An dieser Potsdamer Schule sind Handys im Unterricht Pflicht
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Mit Taschenrechner, Computer und dem eigenen Smartphone arbeiten Leon Zunk (17) und Angelina Grunz (16) aus der 12. Klasse an der Voltaire-Gesamtschule zum Beispiel im Mathe-Unterricht zusammen. Einen Block zum Mitschreiben haben die meisten aber trotzdem noch.
© Quelle: Peter Degener
Innenstadt. Karen Pölk ist seit 2011 Schulleiterin des Voltaire-Gesamtschulcampus mit gymnasialem Bildungsgang. Ihr eigenes Smartphone hat sie während des Unterrichts nie dabei – stattdessen einen Laptop oder ein iPad mit jenen Apps, die ihre insgesamt 840 Schüler zumeist auf ihren eigenen Geräten nutzen.
Wo haben Ihre Schüler ihre Smartphones während des Unterrichts?
Karen Pölk: Es gibt bei uns kein Handyverbot, weil wir das nicht für funktional halten. Seit vier Jahren haben wir hier einen Handyvertrag, den jeder Schüler unterschreiben muss. Das persönliche Smartphone eines Schülers gehört bei uns nach dem Prinzip "Bring your own Device" (zu deutsch etwa: "Nutze Dein eigenes Gerät") zum Unterricht dazu. Die Schüler haben Lern-Apps installiert und ihre Präsentationen darauf gespeichert, recherchieren damit, schlagen in Wörterbüchern nach und nutzen die Telefone in Absprache mit den Lehrern.
Handys auch privat im Unterricht nutzen?
Was passiert bei privater Nutzung im Unterricht? Wird dann das Gerät eingezogen?
Dass sich die Schüler auch private Nachrichten schicken, können wir natürlich nicht ausschließen. Das Einziehen ist bei den Jüngsten nach Ermahnung ein Weg. Sie müssen es dann am Ende des Schultags im Sekretariat abholen. Beim zweiten Mal direkt bei mir. Wir haben aber seit anderthalb Jahren kein Handy mehr eingezogen.
Smartphones bieten laut Ihrer Homepage „motivierende und kreative Unterrichtszenarien mit Apps“ – wie sieht so ein Unterricht aus?
Wir haben ein Medienkonzept, das beinhaltet, wie Medien im Unterricht eingesetzt werden, aber auch, wie man überhaupt lernt, mit Medien umzugehen. Da geht es um Recherche, aber auch um Cybermobbing. In den meisten Fächern nutzen wir mittlerweile regelmäßig Apps, in denen die Materialien digital zur Verfügung stehen. Dazu kommen sehr spezielle Lern-Apps. In Musik setzen die Lehrkräfte beispielsweise eine App ein, mit der man komponieren kann. Die Schüler lernen bei uns aber nach wie vor, wie man einen Zeitungsartikel schreibt oder ein Plakat gestaltet. Und wir vermitteln ihnen, wie sie selbst ein gutes Lernvideo, wie sie es von Youtube kennen, herstellen. Ältere Schüler entwickeln damit dann Inhalte für die Kleineren.
Welche Erfahrung haben Sie mit diesem Unterricht gemacht?
Wir stellen eine größere Zufriedenheit bei den Schülern fest, weil sie in ihrem eigenen Lerntempo arbeiten können. Früher gab es Frustration bei denen, denen es zu langsam ging. Die können sich nun jemanden suchen, mit dem sie gemeinsam weiter gehen. Genauso gilt, dass die, denen etwas schwerer fällt, nicht abgehängt werden. Insgesamt stellen wir verbesserte Noten fest. Das liegt am veränderten Lernprozess. Die Schüler setzten sich im Gegensatz zum Frontalunterricht aktiv mit dem Material auseinander und das ist sehr nachhaltig.
Wenn ein Schüler kein Smartphone besitzt
Nicht jeder Schüler hat ein Smartphone. Wie gehen Sie damit um?
Wir haben über 65 Tablets, die von den Lehrern mit einem digitalen Kalender gebucht werden können. Das wird sehr rege nachgefragt. Wir könnten noch deutlich mehr Geräte gebrauchen.
Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) hatte sich dafür ausgesprochen, private Geräte der Schüler landesweit in den Unterricht zu integrieren, dann wurden jedoch Datenschutzbedenken laut. Wären einheitliche Regeln für alle Schulen sinnvoll?
Wir befürworten nach unseren Erfahrungen die Nutzung der Privatgeräte natürlich und haben den Vorstoß der Ministerin sehr begrüßt. Eine Richtlinie des Ministeriums wäre gut, aber jede Schule sollte auf dieser Grundlage den Umgang im Rahmen ihres Profils ergänzen können. Zur Sicherheit kann ich sagen, dass unsere Oberstufe seit Anfang 2018 das Schul-WLAN nutzen darf, das gesichert und mit Filtern ausgestattet ist.
Welcher Teil des Lernens kann trotz aller Digitalisierung eigentlich nicht über einen Bildschirm abgewickelt werden?
Die Beziehung vom Schüler zum Lehrer, denn sonst könnten dank der Technik auch alle zu Hause bleiben. Aber sie in der Schule zu begleiten, mit ihnen zu diskutieren, damit sie sich gehört fühlen und mit ihnen auch über Privates zu reden – daran lernen die Schüler auch.
Von Peter Degener