Schüler löchern Kommunalpolitiker
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Die Punkte werden verteilt – jeder Teilnehmer hatte einen grünen und einen roten Klebepunkt zur Verfügung.
© Quelle: Helge Treichel
Hohen Neuendorf. Leo (17) wollte es ganz genau wissen: Immer wieder hakte er nach, als Horst Tschaut begründete, warum er sich als parteiloser Kandidat für die Stadtverordnetenversammlung auf die Liste der AfD setzen ließ und was er damit wie bewirken möchte. Wirklich schlüssig schien ihm das nicht gelungen zu sein. Nach der abschließenden Auswertung des „Speeddatings“ am Dienstag im Hohen Neuendorfer Ratssaal klebten in seiner Spalte besonders viele rote Punkte.
Mit grünen (guten) oder roten (schlechten) Punkten bewerteten die Jugendlichen aus der elften Klassenstufe, ob die Kandidaten gut zugehört oder konkrete Antworten auf die Fragen gegeben haben. Ob sie ein klares Bild ihrer Positionen sowie einen besseren Zugang zur Lokalpolitik vermittelt haben. Ob sie auf Augenhöhe kommuniziert und zum Urnengang motiviert haben.
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Horst Tschaut: Großer Andrang in der Chaos-Runde.
© Quelle: Helge Treichel
Wenig oder kein Rot hatten vor allem die CDU- und FDP-Kandidaten sowie die Vertreter von Linken, Bündnisgrünen und Stadtverein. Deutlich durchmischter war das Ergebnis bei SPD und Tierschutzpartei. Bei der finalen und spontan ausgerufenen Chaos-Runde waren die meisten Schüler zu Kerstin Hamann von der Tierschutzpartei und Horst Tschaut geströmt. Bei ihnen gab es offenbar am meisten Klärungsbedarf.
In den jeweiligen Gesprächsrunden mit einem Kandidaten und drei bis sechs Jugendlichen ging es um drei Themenschwerpunkte: öffentlicher Personennahverkehr, bezahlbarer Wohnraum sowie Freizeitangebote für Jugendliche.
„Ich auch“, sagt Inka Gossmann-Reetz (SPD), als jemand sagt, dass er sich einen Zehn-Minuten-S-Bahn-Takt wünscht. Als Politikerin verstehe sie sich als Klassensprecherin, sagt sie. Bei Justin Fontaine (SPD) geht es in erster Linie um den Wohnungsmangel in der Stadt. Seine Antwort: subventionierter Wohnungsbau.
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Nicole Florczak erläutert ihre grünen Positionen.
© Quelle: Helge Treichel
Über Bildung und Inklusion sprach Maximilian König (FDP) mit den Jugendlichen – nur wenig jünger als er selbst. Verständnisvoll zeigten er und sein ebenso junger FDP-Kollege Lukas Preuss sich bei dem Wunsch nach einem öffentlichen Treffpunkt. Ihr Vorschlag: Die Jugendlichen erhalten eine Fläche mit Bänken und Mülleimern.
Dass in der Stadt eine Party-Location für junge Leute fehlt, stellte Florian Hübner (CDU) fest. Gemeinsam mit seinem Parteikollegen Cristian Wolff erläuterte er auch das jüngst beschlossene Vorhaben zum Gründen einer rein städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Gemeinsam mit dem Landkreis wäre das Kostenrisiko zu hoch gewesen, Wolff überzeugt.
Dass beim Klimaschutz auch auf kommunaler Ebene Weichen gestellt werden müssen, sagte Oliver Jirka (B 90/Grüne). Ein Ansatz sei ein Tempolimit von 30 km/h – ein anderer der Umstieg vom Auto aufs Fahrrad. Um Wohnen und die Aufenthaltsqualität in der Stadt ging es bei Nicole Florczak (B 90/Grüne). Und sie nahm den Wunsch nach einer Badestelle auf.
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Bei Lukas Preuss (r.) war kaum erkennbar, wer Schüler und wer Kandidat ist.
© Quelle: Helge Treichel
Seinen Weg von einer Protestbewegung von Bürgern zum Kommunalpolitiker in der Stadtverordnetenversammlung beschrieb Hans-Joachim Guretzki vom Stadtverein. Sein Credo: „Wenn wir etwas ändern wollen, müssen wir uns zur Wahl stellen.“ Ein wichtiges Thema für ihn: Beim Land Druck zu machen für einen Zehn-Minuten-Takt der S-Bahn.
Dieser Takt ließe sich bereits erreichen, wenn die Linien S1 und S8 aufeinander abgestimmt und die S8 bis nach Oranienburg verlängert würden, erläuterte Horst Tschaut (parteilos für die AfD). Der Verkehrsbereich liege ihm besonders am Herzen. Außerdem hielt er nicht hinter den Berg damit, dass die Kommunalpolitik nicht darüber verfüge, wie gut oder schlecht soziale Berufe bezahlt werden.
Die jetzige Gesellschaft halte sich für zivilisiert, halte jedoch Kühe, Schweine und Hühner in Form einer unethischen Massentierhaltung, zeigte Kerstin Hamann (Tierschutzpartei) einen aus ihrer Sicht zentralen Widerspruch auf. Was man tun könne? „Weniger Fleisch essen“, so ihre Antwort. Außerdem müsse die Landwirtschaft umstrukturiert werden. Immerhin sei das Bewusstsein für das Problem in den vergangenen Jahren gewachsen.
Auch Lukas Lüdtke (Die Linke) erklärte das aktuelle Wohnungsbauvorhaben der Stadt mit Kaltmieten zwischen fünf und sieben Euro je Quadratmeter. Bei Parteikollegin Anne Wieczorek ging es ebenso um günstige Wohnungen – und den ÖPNV. Dass die Einwohner bereits im Alter ab 16 Jahren an der Kommunalwahl teilnehmen können, begrüßte Lüdtke. Ihm sei dieses Recht noch nicht vergönnt gewesen.
Lukas Lüdtke und weitere Kandidaten zogen ein sehr positives Fazit vom Speeddating, das von der Stadtverwaltung organisiert worden war. Als „erfrischend“ bezeichnete Horst Tschaut, Jahrgang 1949, den Austausch mit den jungen Leuten. Die seien gut vorbereitet gewesen, hätten gute Fragen gestellt. Lüdtke: „Das kann im wahrsten Sinne des Wortes Schule machen.“
Von Helge Treichel
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