Sophia Lorens Grandezza im Netflix-Film „Du hast das Leben vor dir“

Die Schauspielerin Sophia Loren.

Die Schauspielerin Sophia Loren.

Auschwitz also: Der Film ist beinahe schon zur Hälfte vorüber, da spricht Madame Rosa diesen Namen doch noch aus. Madame Rosa hat den Holocaust im Konzentrationslager überlebt – deshalb der Zifferncode auf ihrem Unterarm, deshalb ihr möblierter Rückzugsort im Keller, deshalb das Privatpensionat, in dem die frühere Prostituierte Kindern aktiver Kolleginnen ein Heim gewährt und nebenbei versucht, das Trauma einer Jugend im KZ aufzuarbeiten. Wegen alldem also ist die resolute Madame Rosa (Sophia Loren) bei aller innerer Kraft zugleich so fragil, matt, verschlossen.

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„La Vita davanti a sé“, dessen deutscher Titel „Du hast das Leben vor dir“ melodramatischer klingt als nötig, ist folglich viel mehr als ein Rührstück übers muslimische Flüchtlingskind Mohammed, genannt Momo, den die jüdische Italienerin Rosa beherzt unter ihre Fittiche nimmt. Mehr auch als ein Sozialdrama, das die übliche Brennpunktmischung aus Culture Clash und Drogenhandel, Verwahrlosung und Zusammenhalt unterhaltsam macht.

Der originelle Netflix-Film handelt immer auch vom wohl düstersten Kapitel der Menschheitsgeschichte. Wobei es vor allem Sophia Lorens Verdienst ist, dass dieses Kapitel nur unterschwellig mitschwingt. Die Handlung wird hier nicht unter einem Berg des Unaussprechlichen begraben.

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Mythos einer Diva

Lorens Sohn Edoardo Ponti führt mit angenehm zurückhaltender Hand Regie. In seiner Mutter hat er eine Hauptfigur gefunden, die nach sechs Jahren Kameraabstinenz ein weiteres, vielleicht das letzte Kapitel ihrer epischen Karriere aufschlägt. Im Alter von mittlerweile 86 Jahren zeigt Loren, wie man den Mythos einer Leinwanddiva früherer Tage so fürs digitale Fernsehen zuschneidet, dass er nicht zerkleinert wird, sondern im Gegenteil noch wächst.

Schon der Starrsinn im Gesicht Madame Rosas, als sie mit dem selbstlosen Kinderarzt Dr. Coen (Renato Carpentieri) wieder einmal aushandelt, wie viel er ihr monatlich zahlt, um ein schwieriges Kind auf den Pfad der Tugend zurückzubringen, ist schlicht umwerfend.

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Der Dauer eines gut eineinhalbstündigen Spielfilms geschuldet, geht es zwar etwas schnell, wie Momo (Ibrahima Gueye) vom notorischen Kleindealer zum liebevollen Ersatzenkel wird. Sophia Lorens Monumentalfilm-Grandezza, gepaart mit altersweiser Selbstbeherrschung, macht aber auch diesen Sinneswandel glaubhaft – und „La Vita davanti a sé“ zur überzeugenden Sinnsuche nach Struktur, Geborgenheit und Erlösung.

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„Ach, Madame Rosa“, schwärmt der Kleinkrämer Hamil (der Iraner Asghar Farhadi, besser bekannt als doppelter Oscarregisseur mit „Nader und Simin – Eine Trennung“ und „Salesman“), als sie ihm den störrischen Momo als unerwünschte Aushilfskraft aufschwatzt, „ihre Augen und ihre Stimme täuschen einen immer noch.“ Das gilt auch für die berühmte Schauspielerin dahinter.

„Du hast das Leben vor dir“, bei Netflix, Regie: Edoardo Ponti, mit Sophia Loren, Asghar Farhadi und Ibrahima Gueye, 94 Minuten

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