Langerwisch

Der ewige Efeu

Künstlerin Annelies Dessombes und Horst Halling am Efeu-Kunstwerk, das „Erinnerung“ heißt und am alten Friedhof in Langerwisch steht.

Künstlerin Annelies Dessombes und Horst Halling am Efeu-Kunstwerk, das „Erinnerung“ heißt und am alten Friedhof in Langerwisch steht.

Michendorf. Dieses Kunstwerk hat bereits eine besondere Geschichte, bevor es offiziell seinen Platz in der Welt gefunden hat. Annelies Dessombes hat es „Erinnerung“ genannt. Ein Name, für den es doppelten Grund gibt. Als sie und andere Künstler mit Horst Halling, dem Kurator des Michendorfer Skulpturenpfades, Ausschau nach Standorten für die nächsten Werke hielten, fiel ihr die Wahl nicht schwer. Hier, am alten Friedhof von Langerwisch, sollte ihr Werk für den Michendorfer Kunstwanderweg einen Platz bekommen. Der Friedhof ist als solcher kaum noch erkennbar. Am 2. November 1970 wurde dort der letzte Mensch – Emma Aland – beerdigt, weiß Langerwischs Ortschronist Johannes Nest.

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Efeu hat sich über die Gräber gelegt

Seither erobert die Natur dieses Fleckchen Erde zurück. Vor allem Efeu hat sich über die Gräber gelegt. Die Kletterpflanze, die nicht bestehen kann, ohne sich anzuschmiegen und deshalb als Sinnbild für Treue gilt, arbeitete sich auch an den Bäumen hoch und verdeckt inzwischen die letzten Überreste des Friedhofes. Was lag da näher, diese immergrüne Pflanze, die heute das Bild bestimmt, zu einem Teil des Kunstwanderweges zu machen.

Den passenden Efeu fürs Kunstwerk entdeckte Annelies Dessombes bei einem Spaziergang im Berliner Schlosspark Glienicke. Dort hatte sich ein etwa 100 Jahre alter Efeu bis in die Wipfel eines 30 Meter großen Baumes hochgehangelt. Die Gärtner des Schlossparks hatten die dicken Ranken der Pflanze unten bereits abgesägt. Trotzdem war es nicht einfach, den Efeu nach Michendorf zu holen. „Ich habe viele Telefonate geführt“, erzählt Annelies Dessombes. Es war damals Schlosskastellanin Susanne Fontaine persönlich, die ihr Okay gab. „Sie bekommen den Efeu“, sagte sie.

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Das Bild stammt aus den 1930er Jahren, als der Verfall des Friedhofes bereits begonnen hatte

Das Bild stammt aus den 1930er Jahren, als der Verfall des Friedhofes bereits begonnen hatte. Die Linden, die Friedhofsmauer und die meisten Grabsteine gibt es dort nicht mehr.

Wenige Wochen später ist Susanne Fontaine tot. Die angesehene Kunsthistorikerin und Herrin über die Schlösser Glienicke und Pfaueninsel wurde am 5. September 2017 im Berliner Tiergarten ermordet – für ein Handy und zwei Euro Kleingeld, die der inzwischen zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilte Mörder aus ihrer Handtasche erbeutete. Er hatte keine Ahnung, wen er umgebracht hat.

Teile des 100 Jahre alten Efeus aus dem Schlosspark Glienicke stehen jetzt am einstigen Friedhof in Langerwisch. Sie erinnern an diesen Ort und die Menschen, die dort ihre letzte Ruhe fanden, und an Susanne Fontaine, die den Efeu freigab für seine neue Bestimmung. Annelies Dessombes hat die Kletterpflanze geschliffen, entkernt und konserviert, damit die Skulptur bei Wind und Wetter bestehen kann. Offiziell enthüllt werden soll sie im November, der genaue Termin steht noch nicht fest.

Auf dem einstigen Friedhof in Langerwisch erinnert nur noch wenig daran, dass hier bis 1970 Menschen ihre letzte Ruhe fanden

Auf dem einstigen Friedhof in Langerwisch erinnert nur noch wenig daran, dass hier bis 1970 Menschen ihre letzte Ruhe fanden.

