So wandert Elch Bert durch Brandenburg
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Bert wurde 2018 in einer Kuhherde bei Schlalach entdeckt. Seitdem trägt er einen GPS-Sender um den Hals.
© Quelle: Naturpark Hoher Fläming
Bad Belzig. Der Elch mit dem auffälligen gelben Halsband ist wieder im Hohen Fläming unterwegs. Im April wurde er zwischen Brück und Linthe gesichtet. Zuvor war er über Monate verschwunden. Woher er kommt und wohin er geht, war bislang unklar. Nun hat die MAZ mit Hilfe von Elch-Experten den GPS-Sender in seinem auffälligen Halsband ausgewertet. Die Erkenntnisse sind spannend.
Wer sich daran erinnert, dass sich vor einem Jahr ein Elch unter eine Kuhherde in Schlalach mischte, kennt ihn: Bert, wie ihn die Oberste Jagdbehörde nennt, wurde damals in Kooperation mit Wissenschaftlern der Eberswalder Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNE) besendert.
Bert mag Herden
Schon damals konnte sich Bert nicht von seinen Kuhfreunden trennen. Etwa ein halbes Dutzend Mitarbeiter des Veterinärwesens und der unteren Jagdbehörde des Kreises brauchte es, um ihn in einen Pferdeanhänger zu befördern. Der Elch verhielt sich damals ganz friedlich, aber bestimmt: Er lief einfach wieder hinaus zu den rund 30 Kühen.
Nach einem Jahr mit Sender wissen wir: „Der Elch hat eine besondere Affinität, sich anderen Tieren anzuschließen“, erzählt Michael Walter vom Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft (MLUL). Dabei sind Elche gar keine Herdentiere, sondern Einzelgänger.
Selbstverständlich fällt Bert mit seinen 380 Kilogramm und fast doppelter Schulterhöhe in der Kuhherde auf – da hilft dem Zweijährigem auch das noch fehlende Geweih wenig. Immer wieder rufen Bauern bei Michael Walter an, weil der Elch bei ihnen auf der Kuh- oder Pferdeweide steht. „Das macht er immer mal wieder für ein paar Tage. Vielleicht weil er noch jung ist“, sagt Walter. Eine Erklärung hat er aber nicht.
Der Erste seiner Art
Zumindest am Futter kann es nicht liegen. Elche fressen frisches Laub, Wasserpflanzen und Knospen. Das Gras auf der Wiese schmeckt ihnen eher nicht. Berts Nähebedürfnis könnte vielleicht daran liegen, dass es nur sechs Elche in Brandenburg gibt. In Deutschland gelten Elche als ausgestorben. Das liegt laut Walter vor allem daran, dass man Elche in der DDR lieber schoss, als sich mit ihnen zu beschäftigen.
Elch im Hohen Fläming gesichtet
In dem Dorf Schlalach bei Treuenbrietzen haben Autofahrer einen Elch gefilmt.
Heute ist das anders: In Brandenburg ist Bert der erste Elch mit einem GPS-Sender. „Praktisch existiert noch kein Wissen über das Raumverhalten des Elches“, sagt Johanna Köhle, Sprecherin der HNE. Man stecke mit dem Elch „in den Kinderschuhen“, sagt Walter. Die Universität, das MLUL und die Oberste Jagdbehörde wollen aber wissen, wie sich Elche in dicht besiedelten Gebieten und gegenüber Menschen verhalten. Um zu erfahren, ob Brandenburg ein Lebensraum für Elche sein kann, wird Bert alle zwei Stunden geortet.
Das ist Berts Revier
Die gesammelten Daten zeigen, dass Berts Revier etwa 200.000 Hektar umfasst. Das Ufer der Elbe in Sachsen-Anhalt hat er zu seinem Winterquartier gewählt. Seine Osterwanderung führte ihn zurück in sein Sommerdomizil in Brandenburg: Den Naturpark Nuthe-Nieplitz, wo er sich aktuell aufhält.
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Berts Revier umfasst 200.000 Hektar. Den Sommer verbringt er im Hohen Fläming. Den Winter in Sachsen-Anhalt.
© Quelle: Detlev Scheerbarth
„Das Besondere ist, dass der Elch wohl sehr gut mit der Situation zurechtkommt. Er kann sich unbemerkt in der Landschaft bewegen und wird sehr selten gesehen“, sagt Köhle. Siedlungen meide Bert und, obwohl er als „topfit“ eingestuft wird, überspringt er keine Zäune. Stattdessen orientiert er sich an ihnen und sucht Brücken, um sie elegant zu überqueren.
Polnische Wurzeln
In seine polnische Heimat scheint der Elch bisher nicht zurückzuwollen. Das Klima im Hohen Fläming passt. Die nordischen Riesen leben praktisch auf der ganzen Nordhalbkugel – in Skandinavien, dem Baltikum und eben auch Polen. Dort leben aktuell etwa 16.000 Elche, die immer wieder die Grenze nach Brandenburg überqueren.
So kommen Elche nach Brandenburg
Aus Polen kommen die meisten Elche nach Brandenburg. Vor allem in der Region um den Fluss Netze leben Tiere, die nach Deutschland wandern. In Polen leben laut der polnischen Regierung aktuell etwa 16.000 Elche. Selbst am Tiefpunkt 1999 waren es noch rund 1500 Tiere. Auch dort wandern die nordischen Riesen. Viele kommen aus der Ukraine, Weißrussland und Litauen. In Brandenburg leben aktuell etwa ein halbes Dutzend Elche. Seit der DDR ist die Zahl mehr oder weniger Konstant. Elch Bert ist einer der Brandenburger Elche. Er wandert auf etwa 200.000 Hektar durch Brandenburg und Sachsen-Anhalt, das er zu seinem Winterdomizil erwählt hat.
Ein Problem ist das nicht, weil man hier noch von keiner Population reden könne. Man will trotzdem auf alles vorbereitet sein: „Der Wolf hat genau das Gegenteil gemacht, von dem, was wir angenommen haben“, sagt Walter. Das soll beim Elch nicht passieren. Wenn Brandenburg ein Lebensraum werden sollte, dann könnte das auch zu Problemen im Zusammenleben zwischen Elch und Mensch führen.
Managementplan für Elche
"In erster Linie betrifft dies eine zusätzliche Verkehrsgefährdung", heißt es im 2013 ausgetüfteltem Elchmanagementplan des MLUL. Darin finden sich auf über 70 Seiten "Strategien im Umgang mit zugewanderten Elchen".
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Konkret bedeutet das, dass „Elche vor einer Kollision mit einem Auto einfach stehen bleiben“, sagt Walter. Die Folgen sind schwer: Der Elch landet wegen seiner Größe nicht auf der Motorhaube, sondern in der Windschutzscheibe des Autos.
Einen Elchunfall gab es im vergangenen Jahr in Fürstenwalde. Dort kamen keine Menschen, aber der Elch zu schaden. Er ist nun im Naturkundemuseum ausgestellt. Wirklich ernst zu nehmende Probleme gebe es aktuell aber nicht, sagen die Experten. Bert sei friedlich und verbringe mehr Zeit in Kuhherden als auf Straßen.
Falls Sie einen Elch sichten: Elche können jetzt online gemeldet werden.
Von Jan Russezki
MAZ