Bürgerinitiative gegen Mülldeponie
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Caroline von Wolff engagiert sich in der Bürgerinitiative „Schutz gegen Schutt“ gegen eine Mülldeponie in Luggendorf.
© Quelle: Fariba Nilchian
Groß Pankow. Wenn man durch Groß Pankow fährt, fallen die zahlreichen Protestbanner sofort ins Auge. „Gegen die Deponie“ kann man an vielen Häusern lesen und „Schutz statt Schutt“. In dem 530-Einwohner-Dorf empören sich viele Menschen, das ist nicht zu übersehen. Stein des Anstoßes sind die Pläne für eine Mülldeponie, die drei Kilometer entfernt in der ehemaligen Kiesgrube im Gemeindeteil Luggendorf entstehen soll. Als die Bürgerinitiative „Schutz statt Schutt“ im Jahr 2016 zu einer Unterschriftensammlung gegen die Deponiepläne aufrief, kamen in weniger als zwei Wochen 880 Unterschriften zusammen.
Sprecherin der Bürgerinitiative ist die 56-jährige Caroline von Wolff. Vor 25 Jahren ist sie mit ihrer Familie von Südafrika in die Prignitz gekommen und hat mit ihrem Mann am Aufbau der Augenklinik in Groß Pankow mitarbeitet. Das Paar hat sich in einem kleinen Dorf in der Gemeinde Groß Pankow niedergelassen, nur einen Steinwurf von der Klinik entfernt. Sie ist die Geschäftsführerin des Gästehauses, ihr Mann ist einer der zwei leitendenden Ärzte der Klinik. Politisch engagiert waren die von Wolffs schon in der Vergangenheit. „Zu den Bombodrom-Demos sind wir mit der ganzen Klinikbelegschaft gefahren“, erinnert sich Caroline von Wolff.
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Caroline von Wolff (l.) bei einer Besprechung der Bürgerinitiative .
© Quelle: Fariba Nilchian
Seit einigen Jahren engagiert sie sich auch gegen den weiteren Ausbau der Windkraft in der Prignitz. Anfangs stand sie der regenerativen Energiegewinnung wohlwollend gegenüber, sollte es doch zum Schutz der Umwelt sein. Inzwischen sieht sie den rasanten Ausbau kritisch und zieht Parallelen zur Müllverklappung in Brandenburg. „Es gibt einfach kein Mittelmaß, keinen goldenen Weg.“ Die Stimme der höflichen Frau wird geradezu zornig, als sie zum Thema Deponie kommt. „Der Müll ist ein Riesengeschäft und wir sind hier in Brandenburg ein Flächenland mit wenig Einwohnern. Da guckt keiner hin und wir haben dann den Sauhaufen. Aber da streike ich und geh auf die Barrikaden.“ 1,6 Millionen Tonnen illegal abgelagerter Müll sind in 2016 allein in der Zuständigkeit des Brandenburger Landesamtes für Umwelt verzeichnet worden. Dazu kommt der Müll, der in die Zuständigkeit des Bergbauamtes fällt und die vermutlich zahllosen unentdeckten Ablagerungsorte.
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Noch gibt es Zweifel, dass damals die Schadstoffe rechtmäßig entsorgt wurden.
© Quelle: Fariba Nilchian
So wie früher in Luggendorf, wo der ehemalige Betreiber „Schmidt Kieswerke“ über Jahre belastete Materialien illegal in der leergeräumten Kiesgrube vergraben hatte. 2007 wurden erstmals „bergbaufremde Materialien“ gefunden. Die Ermittlungen zogen sich über Jahre und das Landeskriminalamt wurde eingeschaltet. 2010 und 2012 führten zwei anonyme Hinweise zu belasteten Baumaterialien, die bis zu sieben Meter tief vergraben lagen. Asbestplatten, Lacke, Holzschutzmittel, Styropor und anderes wurden gefunden, nachdem sie schon über Jahre ihre Schadstoffe ins Erdreich entlassen hatten.
Die Firma PS Kieswerke mit Sitz in Perleberg hat die Grube 2010 mit allen Rechten und Pflichten erworben. Sie sind verpflichtet, den mit Schadstoffen belasteten Müll fachgerecht zu entsorgen. Caroline von Wolff bezweifelt die vollständige Entsorgung. Sie hat die Akten gründlich studiert, hunderte von Seiten trockenster Lektüre. Hat sich wider Willen zur Fachfrau in Sachen Mülldeponie gemacht – um der guten Sache willen. Von den 300 Tonnen Asbestplatten, die aus der Grube hätten entsorgt werden müssen, fand sie in den Wiegeprotokollen nur 37 Tonnen, also etwa 15 Prozent des Sondermülls. Eine Antwort auf den Verbleib der restlichen 85 Prozent hat sie auf ihre kritischen Nachfragen bis heute nicht bekommen.
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Protestbanner gegen die Deponie.
