US-Bomber-Absturz über Wilhelmshorst

Fundstücke eines tödlichen Wahnsinns

Bordwand des abgestürzten Flugzeugs.

Bordwand des abgestürzten Flugzeugs.

Wilhelmshorst. Sonntag, 6. August 1944: In den Morgenstunden ergeht an die 8. US Air Force in England der Tagesbefehl zum Luftangriff auf Ziele im Raum der deutschen Hauptstadt. Die Mannschaften von 568 Bombern des Typs Boeing B 17, bekannt als „Fliegende Festung“, und von 275 Langstrecken-Jagdflugzeugen machen sich startklar. Ihnen werden mehrere Ziele im Raum Berlin benannt, um die dort konzentrierte militärische Infrastruktur und Rüstungswirtschaft zu treffen. Eines dieser Ziele sind die Flugmotorenwerke von Daimler Benz in Genshagen bei Ludwigsfelde. Mit dieser Zielerfassung werden rund 80 Bomber beauftragt, so auch die neun Soldaten der Boeing B 17 in Polebrook nördlich von London, die wenige Stunden später über Wilhelmshorst abstürzen wird.

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Da die Unterlagen des Einsatzes in US-Militärarchiven inzwischen freigegeben sind, kennen wir heute die Namen und Herkunft der Besatzungsmitglieder. Pilot ist der 26- jährige Leutnant George W. Uttley Jr. aus St. Louis, Missouri; sein Ko-Pilot der 23jährige Unter-Leutnant Charles W. Hayes aus Knoxville, Tennessee. An Bord sind ferner ein Navigator, ein Funker, ein Bordingenieur, ein Bombenschütze sowie drei MG-Schützen – alle junge Männer knapp über 20 Jahre alt.

Auch der Sauerstofftank der Maschine ist erhalten geblieben und zeugt von der Tragödie

Auch der Sauerstofftank der Maschine ist erhalten geblieben und zeugt von der Tragödie.

Gegen 7 Uhr morgens startet die Flotte von US-Bombern in Ost-England. Über der Nordsee bildet sie ihre Angriffsformationen, fliegt zur Deutschen Bucht, über die Lüneburger Heide, umfliegt Berlin nordöstlich und schwenkt dann gegen 12.30 Uhr nach Südwesten in Richtung Ludwigsfelde.

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Das Ziel der Daimler Motorenwerke bei Genshagen ist für die Piloten der B 17 bei guter Sicht klar erkennbar. Sie lassen die Bombenschächte öffnen und entladen die tödliche Fracht: pro Flugzeug 10 Sprengbomben von je 225 kg und 38 Brandbomben von je 30 kg Gewicht. Insgesamt werden über Genshagen rund 240 Tonnen Bomben abgeworfen.

Bordwand des abgestürzten Flugzeugs

Bordwand des abgestürzten Flugzeugs.

Hoch sind allerdings auch die Verluste der US Air Force. Während des Angriffs und kurz danach werden allein im südwestlichen Luftraum von Berlin sechs B 17 von deutscher Flak und Jagdflugzeugen abgeschossen. Darunter befindet sich auch die Maschine von Leutnant Uttley. Ein deutsches Jagdflugzeug schießt den B 17 Bomber in Brand und verursacht den Absturz über Wilhelmshorst. Nur zwei Besatzungsmitglieder überleben.

Nach Berichten von Wilhelmshorster Augenzeugen soll der Bomber in der Luft explodiert sein. Große Trümmerstücke des Flugzeugs fallen in den Irissee und verstreut in einem Umkreis von rund 800 Metern. Sechs Tote US-Soldaten werden geborgen und auf dem Friedhof bestattet. Im Herbst 1945 werden sie exhumiert und zur US-Kriegsgräberstätte im belgischen Neupre überführt. Schlichte weiße Steinkreuze auf einem riesigen Rasenfeld mit den Namen, Lebensdaten und Herkunftsorten der Gefallenen erinnern noch heute an diese alliierten Opfer. Wir schulden ihnen Erinnerung. Denn für den Zweiten Weltkrieg trägt Deutschland die Haupt-Verantwortung.

Ausstellungen in Potsdam und Wilhelmshorst

Die US-Luftwaffe bombardiert am 6. August 1944 Ziele im Raum Berlin. Dazu gehören die Flugmotorenwerke von Daimler Benz in Genshagen bei Ludwigsfelde. Sechs Dutzend Bomber vom Typ Boeing B 17 werfen rund 240 Tonnen Bomben über Genshagen ab.

Deutsche Jagdflugzeuge und die Flak schießen sechs B-17-Bomber im südwestlichen Berliner Luftraum ab. Eine Maschine stürzt über Wilhelmshorst ab. Sechs tote US-Soldaten werden dort bestattet, zwei überleben als Kriegsgefangene.Einzelne Flugzeugtrümmer werden noch immer beim Ausbaggern gefunden.

Wilhelmshorster Schüler haben 85-jährige Zeitzeugen über das Kriegs-Geschehen vor Ort befragt. Die Ergebnisse der Schülerarbeiten können zusammen mit einzelnen Exponaten zur Ausstellung „Spurensicherung 1945“ im Potsdam-Museum ab 7. August besichtigt werden.

Im Wilhelmshorster Gemeindezentrum, Albert-Schweitzer-Straße 9-11, ist zudem noch bis Oktober die Ausstellung „Wilhelmshorst 1945 – Kriegsende und Neubeginn“ zu sehen. Die Ausstellung zur „Stunde Null“ im Ort ist an den Wochenenden oder nach Terminvereinbarung zu besichtigen.

Von diesem tödlichen Wahnsinn sind heute in Wilhelmshorst nur einige zufällige Fundstücke von Flugzeugtrümmern übrig. Das Letzte ist beim Aushub für einen Kellerbau gefunden worden: ein zerbeulter Sauerstofftank. Schüler der Wilhelmshorster Oberschule, mit denen wir unlängst ein Projekt zum Thema Kriegsende 1945 gemacht haben, sind von diesen Ereignissen überwältigt. Sie zeigen sich überrascht, dass die „große“ Geschichte sich auch im „Kleinen“ vor Ort spannend erforschen lässt. Sie haben Zeitzeugen zu den Ereignissen interviewt und die Gespräche für den Unterricht als Film dokumentiert. Die Schüler wollen vor allem die Motive der damals Handelnden, der Generation ihrer Großeltern, verstehen, was natürlich nicht einfach ist. So haben sie die Informationen und Eindrücke über die schrecklichen Ereignisse auf ihre Weise verarbeitet und dargestellt. Das Ergebnis kann jetzt – zusammen mit Fundstücken des Flugzeugabsturzes – in einer Ausstellung im Potsdam-Museum ab dem 7. August besichtigt werden. Organisiert vom Museumsverband des Landes Brandenburg, ist dort ein Raum für die Schüler-Projekte „Spurensicherung 1945“ reserviert.

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Von Wolfgang Kotsch und Rainer Paetau

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