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„Wie es euch gefällt“: Sommertheater in Potsdam

Hans-Otto-Theater inszeniert Shakespeare-Komödie als klamaukreichen Comic

Charlott Lehmann als Rosalinde, Arne Lenk as Orlando und Mascha Schneider als Celia.

Charlott Lehmann als Rosalinde, Arne Lenk as Orlando und Mascha Schneider als Celia.

Potsdam. Ranschmeiße ans Publikum – für Theaterleute ist das kein Kompliment. Kritiker meinen in solchen Fällen, dass ein Ensemble nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zielt. Die Figuren sind dann zu drall angelegt, die Späße zu zotig, die Lieder zu eingängig. Mit einem gewissen Zynismus wird einem unterschätzten, vergnügungssüchtigen und berechenbaren Publikum nur das auf der Bühne geboten, wonach es lechzt.

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Der Titel „Wie es euch gefällt“ ist sprichwörtlich geworden für die Spielarten des Populismus. William Shakespeare schrieb die Komödie im Jahr 1600. Er war nicht nur Schauspieler, Regisseur und Dichter, sondern auch Geschäftsmann. Seine Theatertruppe hatte gerade das neu errichtete Globe Theater am Londoner Themse-Ufer bezogen. Shakespeare war an der Gewinn- und Verlustrechnung unmittelbar beteiligt. Der Unternehmer konnte damals nicht auf staatliche Subventionen bauen und war auch keinem Bildungsauftrag verpflichtet.

Es reicht nicht, ein solches Stück vom Blatt zu spielen

Mit einer Inszenierung von „Wie es euch gefällt“ auf der Sommerbühne verabschiedet sich das Potsdamer Hans-Otto-Theater aus der Spielzeit 2022/23. Von Theateraufführungen unter freiem Himmel wird erwartet, dass sie ein schönes Ambiente gekonnt mit anregender Unterhaltung und Heiterkeit anreichern. Dafür ist das Lustspiel von Shakespeare, das mit einer Vierfach-Hochzeit endet, besonders geeignet.

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Doch natürlich reicht es nicht, ein solches Stück vom Blatt zu spielen. Regisseur Marc Becker musste sich schon etwas einfallen lassen, um das Publikum zu faszinieren. Gemeinsam mit dem Dramaturgen Christopher Hanf strich er aus der klassischen Übersetzung von August Wilhelm Schlegel viele Abschweifungen und die Ausschmückungen im antiquierten hohen Ton heraus und schmeckte die märchenhafte Handlung neu ab. Umgangssprachliche Wendungen von heute und einige lockere Anspielungen auf die Gegenwart gehen in dieser Inszenierung mit dem klassischen Stoff eine stimulierende Verbindung ein.

Das Publikum soll den Kanon „Froh zu sein bedarf es wenig“ singen

Dabei vertraut Becker ganz den 18 Figuren, wie sie Shakespeare geschaffen hat. Er überzeichnet sogar deren Disposition und Charakter, so dass alle, die Hirten wie die Höflinge, als starke, tiefenscharfe Karikaturen die vielfältigen Liebeswirren erzählen. Dafür hat Britta Leonhardt den neun Schauspielern und dem einen Musiker skurrile, exaltierte Kostüme und vor allem auch Frisuren verpasst. Die Musik, Musikclownerien und Soundelemente von Johannes Winde unterstreichen ebenfalls, dass hier ein klamaukreicher Comic mit hoher dramaturgischer Finesse und starken Schnitten abgespult wird, kein realitätsnahes Gesellschaftsstück. Überflüssigerweise wird auch auf manche Gassenhauer zurückgegriffen. Einmal soll das Publikum sogar den Kanon „Froh zu sein bedarf es wenig“ anstimmen. Auch der Schlager „Die Liebe ist ein seltsames Spiel“ ist nicht mehr als ein abgegriffenes Zitat.

