Kompromisse ohne Kuschelkurs
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Max Steinacker (l.) und Jürgen Krause von der Bürgerinitiative unterwegs in ihrer Siedlung. Die Straßen sind schmal und reparaturbedürftig.
© Quelle: Stephan Laude
Kleinmachnow. Zur Verkehrssituation in der Sommerfeldsiedlung in Kleinmachnow hat der Bauausschuss in seiner jüngsten Sitzung einen Beschlussvorschlag verabschiedet. Die Sitzung verlief ruhig, denn die Ausschussmitglieder waren unter sich. Sie mussten sich nicht mit Mitgliedern der Bürgerinitiative (BI) Sommerfeldsiedlung auseinandersetzen. Es ging nur darum, Aufträge für Vermessungsarbeiten und Baugrundgutachten auszulösen. Dass dies erforderlich ist, bestreitet auch niemand. Die Vorstellungen davon, wie Straßen, Gehwege und Seitenbereiche einmal aussehen sollen, gehen zwischen vielen Anwohnern und der Gemeinde aber nach wie vor weit auseinander.
Die Sommerfeldsiedlung besteht aus zwei Haupterschließungsstraßen – An der Stammbahn und Wendemarken –, die durch acht Anliegerstraßen verbunden sind. Sie haben einen Betonbelag, ihre Breite beträgt nur drei Meter. In der Mitte gibt es Ausweichstellen. Rechts und links stehen Einfamilien- und Reihenhäuser. An den Häusern wurde viel gemacht in den vergangenen Jahrzehnten, an den Straßen nicht. Aber nötig ist es. 64 Prozent der Straßenfläche sind in einem beklagenswerten Zustand. Ortsfremde Autofahrer fragen sich, wo darf oder soll ich dort eigentlich parken? Vielleicht auf dem unbefestigten Seitenstreifen, wie die anderen auch. Aber ist das nicht der Gehweg?
Bürgerdialog wurde sachlicher
Bereits in den Jahren 2003/2004 gab es Bemühungen der Gemeinde, gemeinsam mit den Anwohnern die Verkehrssituation zu verbessern. Sie führten aber zu keiner Einigung. Anfang 2017 startete ein neuer Anlauf. Es begann ein Bürgerdialog, in dessen Rahmen zu vier Bürgerwerkstätten eingeladen wurde. Die letzte fand am 20. März dieses Jahres statt. Sie verlief vergleichsweise unaufgeregt. Zuvor war es zuweilen ausgesprochen hitzig zugegangen. Zur Beruhigung im beiderseitigen Verhältnis hat beigetragen, dass die Gemeinde im Internet neben den eigenen Standpunkten auch die Eckpunkte aus den Forderungen der Bürgerinitiative vorstellt. „Das ist Ausdruck der Erkenntnis: Wir sind nicht die Verweigerer, die nicht zahlen wollen“, sagt Max Steinacker von der BI. Die Anlieger werden bei dem Bauprojekt mit 60 Prozent der Kosten zur Kasse gebeten. Das sind den Berechnungen der Gemeinde zufolge je nach Gestaltungsvariante für ein 600 Quadratmeter großes Grundstück zwischen 5571 und 7134 Euro.
Es geht nicht um die Kosten
Die Bürgerinitiative stellt aber nicht die Kosten in den Mittelpunkt ihrer Argumentation, sondern den historischen Siedlungscharakter. Sie lehnt die Versiegelung der Bürgersteige und Seitenstreifen ab. Stattdessen sollten wasserdurchlässige, ungebundene Wege angelegt werden. Das würde auch die Baukosten reduzieren – aber nicht die Unterhaltskosten, wie im Bauausschuss angemerkt wurde. Dafür müssten nicht nur die Anlieger in der Sommerfeldsiedlung zahlen, sondern alle Kleinmachnower. Der Ausschuss machte deutlich, dass er diese „Sozialisierung“ für bedenklich hält. Gegen ungebundene Befestigungen spricht aus Sicht von Verwaltung und Gemeinderat auch: Die Barrierefreiheit wäre nicht gegeben. Rollstuhlfahrer brauchen einen festen Boden unter den Rädern. Vielleicht sind Rasenplatten aus Betonstein ein Kompromiss.
