Brandenburg an der Havel

Nach Kündigung erhebt Stadtwerke-Mitarbeiterin Vorwürfe gegen Oberbürgermeister

Probesitzen im künftigen Dienstzimmer nach dem Wahltag: Steffen Scheller (CDU) ist der neue Oberbürgermeister von Brandenburg an der Havel.

Probesitzen im künftigen Dienstzimmer nach dem Wahltag: Steffen Scheller (CDU) ist der neue Oberbürgermeister von Brandenburg an der Havel.

Brandenburg an der Havel. Der Vorwurf hat es in sich. Oberbürgermeister Steffen Scheller soll bei den Stadtwerken Brandenburg an der Havel Einfluss darauf genommen haben, dass eine junge Frau ihren Arbeitsplatz dort verliert. Er bestreitet, dafür verantwortlich zu sein, und sagt: „Ich bin keiner, der andere Leute verfolgt.“

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Alena F. (Name geändert) war seit September 2016 als Sachbearbeiterin im Geschäftsbereich des damaligen Bürgermeisters und heutigen Oberbürgermeister Steffen Scheller in der Stadtverwaltung beschäftigt.

Ende Januar 2018 kündigt die Stadt das Arbeitsverhältnis mit der 23 Jahre alten Mitarbeiterin wegen mutmaßlich fehlerhafter Dokumentation der Arbeitszeit. Die sei in mehreren Fällen wissentlich und vorsätzlich falsch gewesen, heißt es. Der Personalrat stimmt der Kündigung, soweit bekannt, zu.

Klage vor dem Arbeitsgericht

Die junge Frau wehrt sich mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht gegen die Kündigung und weist die Vorwürfe der Stadt fast vollständig zurück. Im September will das Gericht mit Hilfe von Zeugen klären, was wahr und was falsch ist. Im Verfahren wurde bereit ein Gesichtspunkt öffentlich angesprochen, der Steffen Scheller betrifft.

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Alena F. hat nämlich kurz nach ihrer Kündigung durch die Stadt eine neue Beschäftigung gefunden als Einkäuferin bei den Stadtwerken Brandenburg an der Havel (StWB).

Nach Darstellung der Rechtsamtsmitarbeiterin im Gerichtsprozess erschien der Oberbürgermeister, der zugleich Stadtwerke-Aufsichtsratschef ist, eines Tages zum Gespräch bei Stadtwerke-Geschäftsführer Uwe Müller. Bei dem Diensttermin soll dem Oberbürgermeister an einer Bürotür zufällig das neue Namensschild von Alena F. aufgefallen sein.

Oberbürgermeister fragt nach

Daher fragte Scheller den Stadtwerke-Chef nach dieser Mitarbeiterin. Müller soll ihm von sich aus erzählt haben, Alena F. habe im Auswahlverfahren angegeben, dass sie und die Stadtverwaltung das Arbeitsverhältnis im Einvernehmen mit Herrn Scheller aufgelöst hätten. Denn die Stadtverwaltung habe ihr keine passenden Entwicklungsmöglichkeiten bieten können.

Der Oberbürgermeister räumt gegenüber der MAZ ein, dass er dieser Darstellung widersprochen und den Geschäftsführer darauf hingewiesen habe, dass das Arbeitsverhältnis nicht einvernehmlich, sondern wegen der Dienstvergehen aufgelöst worden sei. Denn als Aufsichtsratsvorsitzender sei er den Stadtwerken verpflichtet.

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Auf die Entscheidung von Geschäftsführer Müller, Alena B. in ihrer Probezeit zu kündigen, habe der Oberbürgermeister keinen Einfluss genommen, betont die Vertreterin des städtischen Rechtsamtes vor Gericht.

Das sieht Alena F.’s Rechtsanwalt Simon Daniel Schmedes anders. Für ihn ist klar, dass seine Mandantin, die noch in der Probezeit war, ihre Arbeitsstelle bei den Stadtwerken durch „die Intervention von Herrn Scheller“ verloren hat. Der habe der jungen Frau somit zweimal ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage genommen.

Schmedes stützt sich in dieser Einschätzung auch auf den Widerspruch des StWB-Betriebsrates gegen die Kündigung von Alena F. Denn nach dessen Einschätzung erfolgte die Kündigung in der Probezeit grundlos und erweckt den Anschein von Willkür.

Was durfte oder musste Scheller – was nicht?

Wie ist das Verhalten von Steffen Scheller, der zugleich als Oberbürgermeister und als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke in Brandenburg/Havel Verantwortung trägt?

Rechtsanwalt Simon Daniel Schmedes erkennt in Schellers Verhalten einen Verstoß gegen den Arbeitnehmerdatenschutz, denn er habe Interna des Rechtsstreits und damit vertrauliche Daten zwischen der Stadt und Alena F. weitergegeben.

Grundsätzlich solle ein Beschäftigter durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten nicht in seinen Persönlichkeitsrechte beeinträchtigt werden. Personalakten ohne Wissen eines Beschäftigten anderen zugänglich zu machen verletzte aber das Persönlichkeitsrecht. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, die Grundsätze der Vertraulichkeit zu wahren

Steffen Scheller sah sich im konkreten Fall hingegen zur Sachaufklärung gezwungen. „Man kann nicht so schizophren sein und die beiden Aufgaben als Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender an der Stelle auseinanderhalten“, sagt er.

Wer in einem solchen Fall Recht hat ist nach Einschätzung von Kai von Lewinski nicht eindeutig. Denn sowohl datenschutzrechtlich als auch kapitalgesellschaftsrechtlich müssten Interessen abgewogen werden. Die Gesichtspunkte des Rechtsanwaltes seien durchaus relevant, sagt der auf Datenschutz spezialisierte Professor für Öffentliches Recht, Medien- und Informationsrecht an der Universität Passau.

Ob die Gesichtspunkte im konkreten Fall auch ausschlaggebend sind, das stehe auf einem anderen Blatt, meint der Juraprofessor. Beurteilen könne dies nur das Gericht in Kenntnis aller Tatsachen.

Von Jürgen Lauterbach

MAZ

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