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Das Bühnenbild versperrt diesmal nicht den malerischen Ausblick auf den Tiefen See. Nur ein schmales Klohäuschen mit Herzchen in der Tür ragt in die Horizontlinie, die den Babelsberger Park mit dem Flatowturm zum Teil der Handlung im idyllischen Ardennerwald werden lässt. Mit Spanholzplatten, naturbelassenen Holzbalken und -leisten imaginiert Harm Naaijer dezent und abstrakt das Leben in der freien Natur unter Bäumen.

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Fischreiher fliegen wie in Zeitlupe schnurgerade über die Bühne

Die Schönheit der realen Landschaft an einem traumhaften Sommerabend bringt sich bei der Premiere am Samstagabend bilderbuchhaft ein. Fischreiher fliegen wie in Zeitlupe schnurgerade über die Bühne. Ein leichter, warmer Wind lässt die Blätter in den Bäumen rauschen. Eine Nachtigall startet ihren betörenden Gesang. Boote tuckern in den Abend, während der Vollmond durch die hohen Ufer-Erlen lugt.

Auf dem Bild Mascha Schneider, Bettina Riebesel, Kristin Muthwill, Philipp Mauritz, Charlott Lehmann sowie vorne Guido Lambrecht.

Auf dem Bild Mascha Schneider, Bettina Riebesel, Kristin Muthwill, Philipp Mauritz, Charlott Lehmann sowie vorne Guido Lambrecht.

Shakespeares Bildungsauftrag

Shakespeare wäre nicht Shakespeare, wenn er nicht doch seinen ganz persönlichen Bildungsauftrag in die Komödie eingeflochten hätte. In „Wie es euch gefällt“ kommentieren sowohl der Harlekin Touchstrone (Philipp Mauritz) als auch der Melancholiker Jaques (Jörg Dathe) die Geschehnisse und den Weltenlauf. Sie tun das beide in einem so angenehmen, unaufdringlichen Ton, dass sich der Besucher ihre Weisheiten gern gefallen lässt.

Charlott Lehmann spielt die Rosalinde mit gebrochenem Arm

Alle Schauspieler des Ensembles wissen mit ihren Rollen etwas anzufangen und verleihen den Figuren starke Konturen. Kristin Muthwill spielt äußerst beherzt sowohl eine böse wie auch eine gute Herzogin. Charlott Lehmann als Rosalinde genießt es sichtlich, auch als Mann aufzutreten und benötigt dafür so gut wie keine Verkleidung. Da sie sich kurz vor der Premiere den Arm gebrochen hat, spielt sie mit einem Gipsarm. Und wenn sie ihren angebeteten Orlando (Arne Lenk) am Ende auf die Realität des Ehealltags einstimmen möchte, kommt sie ihm nicht nur mit der Aussicht, dass er nun zwei Mal wöchentlich das Klo putzen muss, sondern sie auch vom Jucken unter dem Gips befreien soll. Einige Pointen haben sich erst im Probenprozess ergeben. Der Theaterbesucher spürt, dass hier ein Ensemble mit viel Spaß zu Werke geht.

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Realitätsschock Natur

Für ein äußerst gängiges Thema der Gegenwart erweist sich das Stück als Steilvorlage. Denn die Höflinge aus der Stadt verschlägt es aufs Land. In der eigentlich ideologisch verklärten Natur werden sie nun mit Mücken, Gestank und scheinbarer Ereignislosigkeit konfrontiert. Dass am Ende auf der Bühne am Tiefen See noch der Meister, also William Shakespeare (Paul Sies), höchstpersönlich auftritt, ist ebenfalls eine schöne Idee. „Wie es euch gefällt“ in Potsdam bietet also gefällige, gute Unterhaltung und ist „Ranschmeiße“ mit Pfiff und Niveau.

info Nächste Aufführungen: Bis zum 15. Juli kommt das Stück 18 Mal zur Aufführung. Freilichtbühne am Tiefen See, Hans-Otto-Theater Potsdam, Schiffbauergasse. Karten unter 0331/98118. Oder kasse@hansottotheater.de sowie unter www.hansottotheater.de

MAZ

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