Fachkräfte in der Prignitz: Warum ein Gebäudereiniger aus Pritzwalk genug Mitarbeiter findet
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Beim Pritzwalker Industrie- und Gebäudeservice Blechschmidt gibt es seit 2019 eine digitale Arbeitszeiterfassung. Hier checkt sich gerade Andrea Tinius in den Feierabend. Sie gehört zum Team Treppenhausreinigung.
© Quelle: Matthias Anke
Pritzwalk. Es beginnt mit einem Wisch. Im Wischmopp-Raum. Andrea Tinius schwingt ihren Zeigefinger übers Handydisplay, hält es vor einen QR-Code. Das ist ihr Startknopf in den Arbeitstag: Ab jetzt beginnt die digitale Arbeitszeiterfassung für die Gebäudereinigerin.
Der Pritzwalker Gebäudereinigungsdienst arbeitet bereits seit einigen Jahren mit diesem System. „Wenn ich mir überlege, wie viele Zettel wir nicht mehr ausfüllen müssen, ist das schon toll“, erzählt die blonde Frau. Sie gehört zum Team Treppenhausreinigung. Für diesen Bereich und für viele weitere gibt es eigene QR-Codes.
Digitale Arbeitszeiterfassung beim Pritzwalker Gebäudereiniger
„Das schützt vor Manipulation: Meine Leute und auch mich selbst“, sagt ihr Chef Mike Blechschmidt. „Die Leute müssen ihre Stunden bezahlt bekommen, die sie arbeiten.“ Deshalb fordert er eine solche digitale Zeiterfassung auch von Mitbewerbern und anderen Branchen.
Transparenz sei enorm wichtig – nicht nur für die Angestellten. „Unsere Kunden bekommen detaillierte Abrechnungen. Sie erfahren, wie lange wirklich gearbeitet wurde“, berichtet er.
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Mike Blechschmidt, Chef des Pritzwalker Industrie- und Gebäudeservice, steht für eine gerechte Bezahlung von Arbeitskräften. Die digitale Zeiterfassung gehört für ihn dazu.
© Quelle: Matthias Anke
Es sei eben ein Unterschied, ob eine Arbeitskraft nur 200 Quadratmeter in der Stunde schafft, aber auf der Rechnung 600 Quadratmeter stehen, weil sie die Zeit darüber hinaus umsonst im Einsatz war – in unbezahlten, weil nicht registrierten Überstunden.
Pritzwalker Unternehmer kritisiert schwarze Schafe
Kein Wunder, behauptet Blechschmidt, dass beispielsweise bei den europaweiten Ausschreibungen der Kommunen aus der Region mitunter Firmen aus allen Himmelsrichtungen von weit her zu günstigen Preisen zum Einsatz kommen – auf dem Rücken ihrer Leute. „Dabei sollte die öffentliche Hand, sollten die Kommunen Vorreiter sein, was das angeht“, gibt Blechschmidt zu bedenken: „Was da am Ende wirklich gearbeitet wurde, das muss besser überprüfbar sein.“
Der Unternehmer holt noch weiter aus: „Wenn alle ehrlich ins Steuersystem einzahlen würden, hätten wir alle auf der anderen Seite garantiert auch andere Entlastungen.“ Die Digitalisierung biete da Möglichkeiten. „Man kann also nicht immer nur die Datenschutzkeule schwingen. Die digitale Erfassung ist einfach eine Frage des Wollens, nicht des Könnens.“
Vermutlich seien zwar auch hierbei nicht alle Manipulationswege zu verhindern. „Aber so leicht ist das eben nicht mehr. Hinter den Codes verbirgt sich ja auch eine Geo-Codierung.“ Einfach den Zettel kopieren und von zu Hause aus den Dienst ein- oder auschecken: keine Chance.
Vielseitiger Einsatz statt nur Gebäudereinigung rund um Pritzwalk
In jedem der – über den Daumen gepeilt – 600 Objekte, die Blechschmidts Firma an 60 bis 70 Orten in der Prignitz und drumherum betreut, findet sich ein solcher Code. „Wir haben das System 2019 eingeführt. Das kostet natürlich Geld“, sagt der Unternehmer. Doch das sei es ihm wert. Auch im Hinblick auf die Zufriedenheit seiner Beschäftigten.
