Von der Suche nach dem Superhelden
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Der 17-jährige Karl Kapahnke ist nach einer erfolgreichen Stammzellspende auf dem Weg der Genesung.
© Quelle: Privat
Hohen Neuendorf. Karl Kapahnke ans Telefon zu bekommen, ist gar nicht so einfach. Der 17-jährige Gymnasiast und Gesamtschülersprecher des Marie-Curie-Gymnasiums in Hohen Neuendorf ist ständig auf Achse. Wenn der Elftklässler nicht grad an der Schule büffelt, ist er in der Technik AG, im Chor, bei der Schülerzeitung, beim Kreativen Schreibkurs oder im Theaterclub aktiv, treibt viel Sport und füllt auch alle verbleibenden freien Minuten seines Tages bis zum Letzten aus. „Ich engagiere mich gern. Und viel. Einfach, weil es so schön ist, wieder zurück zu sein“, sagt der 17-Jährige.
Viel nachzuholen
Kein Wunder, denn er hat einiges nachzuholen. Rund ein Jahr verbrachte der Abiturient in der Helios-Klinik in Berlin-Buch, um gegen seine Leukämieerkrankung zu kämpfen. Zum zweiten Mal. Denn bereits mit sechs Jahren erkrankte er an Blutkrebs und konnte geheilt werden. 2016 kehrte der Krebs zurück. „Irgendwann hatte ich unerklärliche Rückenschmerzen, fühlte mich ständig schlapp.“ Untersuchungen beim Arzt brachten im April die Gewissheit: „Es ist wieder Leukämie.“ Für den damals 16-Jährigen brach eine Welt zusammen: „Ich wollte es zuerst nicht wahrhaben, dachte: Das kann nicht sein. Warum ich?“
Großes Glück bei der Suche nach Stammzellspender
Der Behandlung mit Chemotherapie ("Die habe ich nicht so gut vertragen.") folgte die Suche nach einer Stammzellspende. Glück im Unglück: Recht schnell wurden über die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) für den 16-Jährigen sogar drei potenzielle Spender gefunden. So viel Glück hat nicht jeder Erkrankte – allein in Deutschland erhält alle 15 Minuten ein Mensch die Diagnose Blutkrebs.
„Jeder Mensch hat so viele davon, die braucht man gar nicht alle“
Mit Karl Kapahnke hat die DKMS einen engagierten Fürsprecher gefunden. Seine Stammzelltransplantation am 16. Dezember 2016 verlief erfolgreich, inzwischen ist der Abiturient wieder im normalen Alltag angekommen und weiß, wie wichtig jeder einzelne registrierte Spender ist. Knapp acht Millionen sind aktuell weltweit bei der DKMS angemeldet. „Es ist so unglaublich einfach, über eine Stammzellspende Leben zu retten“, berichtet der 17-Jährige. „Jeder Mensch hat so viele davon, die braucht man gar nicht alle. Die eigentliche Spende ist nichts, wovor man Angst haben muss.“
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Der 17-jährige Karl Kapahnke aus Schildow.
© Quelle: Privat
Leben geteilt, neue Zukunft geschenkt
An den Moment, als die Zellen seines Spenders – dass es sich um einen Mann aus Deutschland handelt, hat Karl Kapahnke erfahren – in sein Blut flossen, kann sich der 17-Jährige noch genau erinnern. „Ein sehr emotionaler Moment. Ich habe daran gedacht, dass gerade jemand sein Leben mit mir geteilt und mir eine neue Zukunft geschenkt hat“, blickt er auf den 16. Dezember 2016 zurück. Für ihn seitdem sein zweiter Geburtstag. Die Stammzellen des Spenders siedelten sich in seinem Knochenmark an und begannen, sich zu vermehren. Nachdem er schließlich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, musste er zunächst wöchentlich, inzwischen nur noch alle drei Monate („Weil es so gut läuft.“) zur Kontrolle in die Klinik.
Kleine Dinge schätzen, die im Alltag oft untergehen
„Das schwerste in der ganzen Zeit war die Isolation im Krankenhaus. Du wirst plötzlich aus deinem Leben gerissen, auf einmal ist dein Alltag völlig anders.“ Über viele Wochen hinweg durfte der damals 16-Jährige aufgrund von Ansteckungsgefahr sein Krankenzimmer nicht verlassen, Besucher nur über eine Schleuse und in Schutzkleidung empfangen. Denn um den Erfolg der Stammzellspende zu erhöhen, wird das Immunsystem des Körpers völlig runtergefahren. „Ich habe mich in dieser Zeit enorm weiterentwickelt, bin gewachsen. Freundschaften sind gewachsen“, blickt Karl Kapahnke zurück. Auf eine schwere, aber auch lehrreiche Zeit. In der bei ihm der Wunsch reifte, später selbst als Arzt Leben zu retten.
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Karl Kapahnke: “Endlich wieder frische Luft atmen“.
© Quelle: Privat
Eine Zeit, in der er gelernt hat, vor allem die kleinen Dinge zu schätzen, „die sonst im Alltag untergehen“. Als er nach erfolgreicher Transplantation das erste Mal wieder „frische Luft atmen durfte, war das herrlich“. Zur Schule gehen zu können, „Finde ich super.“ Auch Sport kann er endlich wieder treiben. Neben der Leidenschaft für das Segeln stehen Fahrradfahren, Joggen, Fitness- und Krafttraining auf der Agenda. Und Snowboarding. „Ich liebe es. Letztes Jahr darauf verzichten zu müssen, war sehr hart.“ Umso größer die Freude in diesem Jahr, mit Familie und Freunden die Winterferien auf dem Snowboard verbringen zu können. Seit Sonnabend macht der 17-Jährige die Pisten in Österreich unsicher.
Hoffen auf einen Spender für 13-jährigen Nick aus Hohen Neuendorf
Die Gedanken von Karl Kapahnke sind dennoch oft beim 13-jährigen Nick aus Hohen Neuendorf. Bei der Typisierungsaktion für den an Leukämie erkrankten Nachwuchskicker in der Waldgrundschule Hohen Neuendorf am 17. Februar ist der Gymnasiast vor Ort: „Ich hoffe, dass wir viele neue Spender finden. Am besten wäre es natürlich, wenn sich jeder registriert. Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, ein Superheld zu sein? Mit einer Stammzellspende ist das möglich. Denn wie schön ist es, jemandem das Leben zu retten? Noch dazu, wenn es so einfach ist?“
Mehr Informationen zur Typisierungsaktion: Welle der Hilfsbereitschaft für kranken Nick.
Von Nadine Bieneck