Ostprignitz-Ruppin: Besserer Schutz für Frauen und Kinder
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Im Dezember war der „Arbeitskreis Umgangsrecht im Kontext häuslicher Gewalt“ mit dem Landespräventionspreis ausgezeichnet worden: Antje Röper (Polizei), Michaela Rönnefahrt (Frauenhaus), Judith Melzer-Voigt (Landkreis), Nora Wenger (Fachstelle Gewaltprävention), Kristina Borrock (Jugendamt), Lydia Sandrock (Opferhilfe), Antje Baumgart (Der Paritätische) und Ines Rehfeld (Neuruppiner Gleichstellungsbeauftragte).
© Quelle: Henry Mundt
Neuruppin. Sie hat sich von dem gewalttätigen Vater ihrer Kinder getrennt. Vor Begegnungen mit ihm schützt das jedoch nicht. Der Vater, mit dem sie ein Sorgerecht teilt, hat auch weiterhin das Recht, seine Kinder zu sehen. Im schlimmsten Fall kommt bei solchen Begegnungen wieder zu Gewalt.
Wie lassen sich Frauen und Kinder besser schützen? Wie kann auch Tätern besser geholfen werden, nicht mehr auszurasten? Darauf versucht der Arbeitskreis „Umgangsrecht im Kontext häuslicher Gewalt“ Antworten zu finden. Im vergangenen Dezember würdigte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) den Arbeitskreis mit dem Landespräventionspreis. Das Projekt aus Ostprignitz-Ruppin habe Modellcharakter für das gesamte Land, hieß es in der Jury-Begründung.
Neuruppiner Netz gegen Gewalt
Was so besonders ist: Der Arbeitskreis mit dem etwas sperrigen Namen vernetzt staatliche und nichtstaatliche Stellen – Polizei, Gericht, Jugendamt, die Opferhilfe, das Neuruppiner Frauenhaus, die Fachstelle Gewaltprävention Brandenburg und den paritätischen Wohlfahrtsverband. Das ist bisher kein bisschen selbstverständlich – mit dramatischen, teilweise tödlichen Folgen für Opfer von Gewalt.
„Wir bekommen Frauen nicht geschützt, wenn Frauen gemeinsame Kinder mit dem Täter haben“, sagt Lydia Sandrock von der Opferhilfe Brandenburg. In zwei Dritteln aller Fälle, in denen Täter ihr Umgangsrecht wahrnehmen, erleben die Opfer Drohungen und Schikanen, belegt eine Studie. In gut 40 Prozent der Fälle kommt es gar zu Gewalt. Für die Psychologin, die in Neuruppin Opfer berät, nicht hinnehmbar.
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Die Psychologin Lydia Sandrock arbeitet für die Opferhilfe, die ebenfalls im Arbeitskreis vertreten ist. Sie berät in Neuruppin Opfer von Gewalt.
© Quelle: Henry Mundt
Die Arbeitskreismitglieder wollen erneute Gewaltausbrüche verhindern, indem sie Risiken in den jeweiligen Familien besser einschätzen – und Strategien zum Schutz der Opfer entwickeln. Denn bislang fehlte es an einem ganzheitlichen Blick auf das Bedrohungspotenzial.
Umgangsrecht des Täters sticht oft den Schutz des Opfers
Zu oft, so Lydia Sandrocks Erfahrung, werde das Umgangsrecht eines Täters durchgesetzt – aus Angst, die Mutter würde dem Vater Kinder entfremden. „Dafür gibt es jedoch keine wissenschaftliche Grundlage“, sagt Lydia Sandrock. „Die Kinder wollen nicht zum Vater, weil er gewalttätig ist.“ Nicht jedoch, weil die Mutter Kontakt verhindern wolle.
Fall-Konferenzen nach rheinland-pfälzischem Vorbild sollen künftig auch im Kreis Ostprignitz-Ruppin den besten Schutz für Opfer sicherstellen. Denn in Rheinland-Pfalz ist schon längst Standard, was in anderen Bundesländern noch nicht überall üblich ist: Die Polizei beruft Fall-Konferenzen ein und bringt Vertreter von Gerichten, Ämtern und Hilfsorganisationen an einen Tisch.
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Modellprojekt für Brandenburg: Der Arbeitskreis wurde mit dem brandenburgischen Präventionspreis ausgezeichnet.
© Quelle: Henry Mundt
„Wenn alle zusammenarbeiten, kann die Gefährdungslage besser erkannt werden“, sagt Antje Röper vom Präventionsteam der Polizei. Im besten Fall, so hofft sie, gelingt es dem Arbeitskreis, auch langfristig Gewalt zu verhindern. Kinder, die selbst Gewalt erfahren haben, würden oft selbst zu Tätern, sagt sie: „Dieser Kreislauf muss durchbrochen werden.“
Auch Michaela Rönnefahrt vom Neuruppiner Frauenhaus hat beobachtet, dass Gewalt von Generation zu Generation weitergegeben wird. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet sie inzwischen für das Frauenhaus. „Wir haben inzwischen mit der nächsten Generation zu tun – sowohl auf der Täter- als auch auf der Opferseite.“
Neuruppiner Frauenhaus ergriff die Initiative
2019 hatte das Frauenhaus ein Fachtag ins Leben gerufen, bei dem die Gründung des Arbeitskreises beschlossen wurde – auch weil die Mitarbeiterinnen immer wieder die Erfahrung gemacht haben, dass Täter vor Gerichten und Ämtern so unverdächtig auftreten konnten, dass die potenzielle Gefahr, die von ihnen ausgeht, unterschätzt wurde.
Die Fallkonferenzen sollen deshalb auch zeigen, welche besonderen Strategien ein Täter verfolgt – und wie ihnen am besten begegnet werden kann. Alle müssten erfahren, was Täter wirklich machen, sagt Michaela Rönnefahrt.
Das begrüßt auch Nora Wenger von der Fachstelle Gewaltprävention Brandenburg, die mit Tätern Wege aus der Gewalt erarbeitet. „Täterarbeit kann nur gemeinsam stattfinden“, sagt sie. „Wir brauchen mehrere Sichten auf eine Situation, um arbeiten zu können.“
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Auf künftigen Fall-Konferenzen können verschiedene Strategien entwickelt werden, um Opfer besser zu schützen. Denkbar ist etwa, dem Täter einen Teil des Sorgerechtes zu entziehen. Denkbar auch, gerichtliche Auflagen zum Umgang zu verhängen oder Gefährderansprachen durch die Polizei zu veranlassen.
Fall-Konferenzen haben sich als erfolgreiches Instrument im Kampf gegen Gewalt erwiesen. „Es gibt einen Rückgang von schweren Straftaten“, sagt Lydia Sandrock. Fälle, in denen Gewalt sich wiederholte, konnten deutlich reduziert werden.