Rund 300 Pfarrerromane im Regal
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Hans-Volker Sadlack
© Quelle: Jens Wegener
Elstal. „Heiteres und Komisches aus einem Siebenbürger Pfarrhaus“ erzählt Autor Adolf Fugel in dem genannten Buch. Es ist ein Beispiel der literarischen Gattung „Pfarrerromane“, von denen der Elstaler Hans-Volker Sadlack etwa 300 in seinem riesigen Regal im Wohnzimmer stehen hat.
Hamburger im Havelland
Pfarrerromane zu sammeln – darauf kommen nicht viele. Das bestätigt der 61-Jährige, der bisher niemanden Gleichgesinnten kennt, allerdings auch noch nicht ernsthaft gesucht hat, wie er sagt. „Ich bin irgendwann 1977/78 auf diese Bücher gestoßen und bin kleben geblieben, weil mich nicht nur die Geschichte der Kirche im Allgemeinen, sondern die der Menschen dahinter interessiert. Und das in dichterischer Freiheit erzählt“, so Sadlack, der vor 20 Jahren aus Hamburg nach Elstal kam. Er ist Lehrer von Beruf, hat Germanistik und Theologie auf Lehramt studiert und später als Archivar gearbeitet. Zuletzt war er bis 2006 bei den Baptisten in Elstal beschäftigt. Inzwischen ist Hans-Volker Sadlack Rentner.
Namhafte Autoren
Nachdem er die ersten Pfarrerromane verschlungen hatte, erkundete er natürlich die Hintergründe. „Die Gattung geht zurück auf die Schwankliteratur des Mittelalters. ’Der Pfaffe Amis’ Mitte des 13. Jahrhunderts und ’Der Pfarrer vom Kalenberg’ um 1470 präsentieren in gereimter Form Typen, ähnlich wie Till Eulenspiegel“, weiß Sadlack. Auch namhafte Autoren hätten seitdem zu dieser Gattung beigetragen. Er zählt auf: „Conrad Ferdinand Meyer mit ’Der Schuss von der Kanzel’, Wilhelm Raabe mit ’Der Hungerpastor’, Heinz G. Konsalik mit ’Ein Kreuz in Sibirien’ oder André Gide mit ’Pastoral-Symphonie’.“
Im Laufe von 30 Jahren ist seine Sammlung gewachsen, wobei er viele dieser Bücher aus der Ramschkiste in Buchhandlungen für eine oder zwei D-Mark oder ein bis zwei Euro gekauft hat. Aber ihn interessiert längst nicht jeder Pfarrerroman. Es gab Aufnahmebedingungen für seine Sammlung: „Erstens muss es sich um Fiktion, also Dichtung, handeln. Zweitens müssen diese Pfarrer die zentrale Figur des Romans sein. Und drittens darf es ausschließlich um Gemeindepfarrer gehen“, sagt Sadlack.
Die DDR und die Pfarrerromane
Auch in der DDR wurden Pfarrerromane geschrieben. Sadlack erzählt von dem Buch „Die Situation“ von Gottfried Hänisch. Darin geht es um die Ehefrau des evangelischen Pfarrers Neumann, die selbst Katechetin ist und von einer Reise in die BRD nicht zurückkehrt. Sie drängt ihren Mann auch zur „Flucht“, doch der bleibt, weil er sich dem kirchlichen Auftrag weiter verpflichtet fühlt. „Dieser Roman konnte kurz nach der Wende ohne Zensur erscheinen – als eine Würdigung derer, die bei aller Widersprüchlichkeit im Land geblieben sind“, sagt der Sammler.
Natürlich gebe es auch erbauliche Pfarrer-Romane – romantische Verklärungen der Realität, mehr Propaganda als Problembewusstsein. Daneben Werke, die den dichterischen Freiraum nutzen, um die Herausforderungen des Pfarrerdaseins in allen Variationen durchzuspielen.
Einblicke in Hintergründe
Hans-Volker Sadlack hat so ziemlich alle seiner rund 300 Pfarrer-Romane gelesen. Er fasst seinen persönlichen Ertrag so zusammen: „Ich habe viele mir bislang unbekannte Schriftsteller und Werke kennengelernt, Einblicke in die literarisch verdichteten Gegebenheiten des Pfarrerberufs mit seinen gesellschaftlichen, religiösen und menschlichen Gründen, Hintergründen und Abgründen erhalten. Und ich habe Respekt bekommen für diejenigen, die ihren Platz als Gemeindepfarrer einigermaßen überzeugend ausfüllen.“
Von Jens Wegener