Beelitz bekommt Windräder in Blumenform
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Kleinwindräder in Blumenform sollen zur Laga 2022 in Beelitz präsentiert werden.
© Quelle: Laga Burg/Schielicke
Beelitz. Sie werfen keine großen Schatten, machen kaum Geräusche, finden Platz in fast jedem Garten und sehen auch noch gut aus: Fachleute der Experimentier-Fabrik, ein Technologietransferzentrum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, und das Beelitzer Bauunternehmen Schielicke entwickeln gemeinsam neuartige Kleinwindräder in Form von Blumen oder als Fassadenwindanlagen, die wie ein Rollo an Produktionshallen angebracht werden können. „Beides gibt es weltweit noch nicht“, sagt Mario Spiewack, Innovationsmanager der Experimentellen Fabrik.
Die Spargelstadt Beelitz soll bei dem ehrgeizigen Forschungsprojekt so etwas wie ein Testfeld sein, auf dem die ersten Kleinwindkraftanlagen präsentiert und eingesetzt werden. Ein Vorzeigegerät einer „Bionic-Windblume“, wie die Kleinwindräder auch genannt werden, wollen die beiden Partner bereits Mitte des Jahres vorstellen. Ziel ist es, diese Art der Energiegewinnung zur Landesgartenschau 2022 in Beelitz zu präsentieren, sagte Spiewack. Dann könnte es heißen: So eine Blumenwiese hat bislang noch kein Gartenschau-Besucher gesehen. Und die Vision könnte wahr werden: Eine Wiese mit Windrädern und keiner regt sich darüber auf. Spiewack kann sich gut vorstellen, dass die bis zu fünf Meter großen Windblumen zur Laga in Beelitz den Strom zum Beispiel für die Wegebeleuchtung erzeugen.
„Windblumen“ sind zur Beelitzer Gartenschau fest eingeplant
Der Beelitzer Bürgermeister Bernhard Knuth spricht von einer tollen und charmanten Idee, „die gut für die Umwelt und gut für die Landesgartenschau ist“. Die Windblumen seien zur Laga schon fest eingeplant. „Am Haupteingang zum Gartenschaugelände soll ein großer Parkplatz entstehen. Dort und im Umfeld des Parkplatzes wollen wir die kleinen Blumenwindkraftanlagen aufstellen“, sagte Knuth. Sie könnten dann den Strom zum Beispiel für die Parkplatz-Beleuchtung in der Nacht erzeugen. „Wir werden die Windblumen in verschiedenen Farben und Formen aufstellen und mit dem Logo der Landesgartenschau Werbung für diese Art der alternativen Energiegewinnung machen“, sagte er. Die Mitglieder der „Interministeriellen Arbeitsgruppe“ (Imag), die die Landesgartenschau begleitet, haben laut Knuth diesen Plan für die Beelitzer Laga „sehr innovativ“ genannt.
„Blüten sind ja schon in der Natur wie Windfänger konstruiert. Wir lassen sie dann noch rotieren“, sagt Innovationsmanager Mario Spiewack. Anwendungsbereiche für die blumenförmigen Energieerzeuger sieht er in Event-Parks und perspektivisch auch in normalen Gärten, um zum Beispiel die Laube mit Energie zu versorgen.
Auch Gartenbesitzer sollen sich diese Windräder leisten können
Diese neuartigen Windräder können zwar in Leistung und Höhe nicht mit den großen Anlagen mithalten, sollen aber wegen des kleinen Formats und der alternativen Optik der Windenergie einen Imagegewinn bescheren. „Herkömmliche Kleinwindräder haben sich bislang nicht auf dem Markt durchgesetzt. Wir wollen die Akzeptanz verbessern und mehr Individualität reinbringen“, sagte Spiewack. Die Kunden sollen selbst mitgestalten, welche Form und Farbe die Windräder haben. Er nennt es „kundenindividualisierte Massenanfertigung“.
