Fontane-Prozession begeistert rund 500 Zuschauer
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Eine augenzwinkernde Verneigung an den Dichter – mit dem Fingerzeig, es mit dem Kult-Rummel nicht allzu ernst zu nehmen: das ist die Fontane-Prozession.
© Quelle: Regine Buddeke
Neuruppin. Die Birne wird hochgehalten in Neuruppin. Gülden führt sie die Prozession an, die auf den launigen Titel „Im Namen der Birne“ getauft wurde –und zwar von den „Fontastischen Vier“: Uta Bartsch, Peter Böthig, Otto Wynen und Frank Matthus, die langjährigen Fontane-Festspielmacher. Eine Generalprobe gab es bereits 2018, zum 199. Geburtstag des großen Sohnes der Stadt.
„Fontastische Zeiten“ werden anbrechen – so zelebrieren es die Fontanisten, die mit solcherart Huldigung den Kult um Fontane mit Augenzwinkern auf die Spitze treiben. Eine Prozession ist schließlich immer etwas Ernstes, Gläubiges. Nicht so die Fontane-Prozession.
Die expressiven Masken des Netzebander Theatersommers, die sich hier gleich wieder für die kommende Saison empfehlen, schauen fröhlich, grimmig, traurig, trotzig, naiv oder teuflisch – kurz die ganze Bandbreite menschlichen Seins und Scheins. Und spiegeln damit gleich den Kosmos der Fontaneschen Figuren, der ebenso breit gefächert ist.
Fontane-Helden geben sich die Ehre
Natürlich sind Effi Briest dabei, John Maynard und der Ribbeck’sche Birnenfreund. Bevor es los geht mit der Prozession, gibt es am Alten Gymnasium vor ein paar hundert Gästen erst mal ein Wiedersehen für den Knirps Fontane, der in selbigem zur Schule ging. Ein paar Fontane-Helden geben sich die Ehre, und das Megaphon in die Hand, sprechen Texte, zitieren ein paar Fontane-Lyrik-Brocken. Die Akustik ist nicht so gut – allzu viel davon versteht man auf dem großen Platz leider nicht.
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Die Sax Puppets spielen auf.
© Quelle: Regine Buddeke
Dann formiert sich der Zug. Das „Fontane unser“ wird verlesen – in unheiligem Ernst: „Fontane unser, in der Fontanestadt Neuruppin ... dein Buch komme, dein Wille geschehe / Wie in Effi, so auch im Stechlin / Unser täglich Birne gib uns heute und vergib uns unser Desinteresse ... Führe uns nicht in die Ödnis und erlöse uns von der Langeweile ... Denn dein ist der Wein und die Birne ...“ Heiliger Quatsch in quietschbunten Farben.
Die Birne weist den Weg
Dann weist die Birne den Weg bis zum Braschplatz, die bunten Gestalten schreiten oder tänzeln – über allem thront das Objekt der Verehrung: Fontane, überlebensgroß, gestützt von zwei Trägern. Am Ziel angekommen – am Rondell des einstigen Paradeplatzes – wartet die nächste Birne. Ein quietschgelber Sitzsack wird hier zum Mittelpunkt der Kampfarena, in der der Birnenträger selbige als Lanze gegen einen Fontane-Ungläubigen sticht.
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Duell auf dem Braschplatz.
© Quelle: Regine Buddeke
Der springt und windet sich, schlägt Salti und Kapriolen. Am Ende hilft es ihm nicht viel, er landet geschlagen im Schoß der Birne. Das muss gefeiert werden: Die „Sax Puppets“ intonieren ein fluffiges „Don’t worry, be happy“ und die Puppen tanzen. Immer wieder werden ein paar Schaulustige von den Masken-Mimen in den Kreis gezogen und wagen ein Tänzchen. „Geht es dem Volke gut?“, ruft einer aus dem Ensemble. Oh ja, das tut es. Die rund 500 Zuschauer lachen, allenthalben sieht man gezückte Handys.
Verehrung auf die schräge Art
„Wir sind dem Zug hinterher gelaufen – fasziniert von den schönen Kostümen und der tollen Musik“, sagt Andreas Schmidt aus Berlin. „Das ist sehr beeindruckend.“ „Und alles so liebevoll gemacht“, lobt auch Martina Krümmling. „Es ist ja soviel los hier zu den Festspielen – man kann sich gar nicht entscheiden.“
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Die Maskenmimen nehmen Kontakt zum „Volk“ auf.
© Quelle: Regine Buddeke
„Eine tolle Sache“, sagt auch Gertrud Stern. „ Die Masken sind großartig. Nur das Vaterunser ging mir zu weit – das fand ich geschmacklos.“ Die Neuruppinerin hat sich vieles angeschaut bei den Fontane-Festspielen und fand ansonsten „alles sehr gelungen.“ Was das „Fontane unser“ betrifft, geben sich die Festival-Macher entspannt. „Es ist halt Verehrung auf die schräge Art. Aber beim nächsten Mal können wir ja Abbitte leisten“, sagt Peter Böthig und zwinkert schelmisch.
Von Regine Buddeke