Leben mit dem Windrad
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2010 wurden die ersten 16 Windenergieanlagen in der Gemarkung Schlalach in Betrieb genommen.
© Quelle: Klaus Stark
Schlalach. Seit einem Jahr drehen sie sich alle: 22 Windenergieanlagen wurden seit 2010 im Windpark Schlalach gebaut. Das Ringen um einheitliche Vertragsbedingungen, Ausgleichsmaßnahmen in der Region, eine gerechte Verteilung der Pachterträge und um die Lebensqualität in ihrem Heimatdorf ist für die Schlalacher damit vorerst beendet – mit Erfolg. Denn aus einer Bürgerstiftung fließen seit vier Jahren große Summen für Engagierte und Vereine aus dem Ort.
„Angst, dass unser Vorhaben scheitert, hatten wir nie“, sagt Hartmut Höpfner. Er ist Gründungsmitglied der „Arbeitsgruppe Windpark“ und wurde 2010 Vize-Vorsitzender der Bürgerstiftung.„Nur dass es so lange dauert, habe ich nicht gedacht“, sagt er.
Wo andernorts Bürger gegen die Windkraftanlagen auf die Barrikaden gehen, haben die Einwohner von Schlalach aktiv gehandelt und für Akzeptanz in der Bevölkerung gesorgt. Sie haben sich den Betreiber selbst ausgesucht und ein neues Flächenpachtmodell entwickelt. Wichtig sei ihnen dabei stets gewesen, „das Dorfleben zu erhalten und einen Ausgleich zu schaffen für die Einwohner ohne Flächen im Windpark“, erklärt Höpfner.
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Bis Januar 2017 wurde der Schlalacher Windpark an der Autobahn A 9 komplettiert.
© Quelle: Thomas Wachs
Ein Jahr nachdem die vorerst letzte Anlage ans Netz gegangen ist, scheint sicher: Das Ziel ist erreicht. Die 100 000 Euro, die Windparkbetreiber zur Gründung der Bürgerstiftung vorgeschossen hatte, sind zurückgezahlt. Mehrere 10 000 Euro haben die Vereine aus dem Ort bereits erhalten. „Für den Fußball- und den Tischtennisverein zahlen wir die Betriebskosten“, erzählt Höpfner. Die Freiwillige Feuerwehr erhielt 2017 Mittel zur Erweiterung des Schulungsraums. Dem Reitverein wurde über mehrere Jahre hinweg ein Dressurviereck finanziert. „Alle Vereine bekommen von der Stiftung außerdem Zuschüsse für ihre Feste“, erzählt Höpfner. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Der Schlüssel für den Erfolg der dorfeigenen Arbeitsgruppe scheint die Transparenz in ihrer Arbeit. „Alle Schritte wurden öffentlich gemacht“, berichtet Höpfner. Auf große Proteste waren sie in Schlalach nie gestoßen. Trotzdem musste das Vorzeigeprojekt auch Lehrgeld zahlen. Als Hürde hatte sich vor allem der Naturschutz herausgestellt.
Auch die Genehmigungsverfahren sorgten für unangenehme Überraschungen. „Der Windpark musste mehrmals umgeplant werden“, erinnert sich Höpfner. Auf die Planungs- und Bauphase kann die Arbeitsgruppe mittlerweile gelassen zurückblicken. Sogar das ambitionierte Ziel eine Anlage als Bürgerwindrad selbst zu betreiben, ist dank Stiftungskapital inzwischen realisiert worden. Auch den 20 000 Quadratmeter großen Sportplatz hat die Stiftung ihrer finanzschwachen Gemeinde abgekauft.
Beleuchtung in der Nacht bleiben ein Problem
Ein Problem haben die Schlalacher mit ihren 22 Windkraftanlagen allerdings noch immer. „Größter Störpunkt ist die Beleuchtung nachts“, sagt Hartmut Höpfner. Erst seit kurzem ist es rechtlich möglich, die sogenannte „Befeuerung von Windenergieanlagen“ nur noch bedarfsgerecht – also dann, wenn sich ein Flugobjekt kritisch nähert – anzuschalten.
Um eine zeitweise Abschaltung der roten Lichtsignale war die Arbeitsgruppe bereits zu Baubeginn bemüht. „Dort führte allerdings kein Weg hin“, erinnert sich Höpfner. Mittlerweile gibt es neue, verbesserte Technologien. Höpfner und seine Mitstreiter wollen das Problem deshalb mit der Planung eines weiteren, benachbarten Windparks bei Niederwerbig angehen. „Ich bin mir sicher, dass wir auch dafür eine Lösung finden werden“, sagt er.
Der Bürgerwindpark in Zahlen
320 Hektar umfasst die Schlalacher Teilfläche des Windeignungsgebietes „Brücker Urstromtal“. Insgesamt ist der Bau von 23 Anlagen mit je 1000 Meter Entfernung zur Wohnbebauung möglich. Die 219 Flurstücke in der Gemarkung Schlalach gehören 113 verschiedenen Eigentümern. Fast 1000 Haushalte können durch die 22 erbauten Anlagen mit Strom versorgt werden. Das Dorf Schlalach hat knapp über 100 Haushalte. Auf 0,75 Prozent der Einspeisevergütung verzichten die Flächeneigentümer jedes Jahr. Die Hälfte dieses Betrags wird dem Kapital der Bürgerstiftung zugeführt. Die zweite Hälfte geht direkt an die Vereine. Langfristig sollen 50 000 Euro pro Jahr ausgeschüttet werden.
Von Victoria Barnack
MAZ