Insgesamt sind rund 180 Leute bei der „Induka Group“ beschäftigt. Die besteht zum Großteil aus dem Industrie- und Gebäudeservice. Es werden nach Firmenangaben „komplexe Dienstleistungen rund um die Reinigung von Industriegebäuden und -anlagen, die Glas- und Unterhaltsreinigung, Hausmeister- und Grünanlagenservice, die Fassadenreinigung sowie Graffiti-Entfernung erledigt“ – bis hin zum Winterdienst auf rund 300 Kilometern Straße.
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Und es ist der „Induka-Service“ als solcher. Dabei geht es um die „Reinigung, Untersuchung und Sanierung von Abwasser- und Regenwasserleitungen sowie die Reinigung von Industrieanlagen“.
In einem solchen Unternehmen gibt es stets Fluktuation. „Wir sind mittlerweile über 30 Jahre im Geschäft. Neue Leute suchen wir immer.“ Die zu finden, sei für Blechschmidt aber kein Problem, behauptet er. Die laut seiner Einschätzung „gerechte Bezahlung“ auch aufgrund der neuen Zeiterfassung sei dabei nur das eine. Oder die Tatsache, dass seit vorigem Oktober der Mindestlohn nicht nur angehoben wurde auf die gesetzlichen zwölf Euro, sondern dass es mit 13 Euro einen Euro mehr gibt in seiner Branche.
„Das ist nicht unwesentlich und ja auch mehr als gerechtfertigt angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten. Und wir wollen ja auch attraktiver sein als der gesetzliche Mindestlohn“, sagt der Gebäudereiniger, der zwar „jeder Arbeitskraft gerne noch mehr geben würde, aber auch das müsste ja erstmal einer bezahlen“.
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Staubsauger und Staubsaugerschläuche in Massen: Beim Pritzwalker Industrie- und Gebäudeservice Blechschmidt ist alles stets vorrätig und griffbereit.
© Quelle: Matthias Anke
Ohnehin würde ein noch höherer Mindestlohn die Lohn-Preisspirale weiter ankurbeln. Blechschmidt fordert deshalb: „Wir müssen von den Lebenshaltungskosten runter.“
Was es bei Blechschmidt gibt, sind Leistungszuschläge. „Die Dauer der Betriebszugehörigkeit allein ist doch keine Motivation“, sagt er mit kritischem Blick etwa auf die Staffelungen im öffentlichen Dienst.
Viel wesentlicher, um die Belegschaft zu halten und neue Leute zu finden, sei neben dem Lohn zudem das Klima in der Firma. Dazu gehören Feste, die alle fünf Jahre gefeiert werden. Zuletzt engagierte Blechschmidt zum 30-jährigen Bestehen ein Andreas-Gabalier-Double für eine unvergessliche Party.
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Mike Blechschmidt, Chef des Pritzwalker Industrie- und Gebäudeservice, steht für eine gerechte Bezahlung von Arbeitskräften. Die digitale Zeiterfassung gehört für ihn dazu.
© Quelle: Matthias Anke
„Es sind aber eben auch die Ehrlichkeit und Transparenz, die sich herumsprechen.“ Per Mundpropaganda verbreite sich zudem, wie abwechslungsreich die Tätigkeiten sind. „Die Frau mit Wischmob oder der Mann als Fensterputzer sind alte Klischees“, sagt Blechschmidt.
Mehr Beachtung für Angestellte wie in Pritzwalk wünschenswert
Er bricht eine Lanze für seine Branche und wirbt für mehr Beachtung: Anstatt die Reinigungskraft als störend zu empfinden und ihre Einsätze weit vor oder nach Bürodienstzeiten zu verlegen, ließen sie sich doch auch „einfach mal mittendrin“ einfügen. Das verschaffe Anerkennung füreinander. Menschen lernen sich kennen. „Das ist dann nicht einfach mehr nur ,die Putze’, die da aufkreuzt. Man sieht, wer das da ist, der meinen Dreck wegfegt“, appelliert er Richtung Auftraggeber.
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Mütter von Kindern, die bisher nicht frühmorgens oder spätabends bei Blechschmidt arbeiten können, könne er mittels Tageseinsätzen „wieder in den Arbeitsmarkt reinholen“. Zudem hätten vor allem die Frauen nicht mehr länger Unsicherheitsgefühle wie bisher in der Dunkelheit.
Für Andrea Tinuis endet die Schicht an diesem Tag ausnahmsweise noch in der Helligkeit. Mit einem weiteren Wisch übers Handydisplay.
MAZ