Max-Baur-Retrospektive

„Er war der Lehrer Ladislaus“

Antonia Gottwald in der Ausstellung „Potsdam, ein Paradies für meine Kamera“  vor einem Porträt ihres Großvaters Max Baur.

Antonia Gottwald in der Ausstellung „Potsdam, ein Paradies für meine Kamera“ vor einem Porträt ihres Großvaters Max Baur.

Potsdam. Antonia Gottwald liest am Freitag um 18 Uhr im Potsdam-Museum aus dem Briefwechsel ihres Großvaters Max Baur mit dem Schriftsteller Hermann Hesse.

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In welcher Beziehung stand Max Baur zu Hermann Hesse?

Antonia Gottwald: Die beiden sind einander nie begegnet. Max Baur muss sehr früh angesprochen gewesen sein von der Lyrik Hermann Hesses. Sie sind sich begegnet in ihrer Begeisterung für die Schönheit dieser Welt. Mein Großvater muss den Kontakt eröffnet haben, indem er Hermann Hesse erste Blumen- und Baumstudien geschickt hat. Und es gibt eine erste Antwort von Hesse vom März 1933: "Hier aber, in Ihren Blumen und Bäumen, ist das Mögliche an Vollkommenheit erreicht." Daraus hat sich ein Briefwechsel entwickelt mit fotografischen und lyrischen Naturbildern.

Wie war Max Baur als Großvater?

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Für mich war er der wunderbarste Großvater, den man sich nur denken kann. Ich habe die schönsten Erinnerungen an ihn. Er hat mit uns alles gespielt, was Kinder gerne spielen: Krocket, Tischtennis, Federball, Dart. Er hat mit uns Schule gespielt im weißen Fotografenkittel: er war der Lehrer Ladislaus. Und was natürlich aufregend war: dass wir in die Dunkelkammer zu ihm durften und diesen geheimnisvollen Prozess mit erlebten, wie die Bilder erschienen sind. Mein besonderes Privileg war: Ich durfte ihn immer stören und hatte da auch keine Scheu.

Max Baur lebte seit 1953 in Bayern. Sie sind dort aufgewachsen. Hat Potsdam in Ihrer Kindheit eine Rolle gespielt?

Das ganze Haus meiner Großeltern in Aschau war voll mit Potsdam-Bildern. Im Wohnzimmer war das große Bild vom Friedensteich mit dem Boot. Schloss Sanssouci mit der blühenden Magnolie hing im Treppenhaus. Dadurch war es so selbstverständlich. Man hatte diese Bilder vor Augen. Und wir haben es miterlebt, wenn Alt-Potsdamer zu Besuch kamen. Dann war immer eine ganz eigene Atmosphäre der freundschaftlichen Verbundenheit.

Was war Potsdam für Sie? Ein Sehnsuchtsort wie für Ihren Großvater?

Das würde ich nicht sagen. Es war die Vergangenheit meiner Großeltern, und da denkt man als Kind nicht so drüber nach. Mein Großvater ist 1988 gestorben und hat die Wende nicht mehr erlebt. Doch als ich mit meiner Mutter unmittelbar nach dem Mauerfall das erste Mal in Potsdam war, war es erstaunlich, weil es mir überraschend vertraut erschien.

Welches Bild haben Sie vom Tag Ihres ersten Besuchs in Erinnerung?

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Den Alten Markt. Die Nikolaikirche mit dem Alten Rathaus, die mir aus der „Vision“ meines Großvaters natürlich auch sehr vertraut war – dieser Fotomontage mit der Kuppel der unzerstörten Nikolaikirche über den Trümmern der Innenstadt. Die Leere des Alten Marktes an diesem Tag kann man sich heute ja kaum mehr vorstellen. Das Alte Rathaus und die Nikolaikirche standen ja verloren auf weiter Flur. Und dann natürlich Sanssouci.

Ihr Großvater hat in Potsdam die NS-Zeit, die Zerstörung und den Stalinismus erlebt. Hat er Ihnen als Enkelin davon erzählt?

