Kunst gegen Rechts

Erschöpfte Globalisierung

Kunst gegen Rechtspopulismus: Oliver Resslers Fotoarbeit „We Have a Situation here“.

Kunst gegen Rechtspopulismus: Oliver Resslers Fotoarbeit „We Have a Situation here“.

Berlin. Wenn Kunst sich von vorneherein als politisch versteht, dann ist das immer eine Gratwanderung. Schnell läuft sie Gefahr in Propaganda abzurutschen, weil sie unmissverständliche Botschaften transportiert, so dass man sich fragt, warum nicht einfach gesagt wird, was hier ästhetisch ausgedrückt werden soll. Nicht jede Agitprop in der Tradition eines John Heartfield ist auch große Kunst.

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Die Ausstellung Global – National im Haus am Lützowplatz in Berlin wagt es trotzdem. Dreizehn Künstler aus acht Nationen stellen dort derzeit mit der erklärten Absicht aus, sich gegen rassistische und rechtspopulistische Trends in den westlichen Gesellschaften zu stemmen.

„Kritischer Populismus“

Und das mit künstlerischen Mitteln, die jeder versteht. „Kunst darf nicht elitär sein, sie muss für alle dasein“, sagt Kurator Raimar Stange. Die Ausstellung unterscheide deshalb nicht zwischen Kunst und Politik, sie vertrete eher einen „kritischen Populismus“.

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Wie schwierig das ist, zeigt die Ausstellung auch. Wenn der rumänische Zeichner und Bildhauer Dan Perjovschi eines seiner im Raum verteilten Strichmännchen in der Schlinge des „R“ des Wortes „Fear“ – Angst – aufhängt, dann ist das schon hart an der Grenze.

Ebenso die tragbaren Demonstrationsschilder, die die Berliner Künstlerin Christine Würmell aufstellt. Die darauf befestigten Fotos zeigen Propagandamaterial des Bundesinnenministeriums, mit dem Flüchtlinge zur Rückkehr in ihre Herkunftsländer aufgefordert werden, und das wiederum von Demonstranten mit Parolen kommentiert und übermalt wurde. Geht’s denn nicht ein bisschen wenig platt?

Multikulturalität ganz selbstverständlich

Doch, es geht. Die Arbeiten der französisch-indischen Malerin Nadira Husain bestechen durch ihre selbstverständliche Multikulturalität. Husain arbeitet mit Elementen aus der westlichen Popwelt, verwendet indigen-indische Motive und greift in das pralle Archiv japanischen Ornamenten. Ihre Malerei verschränkt sich mit Collagen aus Jeansstoffen, bunten Stickern oder bemalten Steinen.

Dadurch gelingt ihr eine Ästhetik, die sich jeder nationalen Zuordnung entzieht. Weltkunst, deren Schönheit aus den Fassetten einer globalen Einheit erwächst.

Candice Breitz fragt: Wer bin ich?

Das mag vielleicht zu harmonisch wirken in einer Welt, in der Populisten und ihr Hass auf Minderheiten und Andersdenkende Konjunktur haben. Aber vielleicht gilt es gerade deshalb, den Glauben an feste Identitäten zu erschüttern.

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Die südafrikanische Videokünstlerin Candice Breitz tut das, indem sie zehn Bürger ihrer Heimat in die Kamera blicken und erzählen lässt, was sie sind: schwarz, weiß, schwul, hetero, alt, jung, Künstler, Angehörige der Mittelschicht – nur alle stellen sich als Candice Breitz vor. Identität ist eben Arbeit und wird einem nicht einfach in die Wiege gelegt.

Oliver Ressler zeigt den erschöpften weißen Mann

Global auch der Ansatz des Österreichers Oliver Ressler. Er präsentiert in der Ausstellung ein Foto, auf dem sieben weiße, in schwarzen Anzügen gekleidete Männer ineinander verkeilt und regungslos auf dem Boden liegen. Ein Haufen in sich zusammengesunkenes Menschenmaterial: erschöpfte Globalisierung.

Der Kapitalismus ist unerbittlich – selbst gegenüber den Mächtigen. Vielleicht auch das ein Erklärungsversuch, warum manche lieber wieder zurück hinter nationale Mauern wollen. Aber ob es dort besser wird?

Virtuelles Mahnmal für die NSU-Opfer

Zentrum der Ausstellung ist eine Arbeit des Berliner Künstlers Ulf Arminde. Er hat den Grundriss für ein Mahnmal für die Opfer zweier Anschläge des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) in den Jahren 2001 und 2004 in Köln in verkleinertem Maßstab aufgebaut.

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Die Stadt Köln hatte den Entwurf für das Denkmal ursprünglich ausgesucht, ihn aber nicht umgesetzt. Arminde zeigt in der Ausstellung, wie mittels einer App per Handy auf dem Grundriss die Wände eines der damals zerstörten Gebäude wieder entstehen und zugleich darauf Videos über das Schicksal der Opfer projiziert werden können.

Eine Installation, die nicht nur an die Opfer des NSU-Terrors erinnert, sondern zugleich zeigt, wie schnell diese Taten vom Rest der Gesellschaft wieder verdrängt werden.

Global National – Kunst zum Rechtspopulismus. Haus am Lützowplatz, Berlin, Di-So 11-18 Uhr. Bis 26. Mai.

Von Mathias Richter

MAZ

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