Kampf gegen bevorstehenden Abriss: Experten fordern Moratorium für denkmalgeschütztes Generalshotel in Schönefeld
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Das unter Denkmalschutz stehende Generalshotel am Berliner Flughafen Schönefeld soll abgerissen werden. Bis vor Kurzem tagte noch die Bundespolizei im ehemaligen DDR-Hotel.
© Quelle: Julius Frick
Schönefeld. Noch wenige Tage, dann soll der Abriss des nach wie vor denkmalgeschützten und komplett intakten Generalshotels auf dem Gelände des Flughafens in Schönefeld beginnen, um damit Platz zu schaffen für die Regierungsstaffel, die dieses Areal künftig nutzen soll. Bundesweit sind Denkmalschützer und Fachleute entsetzt über diese Abrisspläne, am Dienstagabend gab es nochmal eine kurzfristig durch die Initiative „Generalshotel retten!“ anberaumte Podiumsdiskussion im DDR-Museum in Berlin-Mitte.
Mittlerweile haben mehr als 1000 Leute – darunter Experten, Fachleute und Vertreter wichtiger Verbände und auch Politiker fast aller Parteien – außerdem einen offenen Brief unterzeichnet. Große Verbände wie das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS – International Council on Monuments and Sites, eine Beraterorganisation der Unesco gemäß der Welterbekonventionen –, die Architektenkammern Brandenburgs und Berlins, der deutsche Verband für Kunstgeschichte oder die Deutsche Stiftung Denkmalschutz sind ihrerseits selbst an die Öffentlichkeit getreten und kämpfen für den Erhalt.
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Am Dienstagabend nun sprachen die anwesenden Experten von einem „Behörden-Pingpong“: „Wir haben kein richtiges Gegenüber“, so Ayhan Ayrilmaz, Vorstandsmitglied ICOMOS Deutschland und Vizepräsident der Architektenkammer Berlin und im Berufsleben Architektur-Chef der Schlösserstiftung. Auch bei der Podiumsdiskussion ließ sich trotz breit gestreuter Einladung niemand von einem der zuständigen Bundesministerien oder Behörden blicken.
Seit Monaten versuchen die Fachleute ebenso wie Landes- und Bundespolitiker, klare Antworten oder zumindest Gesprächsbereitschaft signalisiert zu bekommen. „Reaktion war nur, dass Verantwortlichkeiten hin- und hergeschoben wurden“, sagt Ayrilmaz. „Fragwürdig ist, dass noch nicht einmal eine Debatte stattfindet.“ Der Abriss sei ein „historischer Fehler“, betont er. Erst ab 2034 soll das Areal, ursprünglich angedacht für das Regierungsterminal, nun für die Regierungsstaffel, in Nutzung gehen.
Abrissplan für Generalshotel in Schönefeld ist von 2011
Der Abrissplan für das 1948/49 entstandene Gebäude ist von 2011. Seitdem hat sich die Situation des Flughafens entscheidend geändert; einige Flächen, die damals für den Flughafen vorgehalten wurden, werden gar nicht genutzt, die Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH benötige diese auch nicht mehr, legte der online zur Diskussion zugeschaltete Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa schlüssig dar.
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Podiumsdiskussion zum geplanten Abriss des Generalshotels: Moderator Stefan Wolle vom gastgebenden DDR-Museum, TU-Professorin Stephanie Herold, Grünen-Landtagsabgeordnete Sarha Damus, Landeskonservator Thomas Drachenberg und ICOMOS-Vorstandsmitglied Ayhan Ayrilmaz (v.l.).
© Quelle: Karen Grunow
Aus seiner Sicht sei eine Neuplanung nicht nur wegen des Generalshotels sehr sinnvoll. Damals, verweist er auf das Planfeststellungsverfahren von 2011, sei eine nicht so saubere Trennung zwischen ziviler und militärischer Nutzung mit Bauchschmerzen geplant worden, weil es nicht anders ging.
