Künstler verfolgen Fontanes Spur am Schwielowsee
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Siegrid Müller-Holtz ist Gastgeberin der Ausstellung „Wegmarken“, die bis zum 19. Mai in Caputh zu sehen ist.
© Quelle: Luise Fröhlich
Caputh. In wirren Linien, auf handgeschöpftem Papier und am blühenden Obstbaum im Garten: Überall im und um das Atelier Pro Arte in Caputh finden sich Spuren Theodor Fontanes. Gesetzt haben sie vier Künstler aus Berlin, die sich zum 200.Geburtstag des Schriftstellers zunächst mit seinen Werken auseinander setzten, bevor sie davon inspiriert eigene schufen. Entstanden ist daraus eine Ausstellung, die Vielfalt und Schlichtheit vereint. „Wir haben alle unterschiedliche Stile und harmonieren dennoch“, sagt Siegrid Müller-Holtz. Sie ist die Gastgeberin der Ausstellung „Wegmarken“, an der außerdem Jutta Barth, Annette Polzer und Jürgen Kellig mitgewirkt haben. Zusammen bilden sie die Künstlergruppe „connex_berlin“. Bis 19. Mai zeigen sie Installationen, Bildserien, Zeichnungen, Fotografien, Textcollagen und Objektkästen.
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Jutta Barths Bildserie zum Thema Reusen im See.
© Quelle: Luise Fröhlich
Neuer Blickfang im Garten sind die farbigen Säulen, die von den Ästen des Apfelbaums hängen. Jutta Barth hat sie aus Obst- und Gemüsenetzen, die normalerweise im Müll landen, gehäkelt. Die Künstlerin gibt vermeintlich wertlosen Gegenständen auch in ihren Bildern ein zweites Leben. Sie schöpft Recyclingbüttenpapier selbst und arbeitet Naturmaterialen und Netze hinein. „Jedes Blatt ist ein Unikat“, sagt Siegrid Müller-Holtz. Die Idee zu der Bildserie mit den Fischerreusen kam Jutta Barth bei einer Wanderung um den Schwielowsee.
Linien-Chaos und malerische Fotos
Jürgen Kellig steuert Zeichnungen bei, die er mit Pinsel und Tusche aufs Papier gebracht hat. Am auffälligsten in der Ausstellung ist das Großformat mit kurvigen, schwarzen Linien, das wie ein Chaos ohne Ende und ohne Anfang auf den Betrachter wirken kann. Es trägt den Titel „Der Weg ist das Ziel“ und lässt eine Relation zu Fontanes Romantitel „Irrungen, Wirrungen“ zu. Begleitet wird das Großformat von zwei filigraneren Zeichnungen, die an Strukturen eines Dorfes oder miteinander verwobene Gedanken oder Wege erinnern.
Einen malerisch-fotografischen Streifzug durch die Mark Brandenburg zeigt Annette Polzer. Sie arbeitet mit bewegter Kamera und verzichtet auf eine nachträgliche Bearbeitung der Fotos am Computer. Gemeinsam mit dem Labor lenkt die Malerin und Fotografin die Entwicklung ihrer Aufnahmen in eine bestimmte Richtung und wählt zudem spezielles Papier aus. Für ihre teils verschwommenen und in der Ferne klaren Streifzüge verwendete sie beispielsweise Barytpapier.
Die Anfänge des Ateliers in Caputh
Siegrid Müller-Holtz trägt gleich fünf verschiedene Komponenten zur Ausstellung bei. „Ich bin einfach die Vielseitige“, sagt die 71-Jährige. Landkarten der Gemeinde Schwielowsee hat sie sowohl in Objektkästen als auch an Kleinskulpturen aus Pappmaché verarbeitet. Den Figuren, die sich auf einem Familienausflug befinden, dienen die Landkarten zum Beispiel als Kleider. In Buchobjekten stecken Fragmente von alten Buchteilen, Briefmarken und Zitate des Schriftstellers. Eines lautet: „Genieße mit Fantasie. Alle Genüsse sind letztlich Einbildung. Wer die beste Fantasie hat, hat den größten Genuss“ – auch ein passender Leitsatz für die gesamte Ausstellung, meint Siegrid Müller-Holtz. Im Internet hat die Künstlerin zuletzt noch alte Wanderstöcke ersteigert und sie im Kreis als „Weggefährten“ im Garten platziert.
