Es ist warm, und es sind Ferien – beides tut dem Kleidungsstil der Deutschen nicht gut. Am wenigsten aber passen Formen der Uniformiertheit zur Suche nach Individualität. Also Hut auf und durch!
Potsdam. Kleidung kann Verpackung sein. Vor allem aber ist sie Ausdruck für ein Gefühl. „Die Frauen drücken in ihren Kleidern selbstbestimmte Zeitgestaltung aus, die Männer tragen Berufsuniform“, schrieb die Modeexpertin Barbara Vinken 2013 in ihrem Buch „Angezogen. Das Geheimnis der Mode“. Knapp zehn Jahre, zwei Krisen und eine Pandemie später sind Freizeitvertreib und Berufsausübung auf eine Weise im Fluss, dass sich nicht jeder Kleidungsstil ans Ufer des Sehenswerten retten kann. Vom Schicklichen ganz zu schweigen. Das Praktische dominiert, als würde im Angesicht einer Maskenpflicht jedes Stück Stoff als staatliche Einmischung empfunden, der es sich zu widersetzen gilt.
Der Satiriker Wiglaf Droste (1961–2019) wandte sich zwar schon im Sommer 1989 in der „taz“ von „Schiesser Feinripp, Kurzbehostheit und Lochsandalette“ ab, und zwar mit Grausen. Überhaupt sei der Sommer „ein nur zu willkommener Vorwand, die letzten Rudimente von Selbstrespekt freudig über Bord zu werfen“. Neu jedoch ist die Ausweitung des Milieus. Wo Mode einst die Stände voneinander schied, wofür die Tracht so geeignet war wie die Robe, scheinen heute alle gleich.