Rottstock (Potsdam-Mittelmark)

Berliner Familie kauft abgelegenes Herrenhaus

So sieht es derzeit in Struvenberg aus. Das zu DDR-Zeiten angebauten Bettenhaus ist fast abgerissen. Das Herrenhaus ist neu eingedeckt.

So sieht es derzeit in Struvenberg aus. Das zu DDR-Zeiten angebauten Bettenhaus ist fast abgerissen. Das Herrenhaus ist neu eingedeckt.

Struvenberg. Eingestürzte Mauern, leere Fensterhöhlen, ausgeschlachtete Aufbauten. Auf der ehemaligen Gutsanlage Struvenberg sieht es aus wie nach einem Bombeneinschlag. Doch es gibt Zeichen der Hoffnung für das seit 2002 leer stehende Gebäudeensemble. Das unter Denkmalschutz stehende Herrenhaus hat ein neues Dach bekommen. Zumindest auf der Ostseite wurden neue Fenster eingebaut, Sanitär- und Elektroarbeiten fanden statt. „Weihnachten wollen wir einziehen.“ So lautet die überraschende Mitteilung von Cengiz Kepsigöz. Der türkischstämmige Berliner hat mit seiner Frau Christina Voß die ruinöse Immobilie von einem privaten Vorbesitzer aus Ziesar erworben.

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Wechselnde Besitzer

Die Geschichte der baulichen Anlage Struvenberg geht bis ins 18. Jahrhundert zurück, als eine Familie von Boeltzig das Herrenhaus, auch Schloss genannt, errichten ließ. Von 1899 bis 1903 war die Immobilie im Besitz der Burger Stadtsparkasse.

Maximilian Hiller kaufte Struvenberg 1903. Damit wurde aus dem Gelände wieder ein Familienbesitz. Dabei blieb es bis Kriegsende. Angeblich überlebte der Besitzer den Einmarsch der Roten Armee nicht. Zu DDR-Zeiten wurde es von der Stasi als Ausbildungsobjekt genutzt.

Nach der Wende ging das Areal zunächst in den Besitz des Landkreises Brandenburg, später Potsdam-Mittelmark, über. Struvenberg wurde zum Asylbewerberheim mit 230 Plätzen und vier festen Mitarbeitern hergerichtet. 2002 wurde das Heim geschlossen und später durch den Kreis verkauft.

Vordringlichstes Ziel des Ehepaares, das mit seinen drei Kindern bereits in Rottstock zur Miete wohnt, ist die Sicherung und der Erhalt der denkmalgeschützten Bausubstanz. Dazu gehört das historische Haupthaus samt Turm, ein Saalbau, die Hofmauer und ein Remisengebäude. Fremdkörper aus DDR-Zeiten, wie das angebaute Bettenhaus sollen verschwinden. Die Abrissarbeiten waren schon im Gang, als die Firma aus Kapazitätsgründen hinschmiss. Beim jetzigen Anblick der Baustelle fehlt dem Betrachter die Phantasie, um sich eine baldige Nutzung vorstellen zu können.

Doch Kepsigöz, der eine Textildruckerei betreibt, gibt sich optimistisch, zeigt Grundrisse vom künftigen Wohnbereich, schwärmt von der Original-Terrasse, die wieder zugänglich gemacht werden soll. Bauforschung musste betrieben werden. Die Fassade soll einmal wieder in Altweiß erstrahlen, so wie vor dem Krieg. Das gesamte Vorhaben wurde von den neuen Schlossherren in Wiesenburg der Lokalen Aktionsgruppe Fläming-Havel vorgestellt. Sie erhoffen sich im Rahmen eines Antragsverfahrens Fördermittel aus dem EU-Topf für Leader-Projekte zu bekommen. Dabei geht es vor allem um Zuschüsse für die denkmalgerechte Sanierung der Fassade.

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Der Speisesaal im Struvenberger Herrenhaus vermutlich nach 1960, als Walter Ulbricht DDR-Staatsratsvorsitzender wurde

Der Speisesaal im Struvenberger Herrenhaus vermutlich nach 1960, als Walter Ulbricht DDR-Staatsratsvorsitzender wurde.

Die Zukunftspläne von Cengiz Kepsigöz und Christina Voß, die in der Charité eine Elternberatungsstelle betreibt, gehen weit über einen Wohnsitz für die eigene Familie hinaus. Eines Tages wollen die Neu-Rottstocker als touristische Dienstleister die Region bereichern. „Doch soweit ist es noch nicht. Struvenberg ist ein Lebenswerk. Aber ein schönes“, meint der neue Besitzer, der sich für 2018 ein öffentliches Sommerfest auf dem Anwesen vorstellen kann. Ihr Haus in Berlin hat die Familie bereits veräußert. „Wir wollten ein neues Zuhause mit Wasser, Wald und Wiesen. Hier passt einfach alles.“ Die beiden jüngsten Söhne Jakob und Jonathan besuchen schon die Görzker Grundschule und sind Mitglied in der Rottstocker Kinderfeuerwehr.

Die mitten im Wald gelegene Gutsanlage Struvenberg steht für eine bewegte Geschichte. Letzter aktiver Nutzer war der Landkreis Potsdam-Mittelmark, der das abgelegene Areal von 1992 bis 2002 als Asylbewerberheim nutzte. Zeitweise waren in dem Objekt bis zu 230 Männer, Frauen und Kinder untergebracht. Wegen des damals abflauenden Asylbewerberstrom schloss der Landkreis die Einrichtung und verkaufte die Immobilie an einen Privatmann. Zu einer Nachnutzung kam es nie. Dafür zogen Verfall und Vandalismus ein.

Die Garagen stammen noch aus der Zeit als Stasi-Ausbildungsobjekt

Die Garagen stammen noch aus der Zeit als Stasi-Ausbildungsobjekt.

Zu DDR-Zeiten wurde in Struvenberg ein gruseliges Kapitel des Kalten Krieges mitgeschrieben. Als Objekt „Maria“ diente es zunächst der jungen NVA für die Ausbildung von Untergrundkämpfern, die im Kriegsfall in Westdeutschland agiert hätten. 1962 übernahm das Ministerium für Staatssicherheit die Ausbildung von Spionen, Saboteuren, Einzelkämpfern und Diversanten in Struvenberg. Wie aus Dokumenten der Stasi-Unterlagenbehörde hervorgeht, wäre es deren Aufgabe gewesen eine militärische Besetzung des „Operationsgebietes“ vorzubereiten. Neben der militärischen Grundausbildung wurden die zum Teil sehr jungen Kursanten an Waffen, Funkanlagen, Chiffriergeräten, Spreng-und Brandstoffen, Zündern, Fernsprenggeräten und Kraftfahrzeugen sowie im Partisanenkampf ausgebildet.

Von Frank Bürstenbinder

MAZ

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