Neonazi-Symbol nicht erkennbar: Freispruch
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/6QEARMG6LM6DQJX6MOEYVZUZ7M.jpg)
Wegen dieses Anblicks war der Brandenburger angeklagt.
© Quelle: privat
Nauen/Brandenburg/H. Das Amtsgericht Nauen hat am Donnerstag Kevin S. (Name geändert) aus Brandenburg/Havel von dem Vorwurf freigesprochen, er habe den an seinem Rücken tätowierten Schriftzug „Blood & Honour“ (übersetzt: Blut und Ehre) öffentlich gezeigt und dabei das Zeichen „&“ durch eine Triskele ersetzt, also dem Vereinssymbol der seit Juni 2001 verbotenen Vereinigung „Blood & Honour Division Deutschland“.
Die Vorgeschichte der Anklage durch die Staatsanwaltschaft Potsdam steckt voller Zufälle. Der 37 Jahre Angeklagte war am 29. Mai 2017 mit seiner schwangeren Verlobten zum Kinderwagenkauf ins Havelland gefahren.
BKA-Beamter erstattet Anzeige
Auf dem Rückweg macht das Paar halt bei McDonalds in Elstal. Kevin S. kauft Hamburger. Am benachbarten Stand holt sich Matthias W. (47) einen Kaffee. Dieser Imbissgast ist in Urlaub, lebt in der Nähe von Wiesbaden, ist Polizeibeamter des Bundeskriminalamtes (BKA) und kennt sich mit Neonazis aus. Er hat dazu Präventionsseminare geleitet und das Terrorismusabwehrzentrum des BKA mit aufgebaut.
Dem Polizeibeamten fällt das Rücken-Tattoo des Hamburger-Kunden neben ihm auf, der ein schwarzes Träger-Shirt trägt. Mehrere Buchstaben sind zu erkennen und er schlussfolgert, dass Kevin S. den Namen der verbotenen Neonazi-Organisation auf seinen Körper eingraviert hat. Der Beamte folgt dem 37-Jährigen auf den Parkplatz, notiert das Kennzeichen und erstattet Anzeige. Ein gutes halbes Jahr später zeigt die Staatsanwaltschaft Potsdam den Brandenburger wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen an.
Fremdsprachige Übersetzung symbolischer Formeln nicht strafbar
Dessen Strafverteidiger Simon Daniel Schmedes weist den Vorwurf der Anklage zurück. Denn keineswegs habe sein Mandant den Schriftzug der verbotenen Vereinigung öffentlich gezeigt. Zu sehen seien links nur die drei vorderen Buchstaben gewesen: B-l-o. Niemand könne wissen, ob die Tätowierung nicht vielleicht für „Blond und Honour“ stehe.
Schmedes räumt im Nauener Amtsgericht ein, dass die Phrase „Blood & Honour“ als Übersetzung der Hitlerjugend-Parole „Blut und Ehre“ verstanden werden könne. Doch der Verteidiger weist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) hin. Danach eine fremdsprachige Übersetzung symbolischer Formeln nicht strafbar sein kann.
Auch Staatsanwalt fordert Freispruch
Am Ende des Prozesses fordert nicht nur Schmedes einen Freispruch, sondern auch der Staatsanwalt. Für ihn ist entscheidend, dass der BKA-Beamte als Belastungszeuge nicht sicher sagen konnte, ob er auf dem Rücken des Angeklagten eine Triskele gesehen hat, ursprünglich ein dreiarmiges keltisches Symbol, das Neonazis oft als Ersatz für das verbotene Hakenkreuzsymbol verwenden – auch die erwähnte illegale Blood-&-Honour-Vereinigung.
Richter Martin Paßmann spricht Kevin S. frei. Maßgeblich für den Richter ist, dass der Zeuge den Schriftzug nie vollständig hat sehen können.
Von Jürgen Lauterbach
MAZ