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Es war einmal in Germanien – die deutsche Netflix-Serie „Barbaren“

Versuchen, die Stämme zum gemeinsamen Kampf gegen Rom zu motivieren: Folkwin Wolfsspeer (David Schütter, links) und Hammerschwinger Berulf (Ronald Zehrfeld, rechts) auf Motivationswanderung in der Serie “Barbaren”.

Versuchen, die Stämme zum gemeinsamen Kampf gegen Rom zu motivieren: Folkwin Wolfsspeer (David Schütter, links) und Hammerschwinger Berulf (Ronald Zehrfeld, rechts) auf Motivationswanderung in der Serie “Barbaren”.

Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist. Aber Augustus will einfach zu viel. 20 Kühe soll ab jetzt jeder Stamm bereitstellen, und – noch viel schlimmer – kniend Roms Adlerstandarte küssen. Mit dem neuen Statthalter Publius Quinctilius Varus kehren neue, üble Sitten in Germanien ein. Das bislang einigermaßen friedliche Miteinander wird unter dem hochfahrenden Mann zu einem sozialen Gefälle, der Druck der Besatzer von jenseits der Alpen auf die vermeintlich primitiven Waldbewohner wird stärker, aus einer Verwaltungspolitik wird Unterdrückung. Ein Kind wird zu Beginn der Netflix-Serie „Barbaren“ zum Krüppel geschlagen, ein widerspenstiger Häuptling zum Tode verurteilt.

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Auf Demütigung folgt Herausforderung, der Weg Richtung Krieg wird beschritten. „Wir nehmen Ihnen das Wichtigste, was sie haben. Ihr heiliges Symbol“, sagt die blonde Schönheit Thusnelda (Jeanne Goursaud) zu ihrem Freund Folkwin Wolfsspeer (David Schütter). Sie ist, was die Schildmaid Lagertha in „Vikings“ war, eine unerschrockene, selbstbewusste junge Frau in einer Welt, in der Töchter gegen Pferde eingetauscht werden, man sie zum Herdenhüten verdammt und nicht zum Thing zulässt, wo im Germanien des Jahres 9 nach Christus die politischen Entscheidungen getroffen werden.

Frauenpower: Thusnelda führt die Standartenräuber an

Aber Thusnelda will mehr vom Leben. So ist sie auch die Anführerin der kleinen Guerrillatruppe, die ins Lager von Varus eindringt, Römer tötet, den „Aquila“ raubt. Eine vom Schlag der Odin-Gattin Frigg, deren Tat tödliche Konsequenzen hat. Germanen werden gekreuzigt, der Feldherr fordert den Kopf von Folkwin. Es war einmal in Germanien.

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Wo genau damals die Varusschlacht stattfand, darüber streiten bis heute die Gelehrten und halten ihre Funde von verschiedenen Stätten hoch. Unbestritten ist, dass die schlimmste Niederlage der Römer unter der Herrschaft des Kaisers Augustus den Expansionsdrang der Römer zunächst bremste. Auch über die Schuldfrage sind sich die antiken wie die heutigen Geschichtsschreiber nahezu einig: Varus (Gaetano Aronica) war kein guter Mann, hatte kein Einfühlungsvermögen, auch keine militärische Finesse.

Viel Fabulierkunst – zur Not auch über die (kargen) Fakten hinweg

Die Germanen dagegen meldeten sich mit ihrem Sieg über die Legionen mit einem Paukenschlag in der Weltgeschichte an. Die deutsche Netflix-Serie „Barbaren“ ist eine Fiktion zu den kargen Fakten. Die Showrunner/Autoren Jan-Martin Scharf und Arne Nolting erzählen, wie es passt. Da wird der römisch-germanische Schlachtenlenker Arminius (bekannt auch als Hermann der Cherusker), schon mal zur Kindgeisel und zum Ziehsohn von Varus. Weil es die Fallhöhe vergrößert.

Ein bisschen historischer Rahmen wird gesteckt – darin ganz viel frei erfundene Liebe, Hass, Rivalität, Intrigen, Verrat und Rache gefasst. Hier gibt es das ganze menschliche Brimborium der Braven und der Bornierten, die – in Felle oder Rüstungen gehüllt – in viel zu verschiedenen Vorstellungen vom Leben leben. Plus ein Schuss Mystik ins Pulverfass – mit weltenverschlingenden Wölfen und dem gefürchteten “dunklen Grund”, wo unselige Geister leben.

