Über die Transparenz bei Bauvorhaben in Potsdam
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Der Potsdamer Baubeigeordnete Bernd Rubelt.
© Quelle: Friedrich Bungert
Potsdam. . Herr Rubelt, immer wieder wird Kritik laut, dass Bürger bei Bauprojekten vor vollendete Tatsachen gestellt werden und alles nur hinter verschlossenen Türen entschieden wird. Insbesondere die Bürgerinitiative „Mitteschön“ übt scharfe Kritik, zuletzt an dem geplanten Hotel in der Speicherstadt. Warum wird hier nicht die viel gepriesene Transparenz geübt?
Bernd Rubelt: Die Nicht-Öffentlichkeit bei Wettbewerbsverfahren schützt die Jury und die Architekten. Aber es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass mit der Juryentscheidung alles definiert wird. Die Öffentlichkeit wird je nach Verfahrensart an der Erarbeitung der Rahmenbedingungen oder an dem Ergebnis beteiligt. Was das Hotel in der Speicherstadt an der Langen Brücke angeht: Meiner Ansicht nach ist es ein ausnehmend kluger und guter Entwurf. Er liefert eine sehr gute Lösung für die komplizierten topografisch-städtebaulichen Verhältnisse an diesem Ort. Immerhin fällt das Gelände mehrere Meter ab. Das zu berücksichtigen und dann auch noch ein Hotel mit Spielcasino dort zu situieren, war schon eine planerische Herausforderung. Die Pauschalkritik von "Mitteschön" kann ich nicht teilen.
Warum ist es aus Ihrer Sicht eine „Pauschalkritik“?
Für das Projekt spielen viele Faktoren eine Rolle. Das Ergebnis ausschließlich auf Grund einer einzigen veröffentlichten Visualisierung zu bewerten, greift deutlich zu kurz und wird dem Planungsprozess nicht gerecht.
Aber Tatsache ist: Viele Menschen fühlen sich von Entwicklungen „überfahren“ und haben das Gefühl, dass man ohnehin nichts machen kann.
Das stimmt nicht: Wir müssen Architektur nach einem Wettbewerb - etwa beim Hotel an der Speicherstadt - einem kritischen Prozess unterziehen und dann die Antworten z.B. auf Materialität, und Barrierefreiheit geben. Das heißt, es endet nicht mit diesem Entwurf. Und es stimmt nicht, dass die Öffentlichkeit nicht einbezogen wird. Es gibt B-Pläne, die öffentlich ausgelegt werden. Jeder kann sich die anschauen - da ist gar nichts geheim oder im stillen Hinterzimmer.
Aber das ist doch Verwaltungsdenken, wenn man sagt: Liebe Bürger, ihr hattet ja alle Möglichkeiten, Euch das im Vorfeld anzuschauen. In der Theorie klingt das gut, aber wie ist es in der Praxis? Denn: Wie viele Normalbürger machen sich auf den Weg in irgendein Rathaus-Büro, um sich durch ganz viel Papier mit kompliziertem Inhalt durchzukämpfen?
Hier gilt es zu unterscheiden zwischen den verschiedenen Verfahren. Bei privaten Bauvorhaben bildet der Bebauungsplan den Rahmen für die baulichen und gestalterischen Möglichkeiten. Also ist vor allem in diesem Verfahren die Öffentlichkeit beteiligt und gefordert. Anders verhält es sich bei Projekten der Stadt wie aktuell etwa beim Block III in der Mitte. In diesem Verfahren beteiligen wir die Öffentlichkeit sehr umfänglich in allen Stadien der Planung bis hin zur sehr transparenten Juryarbeit.
Zurück zum Speicherstadt-Hotel. Da handelt es sich um einen privaten Bauherrn. Inwieweit kann da eine Entscheidung durch Bürgerwillen überhaupt noch beeinflussen?
Da B-Plan und städtebaulicher Vertrag beschlossen sind, kann jetzt nur noch auf dieser Grundlage im Dialog Einfluss genommen werden. Dabei ist es wichtig, Vertrauen zu schaffen - auch bei Bauherren. Wenn der Speicherstadt-Investor von „Mitteschön“ Aussagen hört wie „Das ist ein Klotz, das will ich nicht!“, dann sage ich: So etwas braucht kein Bauherr, es geht um Baukultur und nicht um Geschmackspolizei!
Für zahlreiche Potsdamer ist auch das geplante Hotelprojekt am Hauptbahnhof ein Dorn im Auge. Die alte Wagenhalle, wo jetzt das Sexkino und der Döner-Imbiss drin sind, soll mit mehrere Etagen überbaut werden - vielen Stadtverordneten geht der Entwurf aber zu weit.
Am Dienstag werden wir noch mal im Bauausschuss über das Projekt beraten, allerdings nicht-öffentlich. Der Projektträger wir das noch einmal vorstellen, dann können die Ausschussmitglieder entscheiden. Der Investor argumentiert so, dass er die ganze Fläche braucht, um dort Hotelzimmer unterzubringen und den Bau damit rentabel zu machen. Die von den Stadtverordneten angemahnte Reduktion um ein Stockwerk würde das Ganze unrentabel machen aus Sicht des Investors. Was für mich eine Rolle spielt: Durch die Überbauung würde auch der derzeit existierende Höhenunterschied zwischen dem Bahnhof und dem Semmelhaack-Viertel einerseits und der ehemaligen Wagenhalle andererseits ausgeglichen.
