Zur Geschichte des Kaiserbahnhofs
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/EVVDREZFV3VE77GJOF7IT6BVSQ.jpg)
Der Rathenower Kaiserbahnhof.
© Quelle: Foto: Markus Kniebeler
Rathenow. Wenn vom Rathenower Kaiserbahnhof die Rede ist, dann wird in vielen einschlägigen Publikationen darauf verwiesen, dass der Bahnhof aus Anlass des Besuchs des britischen Königs Edward VII. im Jahr 1909 errichtet wurde. Auch die MAZ hat diese Erklärung im Bericht über den Umbau des Bahnhofs zu einem Café übernommen.
Wolfram Bleis, Kenner der Rathenower Stadtgeschichte, hat nun darauf hingewiesen, dass diese Erklärung eine Mär ist. Der Kaiserbahnhof sei erst im Jahr 1913 errichtet worden, sagt Bleis. Und Anlass sei nicht der britische König, sondern ein preußisches Prinzenpaar gewesen.
Offizier bei den Zietenhusaren
Ernst August III. von Hannover, verheiratet mit Victoria Luise, Tochter von Kaiser Wilhelm II, war Offizier bei den Rathenower Zietenhusaren. Während seiner Stationierung war das Prinzenpaar in einer Villa in der damaligen Derfflingerstraße (heute: Friedrich-Engels-Straße) untergebracht. Das herrschaftliche Gebäude war fortan bis zu seiner späteren Zerstörung als Prinzenvilla bekannt.
Weil der Prinz nebst Gemahlin mit dem Zug anzureisen pflegte (aus Hannover oder Berlin), musste ein standesgemäßer Bahnhof her. Wie Bleis berichtet, hatte Kaiserin Auguste Viktoria die Situation in Rathenow persönlich inspiziert und darauf gedrängt, dass man einen Bahnhof baue, welcher der Stellung des Adelspaares gerecht werde.
Bahnhof im norwegischen Stil
Mit dem Bau des Bahnhofs beauftragt wurde der Architekt und damalige Rathenower Stadtbaurat Johann Friedrich Sprotte. Und weil der wusste, dass Kaiser Wilhelm ein Freund der skandinavischen Architektur war, entwarf Sprotte einen Bahnhof im norwegischen Stil, der in vielen Details an die Ende des 19. Jahrhunderts in Potsdam erbaute Matrosenstation Kongsnaes erinnert.
Nach der Hochzeit im Mai 1913 wurde dem Prinzenpaar im neuen Bahnhof ein würdiger Empfang bereitet. Doch schon wenige Monate später war die Rathenower Episode des Prinzenpaares beendet.
Was nicht heißt, dass den Bahnhof nie ein britischer König zu Gesicht bekam. Belegt ist, dass 1914 der Nachfolger Edwards auf dem britischen Thron, Georg V., Station in Rathenow gemacht hat. Da dürfte der gerade eingeweihte Kaiserbahnhof die geeignete Kulisse für den Empfang des Monarchen gewesen sein. Kurzum: Ganz schön viel Geschichte für einen kleinen Bahnhof.
Von Markus Kniebeler