Ladensterben in Potsdam

„Die Stadt tut nichts“: DDR-Laden in Potsdam gibt schweren Herzens auf

Olaf Hölzel und Bärbel Lay zieht es nach ihrer Zeit in Potsdam jetzt an die Ostsee.

Olaf Hölzel und Bärbel Lay zieht es nach ihrer Zeit in Potsdam jetzt an die Ostsee.

Innenstadt. Am Montag ist Schluss mit Nostalgie: Bärbel Lay und Olaf Hölzel schließen ihren „DDR-Laden“ in der Lindenstraße. Nicht, dass sich das Konzept nicht getragen hätte, fast vergessene Artikel aus sozialistischen Zeiten neu anzubieten, versichert die Inhaberin: „Es gibt immer noch viele begeisterte Kunden. Aber insgesamt war das nicht durchzuhalten, vor allem wegen Corona. Da war der Laden eine Geldvernichtungsmaschine.“

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Es habe eine extreme Kaufzurückhaltung gegeben, zumal das Einkaufen mit Maske und stark begrenzter Kundenzahl alles andere als Spaß machte. Auch die Schaffung von Außengastronomie für das Café half nicht durch die Durststrecke. Dazu gab es Querelen mit Nachbarn, die den kleinen Hofteil des Cafés zu laut fanden und „Angst“ hatten, vor dem Laden könne ihnen das Werbeschild für Softeis auf den Kopf fallen. Jemand entwendete vor einem Jahr das Schild und später einen Sonnenschirm mit Betonfuß. Im Oktober 2022 schlug man den Ladenbetreibern sogar die Schaufensterscheibe ein.

Kein Geld für Vollzeit-Personal

„Wir hatten nicht mehr genug Geld, um die Vollzeitstelle und die Teilzeitkräfte zu bezahlen“, erklärt Lay: „Es hätte Kurzarbeit geben müssen, aber das wollten sie nicht.“ Zur Stoßzeit am Nachmittag bräuchte das Café drei Leute und der Laden eine Kraft – das gaben die Einnahmen nicht her. Im Juni 2022 schlossen die Betreiber ihr Café mit dem extra angefertigten Tresen, lediglich ein Tischlein mit zwei Stühlen stand noch vor dem Laden. Das wurde vom Ordnungsamt der Stadt aber ebenso moniert wie die Außengastronomie mit Terrasse, die angeblich zu dicht an der Straßenkante und zu nah am Ticketautomaten stand. Die Betreiber hatten für die Inanspruchnahme des Gehwegraums bezahlt.

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„Bombenzeit“ am Anfang

„Der Oktober 2020 und die Wintermonate gleich danach waren eine Bombenzeit“, erinnert sich Lay an den Anfang. Im Januar 2022 nahmen sie das Ampelmännchen-Sortiment und Potsdam-Souvenirs dazu, nachdem der entsprechende Laden auf der Brandenburger Straße zugemacht hatte. Wieder gab es viel Interesse, und wieder reichte es nicht, geschäftlich zurück in sicheres Fahrwasser zu kommen.

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„2022 war ein furchtbares Jahr. Wir hatten 70 Prozent weniger Umsatz als am Anfang“, sagt Lay. Ende März läuft der Mietvertrag aus, und sie rechneten mit einer Mieterhöhung. Angesichts dessen und des Umstands, dass für einige Läden in der Straße nur halb so viel Miete verlangt wird, entschlossen sie sich zur Geschäftsaufgabe und verlassen Potsdam, wohin sie erst im Mai 2014 gezogen waren: „Wir hätten nie gedacht, dass das mal schief geht.“

Der „DDR-Laden“ von Potsdam wird geschlossen.

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Nun suchen sie ihr Glück an der Ostsee: In Ribnitz-Damgarten am Darß in Mecklenburg-Vorpommern haben sie sich eine Wohnung gesucht. Auf Märkten wollen sie weiterhin DDR-Produkte verkaufen, die heutzutage von einigen mittelständischen und Familienunternehmen im ostdeutschen Raum nachproduziert werden. Deshalb geht es beim aktuellen Räumungsverkauf außer bei Lebensmitteln auch nur um 15 Prozent im Preis herunter: „Die Ware ist viel zu gut und viel zu selten, als dass wir sie verramschen würden“, so Lay.

Geschäftsaufgabe in der Innenstadt: Die Chance auf Schnäppchen.

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Zur letzten Ladenöffnung am Montag erwartet sie noch mal einen Ansturm – danach wird ausgeräumt. Im hinteren Caféteil renoviert Hölzel gerade. Die hölzerne Schauvitrine stellen die beiden in ihre neue Wohnung. Die handgefertigten Echtholz-Regale und den Präsentationstisch mit den gedrechselten Beinen verkaufen sie mit Nachlass an Interessenten.

„Ich würde diese Kombination aus DDR-Artikeln und Café auch anderen empfehlen“, sagt Bärbel Lay trotz der eigenen Niederlage: „Aber nicht zu solchen Mietpreisen – die bringen die Händler um. Die Stadt tut nichts, um sie zu unterstützen.“ Die Miete war es auch, die sie nach anfänglicher Begeisterung von einem freien Café in Dierhagen wieder Abstand nehmen ließen, nachdem sie sich schon die Einrichtung rausgesucht hatten. Doch dann rechneten sie alles durch, wohl wissend, dass es an der Ostseeküste fast nur ein Sommergeschäft gibt, dessen Ertrag dann für das gesamte Jahr reichen muss. „Mit dem, was die Vermieter verlangten, schien uns das dann doch nicht machbar“, gibt Lay zu.

MAZ

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