Können Sie die Kritik gar nicht nachvollziehen?
Doch. Aber dann muss man klar und deutlich sagen, dass man an dieser Stelle kein Hotel will. Dann müsste die Stadt in die Bütt und die Wagenhalle denkmalgerecht sanieren und entwickeln hegen und pflegen – das halte ich aus Kostengründen aber für ausgeschlossen.
Wie geht es eigentlich auf der Brache zwischen Kunsthaus „sans titre“und Hauptpost weiter, die der Großinvestor Nicolas Berggruen verkauft hat. Wie man hört, ist dort auch ein Hotel geplant. Allerdings befürchtet „Mitteschön“ hier ebenfalls, dass Fakten geschaffen werden, die dann nicht mehr umkehrbar sind.
Das Grundstück gehört nun einer Münchner Firma, die dort in ein Hotel und ein Wohngebäude investieren will. Die Investoren haben auf der Grundlage des B-Plans, der eine Mischnutzung vorsieht, Entwurfe eingereicht, die sie auch im Gestaltungsrat vorgelegt haben. Das erfolgt auf freiwilliger Basis. Wir haben dann im Gestaltungsrat darüber beraten und es gibt eine sehr gute Entwicklung.
Was meinen Sie damit?
Wir haben zum Beispiel sehr intensiv über die Fassade diskutiert. Es gibt nun eine Vereinbarung, dass bestimmte Dinge angepasst werden - es war ein sehr konstruktiver Dialog. Der Bauherr hat mir signalisiert, dass er sich über eine öffentliche Präsentation Gedanken macht. Am 25. Mai wird der Gestaltungsrat erstmals wieder öffentlich tagen, dann können wir das diskutieren. So ist für mich ein guter Umgang möglich. Ich würde mir wünschen, dass mehr private Bauherren diese Offenheit an den Tag legen.
Der Gestaltungsrat ist ein beratendes Gremium für Bauherren, die ihre Projekte dort vorstellen können, aber nicht müssen. In den letzten Monaten tagte er nicht-öffentlich, nachdem er lange öffentlich zugänglich gewesen war. Die Abschottung sorgte für Kritik in der interessierten Öffentlichkeit. Gibt es deshalb nun die Kehrtwende hin zur öffentlichen Sitzung?
Der Gestaltungsrat ist per Stadtverordnetenbeschluss nicht-öffentlich.
Wenn „Mitteschön“ und andere das kritisieren, dann sollten sie meinen Handlungsspielraum sehen. Ich kann und werde das nicht befehlen.
Öffentlichkeit setzt Vertrauen in die Diskussionskultur voraus. Und dieses Vertrauen muss erst noch wachsen. Vor diesem Hintergrund habe ich mit dem neu besetzten Gestaltungsrat die Verabredung getroffen, dass der Gestaltungsrat mindestens zweimal jährlich öffentlich tagt. Die zweite öffentliche Sitzung findet voraussichtlich am 19. Oktober statt.
In manchen Städten müssen Bauherren ihre Projekte verpflichtend im Gestaltungsrat vorstellen. Würden Sie sich auch für Potsdam wünschen, dass die Teilnahme nicht mehr nur freiwillig ist?
Von einer Pflicht halte ich nicht allzu viel. Wenn wir die Verfahren wieder zu stark formalisieren würden, dann leisten wir der Baukultur keinen guten Dienst. Im Übrigen haben wir als Stadt alle rechtlichen und planerischen Möglichkeiten entsprechend Einfluss zu nehmen. Das ist dann allerdings nicht zum „Nulltarif“ zu haben.
Was meinen Sie mit „Nulltarif“? Und: Was spricht eigentlich dagegen, dass die Sitzungen im Gestaltungsrat wieder öffentlich werden?
Wenn die Stadt über Planungs- und Wettbewerbsverfahren stärker als bisher die bauliche Gestalt von privaten und öffentlichen Bauvorhaben beeinflussen will, dann sind mehr personelle und finanzielle Ressourcen gefordert, die derzeit nicht zur Verfügung stehen - ich gebe nur das Stichwort „Prioritätenliste Bauleitplanverfahren“. Zur Nichtöffentlichkeit der Sitzungen gibt es einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung - die Geschäftsordnung des Gestaltungsrates – und natürlich die Mitwirkungsbereitschaft der jeweiligen Bauherrn.
Zur Person
Bernd Rubelt
ist 1968 geboren, parteilos und verheiratet.
Neben einer Berufsausbildung
zum Stahlbauschlosser hat er auch einen Abschluss als Diplom-Ingenieur (FH) Architektur.
Seine Diplomarbeit
hat er über die „Bahnstadt Bottrop“ und die Entwicklung von Bahnhofsumfeldern geschrieben.
Er arbeitete
als Stadtplaner unter anderem in Erlangen und Bad Salzuflen.
Von März 2011
bis Mai 2017 war er Fachbereichsleiter Bauen der Verwaltungsgemeinschaft Eutin-Süsel.
Von Ildiko Röd