Scholz und Baerbock wollen Visa-Vergabe in Brandenburg an der Havel beschleunigen
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/VZ4OYKID7EBS42TI5ZNCUJW3GM.jpg)
Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD) steht neben Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen), Außenministerin, vor dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten mit dem Hausherrn BfAA-Präsident Georg Birgelen.
© Quelle: Michael Kappeler
Brandenburg/H. Seit gut einem Jahr ist die Ampelkoalition im Amt. Und erst jetzt – dazwischen liegen elf Monate Krieg in der Ukraine – kommen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) dazu, gemeinsam einen Termin zu besuchen. Kurz vor den Toren ihrer Potsdamer Wohnungen treffen sich die beiden am Dienstagvormittag im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten (BfAA) in Brandenburg an der Havel in der Kirchhofstraße. Scholz ist im Hubschrauber bei Mötzow etwas verspätet gelandet, Baerbock kommt pünktlich in der Limousine an.
Beide wollen sich vor Ort informieren über die noch recht junge Behörde, und dabei haben sie insbesondere die Bearbeitung von Visaverfahren für Arbeitskräfte im Blick.
Baerbock plaudert zunächst mit Scheller und Birgelen
Da Scholz fehlt, bleibt vorab Zeit für eine Plauderei zwischen Annalena Baerbock, Oberbürgermeister Steffen Scheller und BfAA-Präsident Georg Birgelen. Birgelen weiß, dass das Auswärtige Amt die Visaverfahren zur Fachkräftegewinnung deutlich beschleunigen will.
Deswegen war im Sommer schon Carsten Schneider, der Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland, bei ihm. Damit das Projekt gelingt, werden mehr als 100 zusätzliche Visa-Entscheider im Auswärtigen Amt und seiner Behörde benötigt.
Lesen Sie auch
- Außenpolitik aus Brandenburg an der Havel für die Welt
- Ostbeauftragter verspricht Brandenburg an der Havel eine große Zukunft
Stellen, die die Regierung zur Verfügung stellt, da die Zeit drängt. Denn künftig sollen 100.000 oder mehr Fachkräfte-Visaanträge pro Jahr gestellt und bearbeitet werden. Gestellt, digital in den Heimatländern der Interessenten und bearbeitet in einem möglichst schnellen, digitalisierten Verfahren. Doch um Fachkräfte aus dem Ausland anzuheuern, braucht man Fachkräfte, die den Prozess in Brandenburg steuern. Und die sind Goldstaub.
Die Hauptstadtregion boomt, der Fachkräftemarkt ist abgegrast. Möglicherweise wäre eine Visa-Dependance am Standort Bonn übergangsweise eine Lösung, heißt es unter der Hand im BfAA. Das widerspricht allerdings der Idee, Bundesbehörden in den Osten zu holen, was Baerbock später als Erfolg feiern wird. Ergo verständigen sich die Außenministerin, OB Scheller und Birgelen auf eine Werbungs- und Imagekampagne, um an gutes Personal zu kommen.
Dann kommt Olaf Scholz. Er steht im Thema. Seine Idee: Das gesamte Visumverfahren soll von Antragsentgegennahme über die Kommunikation zwischen den beteiligten Behörden bis zur Erteilung digital funktionieren. Am besten über eine Plattform. Allerdings: Wie bekommt man 500 Ausländerbehörden, die Bundesagentur für Arbeit, die Polizei und zahlreiche andere Ämter und Behörden auf einer Plattform unter einen Hut, ohne dass die Sicherheit und der Datenschutz leiden?
Olaf Scholz ist ein Fachmann in Sachen Visum und Vergabepraxis. Schon 2005 saß er für die SPD im Visa-Untersuchungsausschuss. Damals wurden in der Visa-Affäre Missbrauchsfälle bei der Vergabe von Visa in deutschen Botschaften in der Folge der Neufassung der Visumvergabepraxis durch die rot-grüne Regierung aufgearbeitet.
Scholz saß 2005 im Visa-Untersuchungsausschuss
Das Auswärtige Amt wies 2000 Auslandsvertretungen an, bei der Verteilung von Visa unbürokratischer zu verfahren und nicht jeden „Zweifel an der Rückkehrbereitschaft“ als Ablehnungsgrund zu werten. Die Entscheidung, die Rot-Grün 2004 selbst kassierte, führte vor allem in der deutschen Botschaft im ukrainischen Kiew zum rasanten Anstieg der Erteilung von Visa.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/QPJROSXOBE32T66MHZBJAHUQAI.jpg)
Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten (BfAA).