Auf den Namen des dritten Werkes, das am Kunstwanderweg steht, kamen Annelies Dessombes und Horst Halling unabhängig voneinander. „Sag’ mal, wie würdest du es nennen“, fragte die Künstlerin den Kurator des Projekts. „Erinnerung“, antwortete Halling. Genau an diesen Begriff dachte sie auch. Den Platz, den das Werk bekommen hat, „ist der beste, den wir haben“, sagt Horst Halling, Mitinitiator des Kunstwanderweges, der mit Hilfe von kommunalen Geldern in Regie des Kulturbundes seit Oktober 2017 entsteht.

Der Friedhof war schon in Karten von 1680 eingezeichnet

Mit der Efeu-Skulptur wird wieder ein Erinnerungsort aus dem Friedhof, „der schon in den ersten zur Verfügung stehenden Karten von 1680 verzeichnet ist und wahrscheinlich vorher bereits mehrere Jahrhunderte in Betrieb war“, sagt Ortschronist Johannes Nest.

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Die Begräbnisstätte wurde später schleichend aufgegeben, weil 1937 ein neuer Friedhof am Beelitzer Weg in Langerwisch entstanden war, weiß er. Da stand die Kirche, die das Gräberfeld einst zierte, längst nicht mehr. Das Gotteshaus war im Dreißigjährigen Krieg schwer zerstört und um 1770 endgültig abgerissen worden. Schon mit dem Verschwinden der Kirche ließ die Bedeutung des Friedhofes nach, sagt Nest. Sie wurde zwar von einem Glockenstuhl ersetzt, dem aber auch keine lange Lebensdauer beschieden war. Er musste mehrfach repariert werden und fiel 1882 einem Brand zum Opfer. Zwei Jahre später bekam der Friedhof zwar zwei neue Glocken für den Glockenstuhl, der aber wie die Begräbnisstätte langsam verfiel, obwohl in den 1930er Jahren der damalige Bürgermeister mehrfach darauf drang, Glockenstuhl und Friedhofsmauer zu erneuern.

Auf dem Friedhof fand auch ein Spion seine letzte Ruhe

Auf dem einstigen Friedhof von Alt-Langerwisch liegt auch ein Mann begraben, der bis zu seinem Tod mit Langerwisch nie etwas zu tun hatte, dort aber trotzdem seine letzte Ruhe fand. Die Rede ist von Kurt Possanner von Ehrenthal, der einem österreichischem Adelsgeschlecht entstammte. Ortschronist Johannes Nest entdeckte den Namen in den Unterlagen seiner Tante Carla Krüger, die vor Jahren aufgeschrieben hatte, wer auf dem Friedhof begraben wurde. Der Name des Österreichers stach auf der Friedhofsliste heraus. Nest begann zu recherchieren und bekam heraus, dass Kurt Possanner von Ehrenthal ein Spion war, der 1928 in die NSDAP eintrat und es bis zum Abteilungsleiter im Braunen Haus in München schaffte. Aus der Parteizentrale der NSDAP soll er Interna an den sowjetischen Geheimdienst geliefert haben. Ein parteinterner Rivale verdrängte ihn aus dem Braunen Haus. „Der Österreicher ging nach Berlin und versuchte dort, Quellen zu gewinnen, wurde aber enttarnt“, sagt Nest. Die Nazis wollten den aufgeflogenen Agenten 1933 nach Österreich abschieben. „Die Leute, die ihn überführen sollten, haben ihn auf dem Weg dorthin aber am 15. März 1933 in Langerwisch erschossen.“

Michendorfer Kunstwanderweg

Die Werke für den Michendorfer Kunstwanderweg, der unter Regie des Kulturbundes entsteht, sollen von Künstlern aus der Region geschaffen werden. Zwei Werke wurden offiziell eingeweiht, das dritte von Annelies Dessombes soll im November enthüllt werden.

Entstehen sollen auch Begleitbroschüren zum Skulpturenpfad – eine kurze für den schnellen Wanderer und eine längere Version, sagt Horst Halling. In der Langversion werden die Künstler vorgestellt und die Geschichte zu ihrem Kunstwerk.

Von Jens Steglich

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