Was das Dritte Reich betrifft, weiß ich nur aus Erzählungen meiner Mutter und meines Onkels als dem ältesten Sohn, dass es innerhalb der Familie eine ganz entschiedene Opposition gegen das Dritte Reich gab. Bis dahin, dass meine Großmutter immer wieder Angst haben musste, weil mein Großvater sich nicht nur im privaten, also nicht nur im geschützten Raum kritisch äußerte.

Es gab unter anderem über seine fotografische Serie zur Neuen Reichskanzlei einen engen Arbeitskontakt zum Architekten Albert Speer, der später in Nürnberg als NS-Kriegsverbrecher zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde. Wie weit ging da die persönliche Nähe?

Max Baur war ein Besessener, was seine Fotokunst betraf. Ich würde sagen, dass er keinen Gedanken hatte: Wenn er jetzt im Auftrag von Speer diese Architektur fotografiert, dass er damit indirekt dieses Regime unterstützen könnte. Wenn er diesen Gedanken gehabt hätte, hätte er es nicht gemacht. Speer hat ihn über den Potsdamer Architekten Otto von Estorff entdeckt als Fotografen, der seine Architektur besonders gut ins Bild setzt. Es gab auch staatliche Aufträge, die Max Baur abgelehnt hat.

Sie leiten mit dem Lichtbildarchiv Max Baur im Chiemgau einen der wichtigen Leihgeber für diese Ausstellung. Wie kam der Kontakt zum Potsdam-Museum zustande?

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Vor einigen Jahren hat der Potsdamer Fotograf Gunnar Porikys meine Mutter angerufen und gefragt, wer in der Familie der Ansprechpartner wäre, wenn es um Max Baur geht. Der Kontakt lief dann über ihn und Judith Granzow vom Potsdam-Museums.

Museums-Direktorin Jutta Götzmann spricht von einer beispiellosen Förderkampagne durch den Museums-Förderverein bei der Vorbereitung. Mit 20 000 Euro wurde so viel Sponsorengeld wie noch nie für eine Ausstellung des Museums eingeworben. Haben auch Sie persönlich Zuspruch aus der Bürgerschaft erlebt?

Ich habe vor allem Markus Wicke, den Vorsitzenden des Fördervereins, als einen sehr engagierten Unterstützer erlebt, der auch andere namhafte Potsdamer mit ins Boot holen konnte. Unter anderem Mathias Döpfner und Günter Jauch. Kurz vor meiner Abfahrt nach Potsdam meldete sich bei mir der Dirigent Christian Thielemann mit der Mail, dass er schon immer ein großer Verehrer von Max Baur ist und sein Bild von Potsdam durch diese Fotografien mit bestimmt ist.

Welches Motiv in der Retrospektive würden Sie für sich als besonders berührend bezeichnen?

Das kann ich gar nicht sagen. Was mich wirklich am meisten berührt, ist die Tatsache, dass mein Großvater in dieser Weise präsentiert wird, und ich habe immer wieder gedacht: Wenn er das noch selber erleben könnte. Diese großzügige und breit gefasste Präsentation, dass man hier tatsächlich das ganze Haus für ihn nimmt, die großen Abzüge der Bilder. Und vor allem: Mit welcher Liebe und Sorgfalt Judith Granzow und Anja Tack als Kuratorinnen sich der Sache angenommen haben. Diese Vorbereitung war eine reine Freude.

Antonia Gottwald, die Enkelin des Fotografen

Antonia Gottwald, Jahrgang 1963, ist in München aufgewachsen. Schauspielausbildung am Max-Reinhard-Seminar in Wien, anschließend Engagements am Düsseldorfer Schauspielhaus und am Staatstheater Kassel, seit 20 Jahren freischaffend.

Neben der Arbeit mit eigenen Bühnenprogrammen bis 2007 Mitarbeit in der Stiftung des Bildhauers Hans Kock. Später Kuratorin für den Verein der Freunde von Hans Kock.

Parallel zur Ausstellung
„Potsdam, ein Paradies für meine Kamera“, die ab Freitag bis zum 26. August im Potsdam-Museum zu sehen ist, kuratiert Antonia Gottwald als Leiterin des Lichtbildarchivs Max Baur in Bayern die Ausstellung „So zaubert das Licht“, die vom 28. Mai bis zum 24. Juni in der Alpenfabrik Hohenaschau präsentiert wird.

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Von Volker Oelschläger

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