Überfall auf schlafende Familie in Potsdam: Gericht setzt Strafe herunter
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Die Verhandlung fand vor dem Landgericht Potsdam statt.
© Quelle: Julius Frick
Potsdam. Kein Urteil dieser Welt kann den Schrecken wieder gut machen, den im Sommer 2017 eine Familie mit drei Kindern in ihrem Zuhause erleben musste, weil drei junge Männer von der Gier aufs große Geld angetrieben wurden. Nun ist in dem Fall, der das Landgericht Potsdam bereits 2018/19 beschäftigt hatte, ein zweites Urteil gesprochen worden – und dieses fällt um einiges milder aus als das erste.
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Dennoch müssen sich Jorge H. (26) und John R. (29) auf einen erneuten Aufenthalt hinter Gittern einstellen. Die beiden gelten als Haupttäter des Überfalls auf die schlafende Familie. Die Berliner waren in der Nacht auf den 25. Juli 2017 in die Villa am Jungfernsee eingebrochen und brutal auf die Familie losgegangen: Während Jorge H. den Familienvater mit dem Messer in Schach hielt, stachelte er John R. an, Geld einzutreiben – dieser schlug und trat daraufhin die Mutter und verletzte sie schwer. Um den Druck zu erhöhen, nahm er die älteste, damals elfjährige Tochter in den Schwitzkasten, würgte sie, trat ihr in den Rücken, riss an ihren Haaren und sperrte sie ins Bad. Erst, als der Mutter die Flucht gelang, hatte der Schrecken ein Ende.
Verurteilte hatten Revision beim BGH gegen Potsdamer Urteil eingelegt
Das Landgericht hatte über die beiden Haupttäter hohe Freiheitsstrafen von neuneinhalb und achteinhalb Jahren verhängt. Der Drahtzieher des Überfalls kassierte fünf Jahre. Ein vierter junger Mann, der zwar am Tatort war, sich am Überfall aber nicht beteiligt und noch versucht hatte, die anderen davon abzuhalten, wurde freigesprochen. Die drei Verurteilten hatten Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) beantragt. Dieser verwarf die Revision des Drahtziehers als unbegründet, hob aber das Urteil gegen Jorge H. und John R. wegen eines Rechtsfehlers auf: Die zwei hatten bereits bei der Polizei und später auch vor Gericht Geständnisse abgelegt, die halfen, den Drahtzieher dingfest zu machen. Der BGH kritisierte, das Landgericht hätte diese Aufklärungshilfe anerkennen und den Strafrahmen verschieben – tiefer ansetzen – müssen.
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Das ist nun geschehen. Die 1. Große Jugendkammer verurteilte Jorge H. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten und John R. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und gefährlicher Körperverletzung zu sechs Jahren. Von den verhängten Strafen hat die Kammer wegen der langen Verfahrensdauer jeweils zwei Monate für vollstreckt erklärt.
Potsdamer Opfer betonten, dass sie nicht auf Höchststrafe bestehen
Mit dem verhängten Strafmaß bleibt die Kammer unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die für Jorge H. sieben Jahre und vier Monate, für John R. sechs Jahre und vier Monate beantragt hatte. Die Verteidiger hatten für eine milde Bestrafung plädiert, ohne diese aber zu beziffern. Die Nebenklage hatte keinen eigenen Strafantrag gestellt. Schon im Prozess 2018/19 hatten die Eheleute betont, sie seien nicht die Menschen, die eine hohe Strafe möchten – ihr größter Wunsch sei es, dass die Angeklagten „so etwas nie wieder machen“. – Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es kann erneut Revision eingelegt werden.
Von Nadine Fabian