben und ein Vorfahre der Hohenzollern sein. Nur: Es hat ihn nie gegeben. Die Preußendynastie hat ihn einfach erfunden. So, wie manche in der heutigen Leistungsgesellschaft meinen, sich durch eine abgeschriebene Doktorarbeit Ansehen verschaffen zu können, so versuchte man es in der feudalen Gesellschaft durch den Verweis auf die noble Herkunft. Und ein Otto aus der Zeit des Ostfrankenkönigs Ottos des Großen also, machte schon etwas her – vor allem wenn man aus der Aufsteigerfamilie der Hohenzollern stammte.
Basiswissen unterhaltsam präsentiert
Ritter Graf Otto hängt im Alten Schloss Charlottenburg und ist Teil der neuen Dauerausstellung „Das Preußische Königshaus – Eine Einführung in die Dynastie“, die seit Donnerstag geöffnet ist. Sie soll den Besuchern der repräsentativen Räume der einstigen Sommerresidenz der Hohenzollern auf unterhaltsame Weise Basiswissen über das Adelsgeschlecht vermitteln: politische Geschichte, Selbstverständnis, Machtanspruch.
Das macht die sich über vier Räume erstreckende Schau recht unterhaltsam. Gleich zum Einstieg empfängt sie mit einer Pickelhaube. Typisch preußisch? Wirklich? Der Kopfschutz wird noch heute damit assoziiert. Und im Ausland symbolisiert der Helm mit der Metallspitze oft ganz einfach Deutschland. In Wirklichkeit stammt die Pickelhaube, die das Kürassier-Regiment der Königin Luise auf den Häuptern trug, aus Russland. Friedrich Wilhelm IV. soll sie dort gesehen und dann in Preußen eingeführt haben. „Später haben sie fast alle europäischen Armeen getragen“, sagt Samuel Wittwer, der Direktor der Abteilung Schlösser und Sammlungen bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg.
Ein kritischer Blick auf die Hohenzollern
Die Ausstellung greift Vorurteile auf und spielt mit Klischees. Und sie vermittelt einen kritische Blick auf die Hohenzollern-Dynastie. Sie zeigt, wie sich das Herrscherhaus selbst inszenierte und sich damit die Geschichte zurechtbog. Auch das keine moderne Erscheinung. Mit Fake News konnten auch Hohenzollern aufwarten.
Die Ausstellung
Die Ausstellung über die Hohenzollern-Dynastie zeigt Insignien und Kunstwerke des Königshauses. In vier Räumen werden knapp 80 Objekte, von den Königskronen bis zum Soldatenspielzeug Friedrich II. gezeigt. Das Preußische Königshaus – Eine Einführung in die Dynastie. Schloss Charlottenburg – Altes Schloss. Berlin, Spandauer Damm 10-22. Di-So, 10-16 Uhr. Eintritt: 10 Euro.
Zur Selbstinszenierung gehörte zum Beispiel, dass längst obsolet gewordene Traditionen wieder aufgewärmt wurden. Neben zahlreichen Porträts des Herrscherhauses zeigt die Ausstellung zum Beispiel drei Darstellungen der Huldigung Friedrich Wilhelms IV. auf der Burg Hohenzollern im katholischen Hechingen (Baden-Württemberg). Der König reaktivierte diese alte Zeremonie, als die schwäbischen Fürstentümer 1850 an das protestantische Preußen fielen. Die Stände, so die Darstellung, bejubelten den heimgekehrten König. Paul Bürde malte die Szene 1851 mit dem König im Zentrum, ebenso auf einer Vase der Königliche Porzellanmanufaktur. Die unteren Stände schenken ihm hingegen Anfang der 40er-Jahre eine Darstellung der Szene von Franz Krüger, bei der vor allem die Massen zu sehen sind und der König an den Rand des Bildes gerückt ist. Das Bild soll Wilhelm IV. nicht sonderlich gefallen haben.
Friedrich der Große hoch zu Ross
Nicht fehlen dürfen in so einer Ausstellung freilich die Insignien der Macht. Kronen, Reichsapfel und Reichszepter sind in einer gut gesicherten Glasvitrine zu bestaunen. Und auch an heroischen Darstellungen mangelt es nicht. Einer der Höhepunkte: Friedrich der Große auf dem Schlachtfeld bei Leuthen (1757) im siebenjährigen Krieg, 1870 gemalt von Wilhelm Camp-hausen. Der König hoch zu Ross. Mit stählernem Blick reitet er dem Feind entgegen. Unerschrocken. Friedrich II. war eben schon im 19. Jahrhundert ein Mythos. Leider ist von diesem Bild derzeit nur eine Reproduktion zu sehen. Das stark von Zahn der Zeit angenagte Original wird derzeit aufwendig restauriert. Möglicherweise verliert es dann sogar ein wenig an Dramatik. Denn die zahlreichen Kratz- und Druckspuren lassen die Szene wirken, als reite Friedrich II. durch einen Kugelhagel.
Von Mathias Richter
MAZ