Protest gegen Wiederaufbau der Garnisonkirche
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Personalienkontrolle mit Handschellen: Die Polizei geht rigoros gegen die Demonstranten vor.
© Quelle: Ildiko Röd
Potsdam. Am Mittwochmorgen versammelten sich einige Gegner des Wiederaufbaus der Garnisonkirche an der Baustelle in der Breiten Straße. Es wurden Choräle gesungen und musiziert. Hinter der Aktion steckte die Aktionsgruppe "Lebenslaute" – ihr Motto: "Klassische Musik – politische Aktion".
Für ihren Protest hatten sie sich einen geschichtsträchtigen Tag ausgesucht: Heute vor 85 Jahren fand der sogenannte „Tag von Potsdam“ statt.
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Demo an der Baustelle an der Breite Straße
© Quelle: Ildiko Röd
Mit einem Plakat demonstrierten sie gegen den Wiederaufbau der Kirche. Die Aktivisten versperrten die Zufahrt zum Gelände. Gegenüber der MAZ sagten sie, dass sie zum „zivilen Ungehorsam“ aufrufen.
Mit anderen Worten: Freiwillig wollten sie den Ort nicht verlassen. Als zwei Lkw die Zufahrt versperrt wurde, rückte die Polizei an. Rund zehn Beamte waren vor Ort. Bei der Kontrolle der Personalien kam es zu einigen Rangeleien.
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Am Rand der Demonstration.
© Quelle: Ildiko Röd
Von den 14 Demonstranten widersetzte sich einer der Polizei ganz besonders. Er wollte den Beamten seine Personalen vorenthalten und wurde deshalb kurzzeitig mit Handschellen gefesselt. Das bestätigte die Polizei am Mittwochnachmittag.
Demonstration am Hauptbahnhof fortgesetzt
Wenig später setzte ein Teil der Demonstranten den Protest am Hauptbahnhof fort, wie die Polizei mitteilte. Acht Personen wollten ihre Plakate in den Einkaufspasagen aufhängen und dort weitermuszieren.
Auf das Hausverbot vom Wachschutz der Bahnhofspassagen reagierten sie nicht. Erst als die Polizei eintraf, verließen sie das Gebäude und erhielten eine weitere Anzeige wegen Hausfriedensbruchs.
» Weitere Informationen folgen.
Der „Tag von Potsdam“
Am 21. März 1933 kam der rund zwei Wochen zuvor neu gewählte Reichstag hinsichtlich der Eröffnung zu einem Festgottesdienst in der Garnisonkirche an der Breiten Straße zusammen.
Der nationalsozialistische Propagandaminister Joseph Goebbels hatte - in Abstimmung mit dem neuen Reichskanzler Adolf Hitler - die Inszenierung für den „Tag der nationalen Erhebung“ in Potsdam genau festgelegt. Er sollte als „Tag von Potsdam“ in die Geschichte eingehen - und die Regierung Hitler in den Augen der Öffentlichkeit zusätzlich legitimieren.
Diesem Ziel diente an diesem 21. März 1933 vor allem der demonstrative Händedruck zwischen dem damals erst 43-jährigen Hitler und dem mit 85 Jahren greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg auf den Stufen der barocken Hof- und Garnisonkirche. Er sollte das neu eingegangene Bündnis zwischen altem Preußentum und Nationalsozialismus symbolisieren. Während Hindenburg seine Generalfeldmarschallsuniform trug, erschien Hitler betont bürgerlich in Gehrock und Zylinder.
Multimedia-Story
Zehntausende jubelnde Menschen säumten die Straßen, durch die die Reichstagsabgeordneten von den Gottesdiensten in der katholischen Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul und der evangelischen Nikolaikirche zur Garnisonkirche zogen. Millionen von Postkarten, Sonderbriefmarken sowie Zwei- und Fünfmarkstücken zeigten die Geste und das Gotteshaus und verbreiteten das Bild in der Bevölkerung. Am Tag selbst übertrug der Rundfunk den Staatsakt live.
Nur zwei Tage nach dem „Tag von Potsdam“, am 23. März 1933, verabschiedete der in der Berliner Krolloper versammelte Reichstag das sogenannte Ermächtigungsgesetz, das die Regierung von verfassungsmäßigen Bindungen und parlamentarischer Kontrolle befreite.
Von MAZonline/ Ronald Bahlburg