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Kleinskulpturen von Siegrid Müller-Holtz
© Quelle: Luise Fröhlich
Vor 23 Jahren gründete Siegrid Müller-Holtz das Atelier Pro Arte in Caputh. Zuvor hatten sie und ihr Mann das Haus mit dem großen Garten gekauft, eigentlich um für die Wochenenden einen Rückzugsort auf dem Land zu haben. Doch das sanierungsbedürftige Haus war in den ersten Jahren noch voll bewohnt. Erst 1995 zogen die Mieter aus. „Mit den nötigsten Dingen wie Matratze und Kaffeemaschine haben wir dann den Sommer hier genossen“, erzählt Siegrid Müller-Holtz. Im Oktober stellte sich dann die Frage, wie es weitergehen soll. Die Berliner sanierten es schließlich, richteten die Galerie und eine Ferienwohnung ein, die es bis heute gibt. 2006 kam ein Anbau hinzu und auch der Garten wurde einbezogen.
Inzwischen reist sie durch Europa
Hinter Siegrid Müller-Holtz liegt ein Jahr kreative Pause. „Viele denken, dass ich eine Auszeit gemacht habe, um künstlerisch tätig zu sein, aber es war genau andersrum. Man muss auch mal was anderes im Leben machen“, sagt sie. Ihre Kraft und Inspiration schöpft die zweifache Mutter aus den etlichen Reisen in die weite Welt, die sie häufig auf Einladung anderer Künstler unternommen hat. Besonders beeindruckt war sie vom Senegal, hatte aber auch Ausstellungen in China, Südkorea oder Brasilien. „Andere Kulturen sind spannend. Ich kann auf ein sehr bewegtes künstlerisches Leben zurückblicken“, so Siegrid Müller-Holtz. Das spiegele sich gerade in den Werken wieder, die nicht an ein bestimmtes Thema gebunden sind. Die Künstlerin widmet sich der Malerei, Materialbildern, Collagen und Buchprojekten. Inzwischen sammelt sie neue Eindrücke auf Reisen durch Europa – oder besinnt sich, wie bei der Fontane-Ausstellung, auf das, was die Heimat zu bieten hat.
Beim diesjährigen Neustart der Kunsttour Ende August in Caputh wird Siegrid Müller-Holtz auch wieder ihr Atelier öffnen. Sie hat sich die Potsdamer Künstlerin und Filmemacherin Julia Theek eingeladen.
Gemeinsame Wanderung
Die Künstlergruppe „connex_berlin“ gründete sich vor sieben Jahren mit dem Ziel, einmal im Jahr gemeinsam und bundesweit auszustellen. Unter anderem zeigten die Mitglieder ihre Kunst in Galerien in Dortmund, Hannover und Burgwedel. In Potsdam-Mittelmarkhat die Gruppe ihr facettenreiches Schaffen vor zwei Jahren in der Petzower Kirche unter dem Titel „abstrakt-poetisch“ vorgestellt. Im Novemberkam Siegrid Müller-Holtz die Idee, ihre Räume für eine Fontane-Ausstellung zu öffnen. Sie ist die Projektleiterin. In Vorbereitung befassten sich die Künstler zunächst allein mit Fontane und seiner Literatur. An einem Wochenende trafen sie sich in Caputh, diskutierten gemeinsam Themen und wanderten. Die Ausstellung ist bis zum 19. Mai immer an den Wochenenden und feiertags von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Die Ateliergalerie Pro Arte befindet sich in der Weinbergstraße 20.
Von Luise Fröhlich