Notizen werfen neues Licht auf Fontanes Wanderungen
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Robert Rauh und Dr. Gabriele Radecke nach ihrem Vortrag in Liebenberg.
© Quelle: Stefan Blumberg
Liebenberg. Auf Schloss & Gut Liebenberg wurde am Sonnabend die Sonderausstellung anlässlich des Fontanejahres eröffnet. Anlässlich seines 200. Geburtstages wird Fontanes Beziehung zu Liebenberg von der DKB-Stiftung für gesellschaftliches Engagement mit dieser Ausstellung gewürdigt. Dr. Gabriele Radecke und Robert Rauh – beides ausgewiesene Fontane-Experten – näherten sich dem Thema in Liebenberg auf ihre eigene Weise, mit einem speziellen Vortragsformat. "Wir probieren das gerade aus", sagt Robert Rauh, der als Autor seit einiger Zeit auf Fontanes Spuren wandelt. "Zum einen macht Gabriele Radecke mit ihrer digitalen Edition von Fontanes Notizbüchern öffentlich, was der berühmte Wanderer recherchiert und festgehalten hat. Und zum anderen zeige ich mit meiner Spurensuche vor Ort, was heute noch zu finden ist. Beides wollen wir miteinander verbinden", sagt Robert Rauh.
Seiten wurden doppelt beschrieben
Die Notizbuch-Edition entsteht an der Universität Göttingen und ist erst seit einigen Monaten online. Auch Liebenberg ist dort vertreten, allerdings nur in einem kleinen Teil (acht Seiten). Fontane nutzte 10x17 Zentimeter große Hefte und beschrieb viele Seiten doppelt – einmal mit einem schwach zeichnenden und darüber mit einem kräftig zeichnenden Stift. Mit digitaler Hilfe wurde die Aufzeichnungen lesbar gemacht. 67 Notizbücher gibt es, 20 sind bereits transkribiert und sind online öffentlich einsehbar. Bis Ende 2019 folgt der Rest.
Unbekannte Sommerreise von 1864 entdeckt
Die Notizbücher fördern einiges Neues und auch Überraschendes zutage. Es geht daraus hervor, dass Theodor Fontane nicht gewandert, sondern gefahren ist. Es wurde eine Sommerreise von 1864 entdeckt, die vorher nicht bekannt war. Und es tauchten 600 Skizzen auf; allerdings keine von Liebenberg, dafür aber unter anderem vom Meseberger Schloss.
„Man muss die Wanderungen differenzierter betrachten“
„Die Veröffentlichungen der Notizbücher spielen eine zentrale Rolle für das Fontanejahr. Das ging nur, weil wir die Forschungsergebnisse schon vorab digital zur Verfügung gestellt haben“, sagt Gabriele Radecke. „Es gibt sechs Ausstellungen, unter anderem auch die Leitausstellung in Neuruppin, in die die Ergebnisse einflossen.“ Aufgrund der Notizen, die sich wesentlich auf seine „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ beziehen, werde klar, dass sich Fontane eigentlich (auch) auf anderen Routen durch Brandenburg bewegte. Seine Texte sind keineswegs alle biografisch. Er beschreibt das Kirchengeläut in einem Dorf, das nachweislich keine Kirche hatte. „Da fand offensichtlich beim Schreiben eine Poetisierung statt“, so Gabriele Radecke. Zudem habe er seine Texte von Auflage zu Auflage verändert. Einige Orte fielen den Überarbeitungen beispielsweise zum Opfer. „Man muss die ‚Wanderungen‘ nun differenzierter bewerten. Aber es ist in jedem Fall ein Kunstwerk“, so Gabriele Radecke.
Gabriele Radecke und Robert Rauh über ihr neues Vortragsformat.
Gabriele Radecke und Robert Rauh über ihr neues Vortragsformat.
Vortragsformat in der Experimentierphase
Das Vortragsformat ist nach wie vor in der Experimentierphase. "Wir haben einige positive Reaktionen erhalten", gibt Gabriele Radecke das Echo darauf wieder. In Liebenberg war es vor etwa 90 Zuhörern der dritte Vortrag. Der aufgedeckte historische Schreibprozess von Fontane und die heutige Recherche vor Ort von Robert Rauh bringen völlig neue Erkenntnisse, die Gabriele Radecke und Robert Rauh für sich reklamieren können.
Von Stefan Blumberg