Lastenräder für jeden Zweck, aber nicht für jeden Geldbeutel
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/GIIVXEZTUMGIGYRKDEJUYYKAGU.jpg)
Raschka Lindenberger (r.) kutschiert Sabine Pfeifer mit einem Gefährt. das kein Fahrrad ist, sondern ein Rollstuhl mit Tretantrieb.
© Quelle: Rainer Schüler
Innenstadt. Sabine Pfeifer (64) kann nicht mehr laufen, Rad fahren schon gar nicht; und auch der Rollstuhl ist keine Fortbewegungsart für sie. „Sie hat Orientierungsschwierigkeiten“, sagt Betreuerin Raschka Lindenberger, die an diesem Freitag mit einem sonderbaren Fahrrad beim Mediatrike-Festival auf den Bassinplatz fährt: Sie hat einen Rollstuhl vor dem Lenker.
„Das ist kein Fahrrad“, klärt sie den MAZ-Reporter auf: „Das ist ein Rollstuhl mit Tretantrieb.“ Der darf dann auch auf Gehwegen fahren und sogar auf den Kieswegen im Schlosspark Sanssouci, wo Fahrräder verboten sind, Rollstühle nicht. Diesen Tret-Rolli haben sie vor ein paar Jahren gekauft, als die Krankenkassen das noch als medizinisch notwendiges Hilfsmittel bezuschussten. „Heute“, so bedauert Lindenberger, „gilt das bei den Kassen als Freizeitinstrument und wird nicht mehr bezahlt.“ Dabei hat das Gefährt viele Vorteile, nicht nur den der Schlossparktauglichkeit. Es darf auch als Rollstuhl in die Bahn gehievt werden, wo man den Rolli vom Rad trennt, um Platz zu sparen. Zu zweit damit unterwegs zu sein, erfordert Übung und Vertrauen: der Gefahrene muss sich auf den Fahrer verlassen, dem er ausgeliefert ist.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/ZJPMV6LUTLM4X5ZRCPMYVOVTU4.jpg)
Lastenfahrräder beim Mediatrike-Festival am Freitag am Bassinplatz.
© Quelle: Rainer Schüler
„Übung ist bei jedem Lastenfahrrad nötig“, sagt Tom Sehrer von pedales.de, der im Hauptbahnhof eine Fahrradausleihe betreibt und auch vier Lastenräder vermietet. Drei Typen hat er mitgebracht, 3500 bis 4000 Euro teuer. Die einfachste Variante mit Packborden auf dem Heckträger und beidseits des Hinterrades, die belastbarere „Backfiets“ aus Holland mit einem sperrhölzernen Sitzkorb vorn, zwei Kinder und Gepäck passen da rein; die Sitzposition ist hoch. Tiefer und damit sicherer sitzt man im schaumstoffausgekleideten „Urban Arrow“. Die mit 70 Kilo Fracht beladbaren Bikes haben allerdings einen E-Motor zur Unterstützung.
„Ohne Motor bekommt man Lastenräder schon für 1100 Euro“, sagt Benjamin Maltry vom Projekthaus Babelsberg, dessen „Mediatrike“-Projekt dem Festival den Namen gab. An der Rudolf-Breitscheid-Straße hatte man vier Jahre lang mit Kindern und Jugendlichen aus Baumarkt-Aluminiumstangen und mechanischen Grundbestandteilen der Industrie individuelle Lastenräder montiert, „Long John“ genannt. Die waren die Basis für diverse Medienprojekte – daher „Media-Trike“. Wie man eins baut, konnte man am Freitag sehen.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/YZLU4IN2DTE5Z4GN5U5GDURG3M.jpg)
Das Lastenrad des Kommunalen Immobilienservice.
© Quelle: Rainer Schüler
Diverse Lastenräder waren nicht nur bestaunen, sondern auch auszuprobieren. Kühle Getränke und heißes Gegrilltes gab es, von speziellen Lastenrädern aus verkauft. Auch die Stadtverwaltung hat eins in Dienst gestellt, 2016 schon. Der Kommunale Immobilienservice nutzt es für Projektpräsentationen. Sein vorn liegender Transportcontainer hat auszieh- und ausklappbare Teile, auf denen man diverse Info-Materialien auslegen kann. Rund 500 Lastenräder sind derzeit in Potsdam unterwegs, schätzt Maltry.
Von Rainer Schüler