© Quelle: Fariba Nilchian
An ihrem Arbeitsplatz, einem kleinen Büro im Gästehaus der Augenklinik, sammelt von Wolff die Unterlagen zu der geplanten Deponie. Seit Dezember 2015 sind einige Ordner zusammen gekommen. Allein 500 Seiten vom Landesbergbauamt, unzählige Stellungnahmen und Eingaben, aber auch Kunstarbeiten von Grundschülern aus Groß Pankow. „Schütz unsere Natur“ schreiben die Kinder auf ihre Collagen, auf denen durchgestrichene Laster und Müllberge zu sehen sind. Die Besorgnis scheint sich durch alle Altersschichten der Gemeinde zu ziehen. Aber was ist so bedrohlich an einer offiziell genehmigten Bauschuttdeponie?
Die aktuellen Betreiber haben auf dem Gelände eine oberirdische Deponie für „nicht gefährliche Abfälle“ der Schadstoffklasse 1 beantragt, für „Bauschutt mit sehr geringer Schadstofffreisetzung“. Doch die Anwohner zweifeln, ob die Summe der Emissionen wirklich gering bleibt, wenn jährlich 50 000 Tonnen dieses Materials in die ehemalige Kieskuhle gefahren werden? Sind die Altlasten wirklich komplett entsorgt worden, oder soll der Deckel jetzt nur zugemacht werden, um darauf ein neues Geschäftsmodell zu ermöglichen?
Von der L 189 kommend, würden die Laster zur Deponie nahezu den gesamten Ortskern durchqueren. Vorbei an Kindergarten, Schule und Wohnhäusern. „Die Menge macht das Gift“ sagt der Volksmund. Doch nicht nur die Schadstoffbelastung bereitet den Anwohnern Sorge, der Lkw-Verkehr soll werktags von 6.30 bis 18 Uhr zur Grube rollen, eventuell auch an Samstagen.
Robert Hahlweg ist in die Prignitz zurück gekommen. „Ich wollte meinen Kindern eine gesunde Jugend auf dem Land ermöglichen. Jetzt muss ich Angst haben, dass sie unter einen Lkw kommen, oder Asbeststaub einatmen.“ Der junge Mann hat sich mit Caroline von Wolff und einigen Mitstreitern in der Seifenmanufaktur von Bernadette und Meike Linden getroffen. Mutter und Tochter haben sich auf dem idyllischen Vier-Seiten-Hof eine Existenz aufgebaut – eine Lebensgrundlage, die sie durch eine Mülldeponie gefährdet sehen. Der Ferienbetrieb, den sie neben der Seifenherstellung betreiben, verträgt sich nicht mit dauerhaftem Lkw-Verkehr und einer Mülldeponie. „Der Tourismus soll doch in der Prignitz gefördert werden und dann wird so etwas geplant“, wundern sich die Frauen. Immer wieder diskutiert die Gruppe über die für sie rätselhafte Haltung ihrer Gemeindevertreter. Warum setzen diese die allgemein ablehnende Haltung nicht in ihren Entschlüssen um? Wie kann man als Bürgerinitiative besser Einfluss nehmen? „Das ist mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehbar“, sagt Kerstin Knitter. Ihr Haus ist nur 200 Meter von der Grube entfernt und würde durch eine Deponie massiv an Wert verlieren.
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Ein weiteres „Protest“-Bild der schüler.
© Quelle: Fariba Nilchian
Im Juni 2017 trafen die Gemeindevertreter Groß Pankows zu einer Sitzung zusammen, in der sie über eine Änderung des Flächennutzungsplanes und des Bebauungsplans zugunsten der Deponie entscheiden sollten. Doch bevor sie ihre Plätze einnehmen konnten, mussten sie vor der Tür der Gemeindevertretung durch ein Spalier von 75 Demonstranten gehen. Ein emotionaler Moment für die Gegner des Vorhabens, die trotz Regens so zahlreich gekommen waren. Die richtungsweisende Entscheidung endete an diesem Tag enttäuschend für die Kritiker. Mit zehn Ja- und drei Nein-Stimmen wurde die Änderung von den Gemeindevertretern positiv verabschiedet. Man wolle sich durch einen einvernehmlich mit dem Betreiber erarbeiteten Flächennutzungs- und Bebauungsplan Einfluss auf das Vorhaben sichern, so die Begründung des Bürgermeisters Marco Radloff. Wenn eine Genehmigung nach Bundesimmissionsschutzgesetz erfolge, hätte man dazu keine Möglichkeiten mehr.
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Um dieses Gelände geht es.
© Quelle: Fariba Nilchian
Die PS Kieswerke haben inzwischen Fakten geschaffen, die Betreiber der Kiesgrube sind aus der Vereinbarung mit der Gemeinde Groß Pankow ausgestiegen. Es wird keine Änderung des Flächennutzungsplanes geben. Das Planfeststellungsverfahren für die Mülldeponie wurde im Dezember 2017 beim Landesamt für Umwelt bereits eröffnet. Das Land Brandenburg sucht dringend nach neuen Deponieplätzen. Die Menschen in Groß Pankow werden weiter gegen die Deponie in Luggendorf kämpfen. Caroline von Wolff gibt die Hoffnung nicht auf: „Initiativen wie die gegen das Bombodrom oder die Kreisgebietsreform waren ja auch erfolgreich.“
Von Fariba Nilchian
MAZ