Keramik hält länger: Innovativer 3D-Druck aus Stahnsdorf
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Manja Seebe und Thomas Mühler von QEP3D Stahnsdorf am LIS-Drucker.
© Quelle: Konstanze Kobel-Höller
Stahnsdorf. Alle in Deutschland benötigten Keramikzähne könnte das junge Unternehmen QEP3D (Quick and Easy Print 3D) aus Stahnsdorf an nur einem Tag drucken, wenn nötig. Doch die beiden Geschäftsführer, der Materialwissenschaftler Thomas Mühler (43) und die Betriebswirtin Manja Seebe (33), haben mit ihrem „schlickerbasierten keramischen 3D-Druck“ ein Angebot geschaffen, das von der Lebensmittel- bis zur Raumfahrtindustrie genutzt wird.
Keramik-3D-Druck für viele Branchen interessant
„Das geht durch alle Branchen“, so Seebe und erwähnt etwa Keramikmühlwerke in Kaffeemaschinen, Ersatzteile in der Oldtimerbranche, Wechseltauscher für Klimageräte oder einfach nur ausgefallene Teller und Tassen. Der Vorteil an dem Material sei, dass es abriebfest sei. „Viele Bauteile aus Metall können ausgetauscht werden“, sagt sie und nennt ihr Lieblingsbeispiel aus der Erdbeerjoghurt-Abfüllung: Dort, wo das Joghurt aus dem Trichter kommt und in den Becher gefüllt wird, gibt es einen Schieber, der ständig auf und zu geht. „Das Metall hat sich durch die Kerne der Erdbeeren irgendwann aufgelöst. Aus Keramik hält das viel länger.“
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Probedrucke des QEP3D.
© Quelle: Konstanze Kobel-Höller
In der Textilindustrie sind etwa Fadenführer aus Keramik, in der Bundeswehr und bei der Polizei bestehen die Körperschutzplatten aus diesem Material und auch in der Luft- und Raumfahrt findet man den Werkstoff. Andere Beispiele seien etwa Hüftgelenke oder Zähne, die in Stahnsdorf noch nicht produziert werden. Möglich wäre es aber, sagt Seebe. „Wir könnten die für Deutschland benötigten Zähne in nur einem Tag herstellen“, ist sie sich sicher. Sogar die Farbtöne seien in der Produktion beeinflussbar – und jeder Zahn könnte dabei anders aussehen. Aber auch in eine ganz andere Richtung kann es gehen: So könnten etwa 100 Partygags bestellt werden – komplett fertig ginge das im günstigsten Fall ab 20 Euro pro Stück, so die beiden.
Zwei Prozesse für Keramik-3D-Druck in Stahnsdorf
Zwei Methoden werden in Stahnsdorf dabei angewendet: Der LSD- und der LIS-Prozess. Die Lagenweise Schlickerdeposition (LSD) ist älter. Damit hat Thomas Mühler schon 2008 an der Technischen Universität Clausthal (Niedersachsen) gearbeitet, ebenfalls mit Keramik. Hier wird schichtweise Keramiksuspension auf eine sich drehende Scheibe aufgetragen. Diese 25 bis 200 Mikrometer dünnen Lagen werden jeweils mit Heißluft- und Infrarotunterstützung getrocknet, bevor ein Phenolharz als „Vernetzer“ entsprechend des gewünschten Bauteilmusters mittels feiner Tropfen eingedruckt wird, die sich in die Keramikschicht einsaugen. Wenn die Struktur fertig ist, wird alles an Keramik aufgelöst, was nicht vernetzt wurde, sodass nur das gewünschte Modell übrig bleibt. Für vielleicht 200 bis 300 Würfel mit einer Seitenlänge von einem Zentimeter braucht man etwa 20 Minuten, so Mühler.
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Thomas Mühler am LSD-Drucker.
© Quelle: Konstanze Kobel-Höller
Der LIS-Prozess („Laser Induzierter Schlickerguss“) ist neuer. Hier wird ebenfalls mit dem schichtweisen Auftrag (250 bis 500 Mikrometer) von keramischer Suspension begonnen. Dann wird aber mit Hilfe eines Lasers mit einer Leistung von rund 20 bis 30 Watt jener Teil ausgetrocknet, der für das Bauteil benötigt wird, anstatt ihn mit Phenolharz zu vernetzen. Durch den Laser wird also das Wasser gezielt verdampft und die Keramikbestandteile verbinden sich stark miteinander.
LIS-Prozess: Stützstrukturen können nötig sein
„Die Partikel werden sehr nah zusammengebracht und können sich schlecht wieder voneinander lösen“, erklärt Mühler, weshalb das System funktioniert, obwohl die Suspension rund um das Bauteil flüssig bleibt. Außerdem ist die Suspension rundherum so stark gesättigt, dass sie physikalisch nicht daran interessiert ist, noch mehr Keramik aufzunehmen. Doch der LIS-Prozess hat im Vergleich zu seinem Vorgänger einen Nachteil: Man kann nicht einfach so mitten im Raum zu drucken beginnen, weil der Halt für solche Elemente fehlt. Hier müssen Stützstrukturen eingeplant werden.
Die so hergestellten Bauteile, die „Grünkörper“, müssen teilweise gefräst und schließlich noch gebrannt werden. Je nach Material kann das bei bis zu 1700 Grad Celsius erfolgen, Porzellan bekommt 1200 Grad ab.
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Manja Seebe ist die Betriebswirtschafterin bei QEP3D.
© Quelle: Konstanze Kobel-Höller
Im Stahnsdorfer Green Park eingezogen sind die beiden im Februar 2022, also vor etwas mehr als einem Jahr, die Firmengründung hatte kurz davor stattgefunden. Die 3D-Drucker sind dann im April gekommen und laufen seit Ende Oktober. Im November auf der ersten Messe wurden die zwei Jungunternehmer dann bereits „mit einem Riesenrepertoire von Anfragen“ überhäuft, berichten sie. Die eigenen Kunden dürfen die QEP3D-Geschäftsführer aber nicht verraten. „Da es so neuartig ist, sind es die ganz Großen“, sagen sie. Immerhin seien sie die einzigen, die LSD-Druck machen, „weil keiner das Patent umgesetzt bekommen hat“, so Miterfinder Mühler.
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Nun ist ihr Ziel, wirtschaftlich stabil zu werden. „Das erste Jahr haben wir mehr gut als schlecht überlebt“, sagen sie. Drei Angestellte, darunter einen Azubi, haben sie bereits. Nun wollen sie weiter wachsen – aber sanft, langsam. Ihr Investitionsvolumen für die ersten drei Jahre beträgt 1,1 Millionen Euro – davon haben die Drucker ohne spezifische Anpassungen je rund 350.000 Euro gekostet.
MAZ