© Quelle: André Großmann
Doch jetzt ist klar: Deutschland braucht „bis zu 400.000 zusätzliche Fachkräfte jährlich“. Und viele dieser Arbeitskräfte und ihre Familien brauchen ein Visum. Und dabei will man in Brandenburg an der Havel helfen.
Der Termin in Brandenburg beginnt am Dienstag mit einer internen Runde, bei der sich Kanzler, Ministerin, drei Staatssekretäre und zwei Dutzend hochrangiger Ministerialer das Prinzip der Visa-Vergabe intern erklären lassen. Im Anschluss gehen der Kanzler und die Ministerin ins direkte Gespräch mit Mitarbeitern im Obergeschoß und lassen sich den Prozess der Visavergabe im Detail erklären.
Scholz und Baerbock treten vor die Presse
Dieser Prozess war bisher, das machen Scholz und Baerbock im Anschluss bei einem kurzen Statement für die Medien klar, nicht darauf ausgerichtet, die Einreise zu ermöglichen, sondern eher zu verhindern – mit Blick auf die Gefahrenabwehr. Doch Deutschland sei heute, so Baerbock, ein modernes Einwanderungsland, das auch ein modernes Einwanderungsgesetz und eine moderne Visavergabe benötige, um im Wettbewerb um Fachkräfte zu bestehen.
Lesen Sie auch
- Brandenburg an der Havel: Annalena Baerbock eröffnet neues Bundesamt
- Baerbock: Bundesamt in Brandenburg an der Havel wird noch 2022 größer
Und dabei gehe es nicht nur um IT-Fachleute, sondern auch um Köche, Pflegepersonal und viele andere Arbeitswelten, in denen händeringend Personal gesucht werde. Deswegen stelle man jetzt das Einwanderungsgesetz und die Visa-Vergabe „vom Kopf auf die Füße“, verspricht Bearbock.
Olaf Scholz sagt, er sei sichtlich beeindruckt von der Arbeit, die bereits nach so kurzer Zeit im BfAA geleistet werde. Diese Behörde spiele „eine große Rolle für die Zukunftsfähigkeit“ der Republik. Doch um das Visa-Verfahren zu beschleunigen, wird man viele Hemmnisse aus dem Weg räumen und Verfahren vereinheitlichen müssen, um Menschen aus dem Ausland die Möglichkeit zu geben, einfach in Deutschland zu arbeiten oder zu studieren.
Für Birgelen ist der Kanzlerbesuch ein Ritterschlag
Zwei Beispiele machen am Dienstag im BfAA die Runde. So sei es, wie Annalena Baerbock sagt, für eine Südkoreanerin möglich, in Deutschland ohne das Visum zu arbeiten, das ein Mexikaner dringend benötige.
Und wenn beispielsweise ein Vietnamese in Deutschland studieren wolle, müsse die Ausländerbehörde gefragt werden, ob dem etwas entgegenstehe, erzählt ein BfAA-Mitarbeiter. Die Behörde kenne den Studenten aber gar nicht. Woher auch. Hier müsse das Verfahren entrümpelt und beschleunigt werden, heißt es im BfAA weiter. Im Zweifel setze man dabei auf politische Unterstützung aus Berlin.
Für Georg Birgelen ist der gemeinsame Besuch des Kanzlers und der Außenministerin ein Ritterschlag. Beide wirken sichtlich zufrieden, als sie knapp zwei Stunden nach Besuchsstart Brandenburg an der Havel wieder verlassen. Deutsche Außenpolitik wird nun auch in Brandenburg an der Havel gemacht.
2022 wurden am Standort Brandenburg rund 25.000 Visa-Anträge bearbeitet, bis 2024 sollen es 100.000 pro Jahr sein. Die Behörde wurde im Jahr 2021 neu gegründet, Ex-Außenminister Heiko Maas hatte den Standort Brandenburg ausgewählt. Mitte 2022 zählte sie 230 Mitarbeiter, verteilt auf sechs Etagen in der Kirchofstraße. Mehr als 1000 könnten es einmal werden.
Von Benno Rougk und André Großmann