Die Fahrbahnen sollen nach den Vorstellungen der BI wieder eine Betondecke bekommen, schon wegen der langen Haltbarkeit. Die Gemeinde favorisiert Asphalt. Der sei leichter aufzutragen und einfacher zu reparieren. Durch die Beimischung von Aufhellern werde das historische Straßenbild weitgehend bewahrt. Wie beim Beton würde dann auch das Licht der Straßenlampen gut reflektiert werden. Die bisherige Straßenbreite in der Siedlung soll weitgehend beibehalten werden. Es wird also eng bleiben. Aber damit sind die Anlieger vertraut. Für sie sind die Straßen seit eh und je Gemeinschaftsorte von Fußgängern, Radfahrern, spielenden Kindern und Autofahrern, die in der Regel entsprechend langsam unterwegs sind. Die fragliche Parksituation ist nach Ansicht der BI insgesamt kein Problem. Die Gemeinde wolle etwas regulieren, was gar keiner Regulierung bedarf.
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Ein Banner an einem Grundstückszaun in der Sommerfeldsiedlung in Kleinmachnow mahnt die Verwaltung und die Gemeindevertreter, nicht über die Köpfe der Anwohner hinweg zu entscheiden.
© Quelle: Stephan Laude
Mit der Thematisierung in den Ausschüssen ist die Sommerfeldsiedlung nun nicht mehr Streitpunkt auf Bürgerwerkstätten, sondern in den politischen Gremien. Die Bürgerinitiative ist entschlossen, sich weiter einzubringen, zumal das bisherige Engagement sich schon gelohnt habe. „Aus dem Gegeneinander ist ein Miteinander geworden“, stellt Steinacker fest, „aber einen Kuschelkurs wird es mit uns nicht geben.“ Die nächsten Entscheidungen stehen auf den Sitzungen im Mai und Juni an. Wegen der vielen Kernpunkte, zu denen noch Dissens besteht, bemüht sich die BI darum, auf den Sitzungen der Gemeindevertreter mitdiskutieren zu dürfen. Der Vorsitzende des Bauausschusses, Matthias Schubert (SPD/Pro), schließt das für die Gemeindevertretung aber aus. In den Ausschüssen könne man vielleicht „etwas großzügiger sein“. Bauamtsleiter Jörg Ernsting zeigt sich leicht ungeduldig: „Wir können Anregungen aufgreifen, aber es muss zügig zu Entscheidungen kommen.“
In der Sommerfeldsiedlung gibt es 650 Haushalte
Der Bau der Sommerfeldsiedlung wurde 1932 von dem Bauunternehmer Adolf Sommerfeld begonnen. Im Gegensatz zu anderen Investoren errichtete Sommerfeld in Kleinmachnow keine Villen, sondern standardisierte Einfamilienhäuser für breite soziale Schichten. Im März 1933 inszenierten die Nazis eine Schießerei vor Sommerfelds Haus in Berlin. Sommerfeld, der Jude war, emigrierte daraufhin. Die Nazis haben sein Projekt bis 1938 fertiggestellt. Nach Angaben der Bürgerinitiative gibt es in der Siedlung etwa 650 Haushalte. Die Bürgerinitiative stützt sich bei ihren Bemühungen, den historischen Charakter der Siedlung zu erhalten, auf eine Umfrage vom vergangenen Herbst, an der sich etwa 45 Prozent der Haushalte beteiligten. Der Streit um die Rückgabe von 1000 Grundstücken wurde im März 2016 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg endgültig zugunsten der Kleinmachnower entschieden.
Von Stephan Laude