Der Entwickler geht davon aus, dass sich dann auch der kleine Gartenbesitzer solche alternativen Energieerzeuger leisten kann. Eine Baugenehmigung wird laut Spiewack für solche Windräder nicht gebraucht, weil sie kleiner als zehn Meter sind und letztlich wie ein Sonnenschirm oder ein Wäschetrockner an unterschiedlichen Stellen platziert und verankert werden können. „Man muss vorher nur wissen, was ich mit der Energie machen und wo und wie ich die Geräte mit dem Stromnetz verbinden will.“ Weil die Blütenblätter aus bedruckbaren Membranen bestehen, könnten sie nebenher zum Beispiel auch als Werbefläche dienen, sagt Spiewack.
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Fassadenwindräder (l.) und Anlagen in Blumenform werden in der Experimentellen Fabrik gemeinsam mit der Beelitzer Firma Schielicke Bau entwickelt.
© Quelle: Privat
Überzeugt ist er auch von den Fassaden-Windrädern. Ausprobiert werden sollen sie an der Produktionshalle der Schielicke Bau GmbH, die am Ortseingang von Beelitz steht. „Sie bietet sich dafür perfekt an“, sagt der Experte. Er sieht zwei Vorteile miteinander verbunden: „Es wird für den Eigenbedarf Strom erzeugt und zugleich die Produktionshalle optisch aufgewertet.“ Bei Fassadenwindanlagen sind viele Flügel wie Lamellen übereinandergelegt, erklärt Spiewack. Der Wind fährt in die Kunststoff-Lamellen, bringt sie zum Rotieren und in Kombination mit einem Generator wird Energie erzeugt.
Fassadenwindräder für die Industriehalle in Beelitz
Auch die Lamellen-Struktur lasse sich unterschiedlich gestalten – mit Werbe-Aufdrucken zum Beispiel oder in unterschiedlichen Farben. In Beelitz sollen die Fassaden-Anlagen, die wie ein Vorhang am Gebäude angebracht werden können, Strom für die Industriehalle und zum Auftanken der Elektrofahrzeuge von Schielicke Bau liefern. Die Fassadenwindräder werden laut Spiewack dabei mit einem Stromspeicher kombiniert, um für Tage gewappnet zu sein, an denen kein Wind weht.
Das Beelitzer Bauunternehmen Schielicke, das sich seit vielen Jahren mit der Nutzung alternativer Energien befasst, plant für die eigene Industriehalle am nördlichen Ortseingang einen Mix an neuen Anwendungen. Zum Einsatz kommen sollen neben dem Lamellensystem und den Stromspeichern auch Solaranlagen auf dem Dach, Windblumen über der Dachkante und Begrünungszonen zwischen den Traversen, heißt es in einer Broschüre der Familienfirma. Umgesetzt werden soll das Vorhaben noch in diesem Jahr. Geplant ist nach Angaben des Unternehmens, dass auf diese Weise insgesamt 20 000 Kilowattstunden pro Jahr gewonnen werden.
Erneuerbare Energien im urbanen Umfeld
Mit dem ehrgeizigen Forschungsprojekt wollen das Beelitzer Bauunternehmen Schielicke und die Fachleute aus der Experimentellen Fabrik der Uni Magdeburg Dinge unter einen Hut bringen, die bei großen, herkömmlichen Windradanlagen bisher als Gegensätze gelten. Die neuartigen Kleinwindräder sollen den Ansprüchen an Design und Ästhetik genügen und Nebenerscheinungen wie Lärm und Schattenschlag vermeiden. So soll ermöglicht werden, dass die Gewinnung von Windenergie auch im urbanen Umfeld – also im unmittelbaren Wohnumfeld – an Akzeptanz gewinnt. Die „Bionic-Windblume“ könnte die Chance eröffnen, die kleinen Anlagen auch in die natürliche Umgebung einzubinden.
Von Jens Steglich