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„Barbaren“ – eine deutsche Serie mit internationalem Look

Wenn Deutschland am Werk war, mit Hollywood gleichaufzuziehen, war die Blamage lange Zeit programmiert. Schon in den Achtzigerjahren lachte man sich schlapp, als sich in den Schimanski-Kinofilmen grünweiße Freund-und-Helfer-Streifenwagen albern durch die Luft schraubten, als säßen Tom Cruise oder Bruce Willis am Steuer. Das hat sich inzwischen geändert. In „Barbaren“ klingt zwar noch mancher Zungenschlag, als käme der betreffende Germane geradewegs aus Potsdam und die Seherin aus dem heutigen Österreich.

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Aber: Die Actionszenen sind vortrefflich ausgeführt und gefilmt und das Rot der römischen Umhänge leuchtet brokaten wie in Ridley Scotts „Gladiator“ – wie überhaupt die Bilder von Kameramann Christian Stangassinger so glühen und glimmen wie es sich für opulente Historienfilme gehört. Man steht auch an Explizitheit nicht mehr hinter Hollywoods Großartigkeiten à la „Game of Thrones“ zurück. Eine Enthauptung ist eine Enthauptung ist eine Enthauptung. Der Kopf rollt und sieht dabei nicht aus wie eine komische Gesichtskugel aus der Abteilung „Maske“.

„Ich heiße jetzt Arminius“, sagt der zunächst etwas steife Präfekt der Reiterei (Laurence Rupp) seinen cheruskischen Kindheitsgefährten, von denen er getrennt wurde, als die Römer den Fürstensohn zwecks Friedenssicherung aus seiner Familie rissen. Folkwin und Thusnelda nennen ihn stur „Armin“ halten ihn anfangs für „ein Arschloch“, als er den Adler für Rom zurückfordert, aber auch für „einen Freund“, als der wütende Berolf (Ronald Zehrfeld) ihn zu töten trachtet.

Am Ende geht alles recht hastig in Richtung Schlacht

Der Mann zwischen den Welten ist der Nukleus der Geschichte, hin- und hergerissen zwischen den Loyalitäten zieht er als Kopfgeldjäger für Rom los, um durch eine Entscheidung seines unsensiblen Ziehvaters zu seinen Wurzeln zu finden und „Befreier Germaniens“ (Tacitus) zu werden. Während Folkwin vorläufig zum Niemand werden muss und den Göttern ein schreckliches Versprechen gibt. Thusnelda muss einer Zwangsheirat entrinnen um so etwas wie die Quotenkriegerin werden zu können, nur um dann neuerlich das Wohl ihres Volks über persönliche Wünsche stellen zu müssen.

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Auch wenn am Ende alles viel zu hastig Richtung Wald und Klimax geht und sich Arminius seine schwülstige Schlussrede hätte schenken können – eine derart durchinszenierte Schlacht war in einer deutschen Serie noch nicht zu sehen. Chapeau! Das germanische Märchen von Arminius ist außerdem noch lange nicht auserzählt, der Mann lebte hernach noch zwölf Jahre und viele lose Fäden baumeln noch absichtsvoll im Teutoburger Märchenwind.

Eine weitere Staffel mit den „Barbaren“ würde man also durchaus zu schätzen wissen, auch wenn jetzt gewiss wieder jede Menge Geschichtswissenschaftler mit Besserwisserei über die Authentizität dieser Kriegsbemalung und jener Metallspange über die Macher herfallen werden. Die Macher sollten aber unbedingt Römer einbinden. Die unterhalten sich hier nämlich in Latein, machen eine tote Sprache lebendig. Ein gesprochener Satz mit Abl-abs (Ablativus absolutus) ist einfach ein Genuss!

„Barbaren“, sechs Episoden, bei Netflix, von Jan-Martin Scharf und Arne Nolting, mit Laurence Jupp, Jeanne Goursaud, David Schütter (streambar ab 23. Oktober)

RND

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