Das Kesselhaus in der Schiffbauergasse wird bunt
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Maja Dierich-Hoche und Mathias Paselk vor dem neu gestalteten Kesselhaus. Dahinter der Ziegelbau das Waschhaus.
© Quelle: Julius Frick
Schiffbauergasse. Das Kulturviertel Schiffbauergasse legt Farbe auf. Seit Ende August ist das zum Waschhaus gehörende Kesselhaus über die komplette Fassade mit weitgreifend aufgetragenen Ornamenten in Rosa und Ziegelrot, in Anthrazit und Ocker geschmückt.
Am Mittwoch um 17 Uhr wird diese erste Gemeinschaftsarbeit des Berliner Künstlerkollektivs Klebebande und des reanimierten Lehramtsstudiengangs Kunst an der Universität Potsdam mit einer kleinen Feier eingeweiht.
Alte Fassade als optische Leerstelle
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Das Waschhaus im Februar 2007 vor der Sanierung mit dem alten Kesselhaus.
© Quelle: Joachim Liebe
Bei der Komplettsanierung des Kulturzentrums in den Jahren 2007 und 2008 war das alte Kesselhaus abgerissen und durch einen deutlich größeren Neubau ersetzt worden. Seiter hatte dessen wie eine optische Leerstelle platzierte graue Fassade am Open-Air-Gelände für Diskussionen gesorgt.
Das neue Kesselhaus galt als Sinnbild für das nach Ansicht von Kritikern steril gestaltete neue Kulturquartier auf der einstigen Militär- und Industriebrache am Tiefen See. Eine erste Offerte zur Gestaltung von Sprayern wurde von der Stadt 2009 mit der Begründung abgelehnt, dass das verwendete Putzsystem sich nicht mit den Lackfarben der Sprayer vertrage.
Architekt Focke begrüßt Neugestaltung
Der seinerzeit mit dem Umbau beauftragte Architekt Wolfhardt Focke verwies am Dienstag gegenüber MAZ auf die damaligen Auftraggeber: „Es sollte dort kein lautes Gebäude entstehen.“ Er hätte gern andere Akzente gesetzt, „aber manchmal ist man als Architekt einfach Dienstleister“. Er „begrüße“, so Focke, „dass jetzt etwas versucht wird“.
Entwickelt wurde die Idee zur Fassadengestaltung während der Corona-bedingten Zwangspause des Veranstaltungsbetriebes in einer Werkstattrunde der Waschhaus-Belegschaft. Die Fassade sei „schon immer nicht besonders attraktiv“ gewesen, sagt Waschhaus-Geschäftsführer Mathias Paselk.
Waschhaus in der Pandemie
Die Corona-Pandemie brachte dem Waschhaus einen dramatischen Rückgang bei den Besucherzahlen. 2020 kamen gerade noch 35.000 Gäste aufs Gelände. Weitere 35.000 Gäste nutzten den Angaben zufolge digitale Angebote. Zum Vergleich: 2019 hatte das Waschhaus noch mehr als 135.000 BesucherInnen. In diesem Jahr rechnet Waschhaus-Geschäftsführer Mathias Paselk mit insgesamt 50.000 Gästen.
Klebebande auf dem Baugerüst
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Tape-Art an der Kessenlhaus-Fassade.
© Quelle: Julius Frick
Ende 2020 nahm er Kontakt zur Kunstvermittlerin Maja Dierich-Hoche auf, die in Potsdam bereits mehrere Fassaden gestaltet hat und das aus einem Fonds für kulturelle Bildung geförderte Projekt koordinieren sollte.
Der Entwurf für das Muster kam vom Künstlerkollektiv Klebebande, das auf Tape-Art spezialisiert ist, einer Kunstform unter Verwendung bunter Klebestreifen, die schon in den 1960er Jahren als Alternative zur Kunst aus der Sprühdose entstanden ist.
Veto des Denkmalpflegeamtes
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Das neu gestaltete Kesselhaus, dahinter das Waschhaus.
© Quelle: Julius Frick
In der letzten Augustwoche standen fünf Künstler der Klebebande auf dem Baugerüst. Als erstes brachten sie eine Grundierung in einem rötlich-braunen Ziegelton auf. Darauf wurde das Muster abgeklebt und schließlich aufgesprüht, -gerollt und -gepinselt.
Völlig widerstandslos konnten sie allerdings nicht arbeiten. Ihr erster Entwurf mit bunteren Farben und schwarzen Akzenten scheiterte zwei Wochen vor dem Beginn der Arbeiten am Veto des Denkmalpflegeamtes, wie Bruno Ridderbusch von der Klebebande berichtete.
„Der neue Entwurf passt sich mehr an das benachbarte Waschhaus an“, sagt Paselk, „integriert sich mehr ins Ensemble. Das Denkmalamt wollte nicht, dass das Waschhaus optisch in den Hintergrund rückt, wenn man die Fassade des Kesselhauses sieht.“
SchülerInnenwerkstatt mit 150 Beteiligten
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Blick von der Freilichtbühne zum Waschhaus-Ensemble.
© Quelle: Julius Frick
Begleitet wurde das Projekt mit einer SchülerInnenwerkstatt. Mehr als 150 Mädchen und Jungen der vierten sowie der siebten bis zwölften Klassenstufe hatten über die erste Arbeitswoche hinweg die Möglichkeit, den Künstlern bei der Arbeit zuzusehen, Fragen zu stellen und selbst Kunstobjekte mit dem Klebeband zu gestalten.
Ihre Arbeiten werden am Mittwoch in einer Ausstellung im Kesselhaus zu sehen sein. Betreut wurden sie von Studenten des Lehramtsstudiengangs Kunst an der Universität Potsdam, der vor gut zehn Jahren trotz landesweiter Proteste eingestellt worden war, zum Wintersemester 2020/21 dann aber mit drei Professuren reaktiviert worden ist.
Auferstehung des Kunst-Studiengangs
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Maja Dierich-Hoche und Mathias Paselk vor dem Kesselhaus.
© Quelle: Julius Frick
Seinen ersten großen Auftritt außerhalb der Universität wird der neue Kunst-Studiengang zum Festival „Made in Potsdam“ im Waschhaus-Kunstraum haben, kündigte Geschäftsführer Paselk am Dienstag an.
Die Ausstellung zum Jahres-Eröffnungs-Festival mit Kunst und Künstlern aus Potsdam bot schon mehrfach ein Podium für Kunstschaffende mit gemeinsamer Adresse, darunter das Freiland-Jugendkulturzentrum, das Rechenzentrum und der Fachbereich Design der Fachhochschule Potsdam.
Riesengalerie zu 30 Jahren Waschhaus
Ein weiteres Projekt mit der Künstlerin und Kunstvermittlerin Maja Dierich-Hocke plant Paselk im kommenden Jahr zum 30. Jahrestag des Waschhauses, dessen Geschichte als Kulturzentrum am 10. Juli 1992 mit einer illegalen Technoparty in der damaligen Industrieruine begann.
Zum Jubiläumsjahr soll der ums Open-Air-Gelände laufende Bauzaun mit Motiven zu jedem der bisher 30 Jahre gestaltet werden.
Von Volker Oelschläger und Linus Höller
MAZ