Fontane, der Medienprofi
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Eine Person der Gegenwart: Theodor Fontane als Playmobil-Figur.
© Quelle: Detlev Scheerbarth
Potsdam. Hätte er heutzutage gelebt, hätte man Theodor Fontane wohl als "Freelancer" bezeichnet. Einer, der sich von Auftrag zu Auftrag durchs Leben hangelt. Eine klassische "Projektexistenz", wie der Potsdamer Literaturwissenschaftler Michelangelo d'Aprile schreibt, "die in einer sich rasant verändernden Medienlandschaft versuchte, ihre künstlerischen Fähigkeiten zu Geld zu machen".
Zumindest in dieser Hinsicht ist Fontane eine absolut gegenwärtige Figur. Ähnlich wie wir heute mit dem Internet und den Sozialen Medien wie Twitter, Facebook & Co. einen rasanten Umbruch der Informations- und Kommunikationsgewohnheiten erleben, so schrieb Fontane in einer Zeit der neuen Medien.
Fontanes Globalisierung
Durch einfachere Drucktechniken entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein massenmedialer Zeitungsmarkt, durch den weltweiten Ausbau des Telegrafennetzes, konnten Informationen in Windeseile verbreitet werden und wo kein Telegrafenamt in der Nähe war, half zum Beispiel in Berlin ein ausgeklügelte Rohrpostsystem, dass Nachrichten schnell ihren Adressaten erreichten. Was irgendwo auf der Welt passierte, konnte dank der Fototechnik schwarz auf weiß angeschaut werden. Die Welt rückte zusammen – ein weiterere Etappe auf dem Weg zur Globalisierung.
Welche Auswirkungen hatten diese Umbrüche auf die Arbeits- und Lebensweise eines modernen Schriftstellers wie Fontane? Dafür interessieren sich von Donnerstag an Experten aus aller Welt bei einem wissenschaftlichen Kongress an der Universität Potsdam.
Fontane musste sich vermarkten
„Fontanes Medien 1819 – 2029“ ist die Tagung überschrieben, auf der rund 50 Literatur- und Medienwissenschaftler aus Anlass des 200. Geburtstages des großen märkischen Literaten darüber diskutieren, welcher Medien sich Fontane seinerzeit bediente, um seine Geschichten zu verfassen und wie er sich selbst medial vermarktete.
Wie arbeiteten er mit den Medien und vor allem für die Medien? Denn Fontane war selbst Teil der neu aufgekommenen Medienmaschine, die er bedienen musste, um zu leben. Seine Novellen und Romane verkauften sich nicht so besonders. Seinen Job als Apotheker hatte er geschmissen.
Also musste er schauen, wie er mit seiner Schreibe an Geld kam. Fontane arbeitete zeitweise als Auslandskorrespondent in London, schrieb Theaterkritiken für Zeitungen und auch seine Romane erschienen teilweise zuerst als Fortsetzungsgeschichten in Zeitschriften. Honorare gab es nur bei Abdruck, also musste er so schreiben, dass er auch sein Publikum findet.
Neueste Forschungsergebnisse
Die von der Universität Potsdam und dem Potsdamer Fontane-Archiv unter der Leitung des Literaturwissenschaftlers Peer Trilcke organisierte Tagung befasst sich allerdings nicht nur mit der Medienexistenz Fontanes, sondern diskutiert zugleich die neuesten Forschungsergebnisse, die dank der aktuellen Medienrevolution über Fontane möglich werden.
So wurde mittlerweile ein Großteil des Fontane-Nachlasses digitalisiert. Neuerdings ist sogar seine Handbibliothek über ein Online-Portal (https:/uclab.fh-potsdam.de/ff) einsehbar. So lässt sich nachschauen, was der Dichter gelesen hat und sogar, welche Anmerkungen er dort hinterlassen hat. Wertungen wie "famos", "brillant" oder "schlecht" sind dort etwa zu finden.
Und noch etwas macht die Digitalisierung möglich: Fontanes Texte lassen sich auf Worthäufungen, rhetorische Figuren oder gerne verwendete Redewendungen absuchen. Fontanes Werke sind zwar weiterhin ein "weites Feld", wie der Vater von Effi Briest sagen würde. Doch ihre Digitalisierung macht sie etwas übersichtlicher.
Fontanes Medien 1819-2019. Internationaler Kongress des Theodor-Fontane-Archivs. 13.-16. Juni, Universität Potsdam, Campus am Neuen Palais. www.uni-potsdam.de/fontanekongress
Von Mathias Richter