Seit 40 Jahren Kaninchen exquisit
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Geschäftsführerin Steffi Schmidt veredelt im Beelitzer Familienbetrieb selbst die verschiedenen Kaninchenspezialitäten.
© Quelle: H. Helwig
Beelitz. Fleischermeister Ulrich Schmidt hat dem Kaninchen zum Sprung vom klassischen Weihnachts- und Osterbraten zur ganzjährigen Delikatesse verholfen. Sein kleiner Familienbetrieb in Beelitz kauft von Züchtern geschlachtete Langohren auf und verarbeitet sie zu kulinarischen Köstlichkeiten. Die Kaninchenspezialitäten Ulrich Schmidt OHG kann in diesem Monat auf eine insgesamt 40-jährige Betriebsgeschichte zurückblicken.
„Eigentlich haben wir von Oktober bis Ostern Hochsaison. Doch viele Grillfreunde legen sich auch den Sommer über Kaninchenfleisch auf den Rost. Wir haben reichlich zu tun“, sagt Steffi Schmidt, die mit ihrem Bruder Volkmar seit 2013 den Betrieb des Vaters fortführt. Während der Bruder den Einkauf und den Vertrieb managt, kümmert sich Steffi Schmidt zusammen mit ihrer Kollegin Annerose Hedke um die Veredelung des Kaninchenfleisches. Die Elsholzerin arbeitet seit zwanzig Jahren in dem Betrieb. Für die verschiedenen Kreationen – von der gefüllten Keule und dem gespickten Rücken über die Kaninchenbratwurst und die -roulade bis hin zum Kaninchengulasch oder der Soljanka – wurde Ulrich Schmidt schon mehrfach mit Qualitätspreisen ausgezeichnet. In dem Feinkostgeschäft in der Berliner Straße in Beelitz, das Steffi Schmidt vor zwei Jahren eröffnete, sind die Rouladen und das Gulasch im Glas der Renner, erklärt sie. „Die Leute kommen sogar aus Leipzig und Delitzsch extra nach Beelitz, und eine Münchenerin bestellt auf der Durchreise immer vorab ihre Ware bei uns, die sie auf dem Rückweg mitnimmt“, bestätigt Verkäufer Markus Teige.
Vater Ulrich und Sohn Volkmar hatten 1977 auf dem elterlichen Grundstück mit der so genannten Lohnschlachtung für einen großen Geflügelschlachthof in Borkheide begonnen, nachdem Ulrich Schmidt zuvor eine Sammelstelle für Kaninchenfelle betrieben hatte, erinnert sich Tochter Steffi. „Für ein Fell gab es damals sechs DDR-Mark und einen Gutschein für Futtermittel.“ Der Borkheider Betrieb brachte morgens etwa 200 Tiere und holte sie abends wieder zur Weiterverarbeitung ab. Steffi Schmidt hatte zunächst einen Malerberuf erlernt, konnte ihn aber aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter ausüben und stieg 1987 in den Familienbetrieb ein.
Als mit der Wende die Schlachtproduktion in Borkheide wegbrach, musste sich die Familie selbst ein Vermarktungsnetz aus Züchtern der Region und aus Kunden aufbauen. „Ganze Kaninchen liefen da nicht mehr so gut. Also begannen wir, sie zu zerlegen – Vorderteil, Keule, Rücken“, so Steffi Schmidt.
Der Verband zur Förderung des ländlichen Raumes in der Region Brandenburg-Berlin „pro agro“, an dessen Gründung 1991 auch der Beelitzer Betrieb beteiligt war, öffnete ihm die Türen zu den großen Handelsketten der Region. Von insgesamt 46 Produkten bietet die Kaninchenspezialitäten Beelitz Ulrich Schmidt OHG jetzt 20 Artikel in Supermärkten an.
Einen herben wirtschaftlichen Einschnitt musste der Betrieb 2007 hinnehmen, als er unverschuldet mit schlechter Tierhaltung in Ungarn in Zusammenhang gebracht wurde. Daraufhin hatten die Lebensmittelketten einen Abnahmestopp auch über das Beelitzer Kaninchenfleisch verhängt. „Dabei stammten unsere Tiere ausschließlich aus Ostdeutschland und Baden-Württemberg“, versichert die Geschäftsführerin. Der falsche Verdacht hatte den Betrieb damals rund 60 Prozent des Umsatzes und einige Arbeitsplätze gekostet.
In dem Feinkostladen in Beelitz ist seit dessen Eröffnung so etwas wie ein kleiner „pro agro“ entstanden. Der Familienbetrieb bietet nicht nur eigene, sondern auch Produkte anderer regionaler Erzeuger an. Im Gegenzug sind die Kaninchenspezialitäten in den Hofläden der umliegenden Spargelhöfe zu haben. Jeweils samstags steht ein Verkaufswagen auf dem Frischemarkt auf dem Strengfeld in Werder. Auf der Grünen Woche in Berlin ist der Familienbetrieb seit 2002 ein Stamm-Aussteller. Als nächstes soll erst einmal die Fertigproduktschiene weiter ausgebaut werden, kündigt die Firmenchefin an.
Von Heinz Helwig