50 Jahre „Paul und Paula“ – das berühmteste Liebespaar des DDR-Kinos – was verbinden Sie damit?
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Angelica Domröse und Winfried Glatzeder in „Die Legende von Paul und Paula“.
© Quelle: Defa-Stiftung/Herbert Kroiss
Berlin. Es beginnt gleich mit einem Rumms. Ein altes Wohnhaus wird gesprengt, um Platz zu machen für Plattenbauten, die Anfang der 1970er Jahre in Ostberlin entstehen. Ist das Neue wirklich besser? Der Defa-Spielfilm „Die Legende von Paul und Paula“ hält das in der Schwebe, wenn er von der turbulenten Affäre zwischen einem verheirateten Familienvater und einer alleinerziehenden Mutter erzählt, die mit ihrer Liebe und ihren Sehnsüchten die Welt aus den Angeln heben.
MAZ-Umfrage – was verbinden Sie mit „Paul und Paula“?
Ein halbes Jahrhundert ist das her, Premiere feierte der Film am 29. März 1973 im Kosmos-Kino in Berlin-Friedrichshain. Die beiden Hauptdarsteller, Angelica Domröse und Winfried Glatzeder, wurden weit über die engen Grenzen der DDR hinaus zu Stars. „Die Legende von Paul und Paula“ ist heute ein Kultfilm, der immer wieder angeschaut wurde. Die Figuren von Paul und Paula luden zur Identifikation ein. Und sie verkörperte, wenn auch vorsichtig eine kritische Haltung zum DDR-Mainstream.
Die Musik kam von den Puhdys
Drei Millionen Menschen sahen damals, wie sich Paula und Paul begegnen und versuchen, gegen alle Widerstände ihr persönliches Glück zu finden. Ihre „Legende“ traf einen Nerv, weil sie sich so verspielt und mit viel Fantasie an den Verhältnissen rieb. Das lag auch den Songs der Rockband „Puhdys“ wie „Geh zu ihr“ und „Wenn ein Mensch lebt“, deren anspielungsreiche Texte wie das Drehbuch von Ulrich Plenzdorf stammen. Die Kulturkritik wurde verstanden, auch wenn die Handlung vermeintlich unpolitisch war. Mehr Anarchie war in der DDR kaum möglich.
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Zum Kultfilm wurde er 20 Jahre später, als er 1993 erneut ins Kino kam und mit seinem Blick auf das kleine Glück in einer zusammengebrochenen Welt eine Ostalgie-Welle auslöste. Für viele hält die Faszination bis heute an, Angela Merkel hat ihn einmal als ihren Lieblingsfilm bezeichnet.
Drehbuch von Ulrich Plenzdorf
Die „Legende“ wurde zur Zeitkapsel, mit Bildern Ostberlins, das so schon lange nicht mehr existiert. Dazu gehört etwas die Stralauer Bucht, wo sich das Liebespaar in einer surrealen Szene im Ehebett auf einem bemalten Kahn über die Spree treiben ließ. Hier sind nach 1989 Luxuswohnungen entstanden. Ein Ufer ist nach Paul und Paula benannt, mit einer Parkbank in Erinnerung an das berühmteste Liebespaar des DDR-Kinos. Gleich nebenan trägt eine Straße den Namen ihres Schöpfers, des 2007 verstorbenen Drehbuchautors Ulrich Plenzdorf.
Auch die Singerstraße im Stadtteil Friedrichshain, in der gedreht wurde, während alte Häuser für neu entstehende Plattenbauten gesprengt wurden, hat sich seit der Wende stark verändert. In unmittelbarer Nähe befindet sich die Defa-Stiftung, die für das Erbe des ehemals staatseigenen Filmstudios verantwortlich ist. Für deren Vorständin, Stefanie Eckert, behandelt der Film „ein Thema, das wichtiger als die Gesellschaft ist. Es geht um die Suche nach individuellem Glück, nach Liebe. Paula hat ihr Leben gelebt und keine Widerstände akzeptiert. Diese romantische Kompromisslosigkeit hat das DDR-Publikum beeindruckt und beeindruckt noch immer.“
Angelica Domröse und Winfried Glatzeder wurden mit dem Film zu Stars
Für Glatzeder und Domröse brachte der Film den großen Durchbruch. Sie kannten sich vom Theater, spielten gemeinsam regelmäßig an der Berliner Volksbühne. Beide hatten ein gespaltenes Verhältnis zur DDR, zumal nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976. Domröse siedelte 1980 mit ihrem Ehemann, dem Schauspieler Hilmar Thate, in den Westen. Glatzeder wanderte nach mehreren Ausreiseanträgen 1982 mit Frau und zwei Söhnen aus. Die Verhältnisse im Land waren ihnen zu eng geworden. Ihr Film wurde danach verbannt. Und erst 1993 wiederentdeckt.
Regisseur Heiner Carow inszenierte trotzdem weiter für die Defa, darunter das Drama „Coming Out“ über einen schwulen Lehrer, der am 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls, Premiere feierte und ebenfalls als Klassiker gilt. Im wiedervereinigten Deutschland drehte er einige Fernsehfilme bis zu seinem frühen Tod 1997 im Alter von 67 Jahren.
Die 1941 geborene Domröse lebt heute in Berlin, hat sich aber von der Schauspielerei zurückgezogen. Und der 77-jährige Glatzeder ist nach weiteren Kino- und Fernsehfilmen und einigen Einsätzen als Berliner Tatort-Kommissar zwischen 1996 und 1998 vor allem auf der Bühne zu sehen. Der „Belmondo des Ostens“ ist so bleibend mit dem Film und seiner Figur assoziiert, dass er seine 2008 veröffentlichte Autobiografie „Paul und ich“ nannte.
Die Legende von Paul und Paula endet tragisch
Für Paul und Paula im Film endete die Geschichte dagegen zwar vereint, aber tragisch. „Du kannst nicht alles haben“, warnt der Arzt Paula, als sie erneut schwanger ist. „Ideal und Wirklichkeit gehen nie übereinander, ein Rest bleibt immer.“ Das Glück dennoch zu wagen, so klein die Chance auch sein mag, für Paula kommt nichts anderes infrage. „Ihre Liebe war stark wie der Tod“, singen die Puhdys, „und er hat ein Übels getan“. Die Geburt des gemeinsamen Kindes mit Paul hat Paula nicht überlebt, heißt es lapidar im Film, bevor ein weiteres Gebäude einstürzt.
„Die Legende von Paul und Paula“ ist dagegen längst unsterblich. Und leichter verfügbar denn je, auf DVD und Streamingplattformen, wo sie auch nach 50 Jahren noch die Verhältnisse zum Tanzen bringt.
MAZ