Ohne Fahrerlaubnis, aber mit Ausrede
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Tempokontrolle zwischen Herzberg und Radensleben.
© Quelle: Peter Geisler
Neuruppin. Halt! Polizei, Verkehrskontrolle! Die meisten Kraftfahrer können solch einem Moment gelassen entgegensehen. Aber es gibt auch Autofahrer, die gar keinen Führerschein besitzen und trotzdem fahren. Diese Leute „sind unterwegs in der Vorstellung, dass sie nicht erwischt werden“, sagt Frank Jüttner, Direktor des Neuruppiner Amtsgerichts. Das passiert öfter als Verkehrsteilnehmer gemeinhin annehmen.
Diese Erfahrung machte unlängst auch ein 46-jähriger Neuruppiner. Er wurde vom Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten ohne Bewährung verurteilt. „Es war seine vierte Verurteilung“, so Jüttner. Außerdem wurde das Fahrzeug des Wiederholungstäters eingezogen. Der Verkaufserlös geht an die Landeskasse. Der Verkehrssünder war innerhalb von zwei Wochen zwei Mal wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis und dazu noch alkoholisiert von der Polizei angehalten worden. Und das, nachdem der Mann eine Woche zuvor wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen bereits ein Urteil kassiert hatte. Erstmals war der Mann 2011 aufgefallen. Der Neuruppiner ist kein Einzelfall, wie Jüttner weiß.
Ein Bußgeld von 500 Euro droht
Dabei ist es nicht immer die Polizei, der die Verkehrssünder in die Falle gehen. Manchmal melden auch aufmerksame Nachbarn oder Angehörige Leute, die ohne Führerschein fahren.
Denn „Verkehrsdelikte sind keine Kavaliersdelikte“, sagt Jüttner. Es ist keine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat. Oberste Priorität hat die Verkehrssicherheit. Und diese ist beeinträchtigt, wenn sich jemand ohne Fahrerlaubnis hinters Lenkrad setzt. Egal, aus welchem Grund er keine hat, entweder, weil er nie eine gemacht hat oder sie ihm entzogen wurde – beispielsweise, weil er alkoholisiert Auto gefahren ist. Bereits bei 0,5 Promille drohen ein Fahrverbot von einem Monat und ein Bußgeld von 500 Euro. Außerdem gibt es zwei Punkte im Flensburger Zentralregister.
Stunden später erneut im Auto ohne Führerschein unterwegs
Aber die Erfahrung zeigt, dass selbst Sanktionen nicht jeden abschrecken. Selbst, wenn dass Gericht neben der Einziehung der Fahrerlaubnis noch eine zeitliche Sperre für deren Wiedererteilung verhängt.„ Unbelehrbare haben wir öfter“, sagt Jüttner. Wie solche Kandidaten, die auf der Autobahn zu schnell gefahren sind und bei denen sich im Nachhienein beim Überprüfen der Personalien herausstellt, dass sie gar nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sind. Oder aber der Autofahrer, der in Neuruppin ohne Fahrerlaubnis angetroffen wurde im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle. Die Polizei untersagte ihm die Weiterfahrt, überwachte, dass er sein Auto ordnungsgemäß abstellte und sich zu Fuß auf den Heimweg machte. Stunden später wurde er dann in Rheinsberg erwischt – im eigenen Auto. „Es gibt eine gewisse Dreistigkeit“, sagt Jüttner.
Die Einsicht, etwas Unrechtes getan zu haben, ist bei vielen Verkehrssündern nach Erfahrung des Richters nicht sehr ausgeprägt. Man habe ja niemandem etwas getan, würden viele denken. „Der Strauß an Ausreden ist groß“, so Jüttner. So wollte ein junger Mann aus der Gemeinde Fehrbellin wegen akuter Beschwerden in die Ruppiner Kliniken fahren, obwohl er sich nicht hätte hinters Steuer setzen durfte. Doch er wollte seine schwangere Freundin nicht wecken. Ganz so dramatisch können die Beschwerden nicht gewesen sein: Nach der Kontrolle wollte er nach Hause, nicht ins Krankenhaus.
Pärchen an der Autobahnraststätte gestoppt
„Es gibt Situationen, die sicherlich nachvollziehbar sind. Die klopfen wir auf ihren Wahrheitsgehalt ab“, sagt Jüttner. Nicht geglaubt hat er einem Pärchen, das auf einer Autobahnraststätte angehalten, behauptete, es habe erst fünf Minuten zuvor gewechselt, weil der Frau übel geworden sei. Der Fahrer wusste genau, was ihm blühte. Er sprang aus dem Auto und rief den Beamten zu: „Ich habe keinen Führerschein.“
Für solche Fälle einer vorsätzlichen Straftat im Straßenverkehr sieht das Gesetz Geld- beziehungsweise Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr vor. Billiger wird es, hat man das Verkehrsdelikt fahrlässig begangen. In diesen Fällen, die laut Jüttner eher selten vorkommen, kann der Richter eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten verhängen. „Ein Ersttäter kommt mit einer Geldstrafe davon, dann steigert es sich“, so Jüttner. Das findet der Amtsgerichtsdirektor richtig: „Man kann sich bewähren. Nutzt man diese Chance nicht, kann man auch im Gefängnis landen.“
Von Dagmar Simons
MAZ