Heute aber sehe die Situation anders aus, es ließe sich viel klarer eine gute Trennung bewerkstelligen. Er denkt dabei auch an Abschirmung zum Ort und Lärmentwicklung. Sein Fazit: „Das ist die Sturheit einer Behörde, die offensichtlich nicht in der Lage ist, den funktionalen Vorteil einer Neuplanung zu erkennen.“
Der nach wie vor bestehende Denkmalschutz wird durch Abriss des Generalshotels ausgehebelt
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Das unter Denkmal stehende Generalshotel am Berliner Flughafen Schönefeld soll abgerissen werden. Bis vor einem Monat tagte die Bundespolizei im ehemaligen DDR- Hotel.
© Quelle: Julius Frick
Mit dem ab 14. September geplanten Abriss des Generalshotels wird die Entscheidung der obersten Denkmalbehörde des Landes ausgehebelt. Seit 1995 steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Allein dieser Aspekt ist skandalös – dass die Kompetenzen des Denkmalschutzes trotz der geänderten Nutzungspläne, die eine neue Planung sinnvoll machen würden, komplett übergangen werden. Dass ein mittlerweile zwölf Jahre altes Vorhaben durchgeboxt werden soll, ohne zu hinterfragen, ob das heute noch sinnvoll und der Abriss eines funktionsfähigen Gebäudes zeitgemäß ist.
Brandenburgs Landeskonservator Thomas Drachenberg erinnerte daran, dass schon die Unterschutzstellung Mitte der 1990er ein Akt war; die oberste Denkmalbehörde musste damals den zuständigen Landrat anweisen, es unter Schutz zu stellen.
„Der Bund hatte immer Schwierigkeiten mit dem Bau“, so Drachenberg. 2000 zog der Bund vor das Verwaltungsgericht Cottbus, zog dann aber doch noch die Klage zurück. Beim Planfeststellungsverfahren hatte das Denkmalamt damals Veto eingelegt, bei den Abwägungen der Einwände der Träger öffentlicher Belange wurde dann aber zugunsten des Flugverkehrs entschieden – seitdem, so Drachenberg, sei das Landesdenkmalamt bürokratisch gesehen raus. „Denkmalfachlich anständig wäre es, ein Moratorium einzuführen“, betonte Drachenberg. Die Hoffnung ist, einen Aufschub zu erreichen.
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Innenansichten Generalshotel Flughafen Schönefeld, BER. Gebäude soll abgerissen werden.
© Quelle: Stefan Bartusch
„Ich kenne kein anderes Gebäude, dass in dieser Zeit so repräsentativ gebaut wurde“, sagte Stephanie Herold, Professorin für städtebauliche Denkmalpflege und urbanes Kulturerbe an der Technischen Universität Berlin, in Bezug auf Deutschland direkt nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch sie kritisierte in Richtung Bundesregierung scharf, dass es noch nicht einmal möglich gewesen sei, „in einen Gesprächsprozess zu gelangen“.
Und Sahra Damus, kulturpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Brandenburger Landtag, erzählte, dass ihre Fraktion anderthalb Jahre lang hartnäckig sein musste, um überhaupt endlich in das Gebäude hineingelangen zu können. Sie verwies auch noch einmal auf die besondere Ausstattung mit Kunstwerken unter anderem von Fritz Kühn, dessen Nachlassverwalterin Helgard Kühn im Publikum saß und auf Urheberrechtsbelange hinwies.
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Von besonderem Interesse beim Blick von der Besucherterrasse des BER-Terminals 5, der am 2. September mit einem Fest der Gemeinde Schönefeld „verabschiedet“ worden war, war das Generalshotel.
© Quelle: Jutta Abromeit
Aus dem Publikum meldete sich unter anderem Pilot Ulrich Unger, Vorstandsmitglied der Gesellschaft zur Bewahrung deutscher Luftstätten. „Zu Interflug-Zeiten habe ich immer eine innere Verbeugung gemacht, wenn ich ins Gebäude gekommen bin.“
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Von der Gemeindevertretung Schönefelds ergriff Renate Detsch (Freie Wähler) kurz das Wort; sendete noch einmal Hilferufe aus, dass das Gebäude erhalten bleiben soll. Auch Reinhold Dellmann, früherer SPD-Minister für Infrastruktur und Raumordnung in Brandenburg, erinnerte sich an das damalige langwierige Planfeststellungsverfahren und befand Faulenbach da Costas aktuelle Ausführungen für denkbar. „Das Moratorium können wir uns zeitlich leisten“, hob Sahra Damus noch einmal klar hervor.
MAZ