Zentrumsring wird Tempo-70-Zone: Radwege sollen weg
Die Fotomontage simuliert, wie der Zentrumsring zwischen der Einmündung Wilhelmsdorfer Straße und dem Hauptbahnhof aussehen könnte, falls die bisherigen Vorstellungen der Straßenplaner umgesetzt würden.
© Quelle: Heike Schulze
Brandenburg/H. Die MAZ wagt einen Blick in die Zukunft. Auf den Zentrumsring, die Bundesstraße 1, die zwischen der Einmündung Wilhelmsdorfer Straße und der Bauhofstraße Otto-Sidow-Straße heißt. Sollten die bisherigen Vorstellungen der Straßenplaner umgesetzt werden, dann wären die Rad- und Fußwege an beiden Straßenseiten in zwei bis drei Jahren verschwunden.
Statt Tempo 60 würde eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 Stundenkilometern auf dem genannten Teilstück gelten. Mehr Sicherheit sollen Leitplanken bringen.
Die auf einem Streckenabschnitt von gut 800 Metern beschleunigte Bundesstraße ohne Rad- und Fußweg ist keine ferne Utopie, sondern die bisher mit der Brandenburger Stadtverwaltung abgestimmte konkrete Planung des Landesbetriebs Straßenwesen.
Darüber hatte Oberbürgermeister Steffen Scheller (CDU) am Rande auch schon die Stadtverordneten informiert. Inzwischen arbeitet die Landesbehörde allerdings parallel an Alternativen. Insofern ist noch nichts entschieden.
Dritter Bauabschnitt Zentrumsring
Der Zentrumsring wird in mehreren Abschnitten umgebaut. Die Regie hat der Landesbetrieb Straßenwesen, der die Arbeiten plant, ausschreibt, beauftragt, im Bau begleitet und anschließend abrechnet. Die Stadt ist in die Planungsprozesse integriert, berichtet Peter Reck, der im Rathaus die Fachgruppe Straßen und Brücken leitet. Nach seinen Worten gibt es für jeden Bauabschnitt eine Vereinbarung zwischen dem Landesbetrieb und der Stadt. Der erste Bauabschnitt ist vollendet, er umfasste die Rathenower Landstraße von Ortseingang bis Gördenbrücke. Der zweite Bauabschnitt reicht von der Gördenbrücke bis zur Überführung am Altstadt Bahnhof und soll ab Herbst 2019 beginnen. Der dritte Bauabschnitt reicht von der Havelbrücke bis zur Einmündung Bauhofstraße. Bevor die Variantenuntersuchung durch den Landesbetrieb nicht vorliegt und innerhalb der Fachgruppen der Stadtverwaltung beraten wurde, wird es auch keine verbindliche Aussage der Stadt zum Projekt geben, teilt Peter Reck mit.
Hintergrund der Planungen ist der Umbau des Zentrumsrings in mehreren Abschnitten (s. Infobox). Der vorgesehene dritte Bauabschnitt betrifft die Strecke auf der Otto-Sidow-Straße von der Havelbrücke bis zur Einmündung Bauhofstraße. Dazu gibt es nach den Angaben von Fachgruppenleiter Peter Reck eine Vorplanung. Frühester Baubeginn wäre Ende 2021.
Als der SPD-Stadtverordnete Daniel Keip nach diesem Vorhaben fragte, bestätigte Oberbürgermeister Scheller die Planung. „Zum Erreichen der verkehrlichen Wirkung für die Anbindung der Regionen über die B1/B102 bis zur Autobahn ist es notwendig, dort Tempo 70 anzuweisen“, begründete Scheller das Umbauvorhaben.
Das wiederum würde laut Oberbürgermeister den Straßenquerschnitt verändern. Leitplanken auf dem Mittelstreifen würden bedeuten, dass alle Platanen entlang der Straße gefällt werden müssten. Scheller: „Damit hat die Verwaltung ein Problem“.
Leitplanken auf Kosten des Radwegs
Um also die Platanenallee zu erhalten, sieht die einzige bisher bekannte Variante vor, dass die Radwege zwischen der Wilhelmsdorfer Straße und der Bauhofstraße entfallen, um gleichzeitig „passive Rückhaltesysteme“ (Leitplanken) installieren zu können. Verkürzt gesagt heißt das: Leitplanken statt Radweg.
Die bisher ins Auge gefasste Lösung sieht vor, dass Radfahrern zugunsten eines schnelleren Kraftverkehrs einige Umstände bereitet werden sollen.
Wenn der Radweg auf dem Zentrumsring wegfallen sollte. Die Alternative könnte durch die Liniensraße, hausmannstraße und Werderstraße führen. Also ein Umweg für Radfahrer.
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Wer aus Richtung Hohenstücken, Görden, Eigene Scholle, Wilhelmsdorf und Göttin kommt, müsste die Bundesstraße ein erstes Mal überqueren und durch die die Linienstraße, die Hausmannstraße und die Werderstraße, die bisher nicht auf Radverkehr ausgelegt sind, zum Hauptbahnhof fahren.
Wer als Radler den Hauptbahnhof erreichen möchte, müsste die vierspurige Bundesstraße ein zweites Mal überqueren.
Fußgänger sollen die Otto-Gartz-Straße benutzen. Laut Scheller könnte auf Kosten des Landesbetriebes Straßenwesen eine leistungsfähige Verbindung am Obdachlosenheim und am Jacobsgraben entlang zum Knotenpunkt Bauhofstraße geführt werden.
Beratung mit ADFC und VCD
Das letzte Wort ist allerdings noch nicht gesprochen. Peter Reck: „Mit dem Landesbetrieb ist verabredet, dass er der Stadt verschiedene Varianten vorlegt und diese dann gemeinsam abgewogen und einer Entscheidung zugeführt werden.“
An einer Beratung beim Landesbetrieb im März 2019 haben Reck zufolge Vertreter des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) und des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) stattgefunden.
Das bestätigt Christoph Kirch von der ADFC-Ortsgruppe Brandenburg, der bekannteste Fahrradfahrer-Fürsprecher in der Stadt. Weil er die neuen Variantenvorschläge zunächst abwarten möchte, hält er sich mit öffentlichen Äußerungen erst einmal zurück.
Startphase der Planung
Bekannt ist aber, dass der Interessenvertreter der Radfahrer es kritisch sieht, wenn der bisher durchgängige Radweg zwischen Gördenbrücke und Hauptbahnhof zugunsten eines schnelleren Kraftverkehrs unterbrochen wird.
Der Zeitgewinn für Autofahrer würde nach dem geschilderten Umbau bei Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung übrigens maximal etwa 17 Sekunden betragen.
Der sonst zumeist auskunftsbereite Landesbetrieb Straßenwesen äußert sich derzeit nicht zu seinen Zentrumsring-Plänen. „Wir sind noch in der Startphase der Planung“, begründet Frank Schmidt die Zurückhaltung.
Von Jürgen Lauterbach
MAZ