Streit um ein Bett für den krebskranken Maurice
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Seit dem Sommer liegt der 14-jährige Maurice Wegner im Koma. Seine Eltern Katrin und Maik pflegen ihn zu Hause.
© Quelle: Christian Zielke
Mittenwalde. Hoffnung und Kampf haben den Alltag von Familie Wegner in den letzten Jahren bestimmt. 2016 stellten die Ärzte bei dem damals zwölfjährigen Sohn Maurice einen aggressiven Hirntumor fest. Ärzte gaben dem Jungen maximal noch ein Jahr.
Seit dem Sommer im Koma
Maurices Eltern Katrin und Maik wollten die Prognose nicht wahrhaben. Sie suchten auf der ganzen Welt nach Spezialisten und Medikamenten, die ihren Sohn retten. Zunächst schien der Kampf erfolgreich zu sein. Bis zu diesem Sommer. Die Medikamente, die den Tumor zunächst bekämpfen konnten, schlugen nicht mehr an. Maurice fiel ins Koma, aus dem er bis heute nicht erwacht ist.
Ärzte boten an, Ernährung und Beatmung einzustellen
„Die Ärzte in der Charité haben uns angeboten, die Ernährung einzustellen und den Beatmungsschlauch zu ziehen“, sagt sein Vater Maik. Weil die Mediziner ihren Sohn aufgegeben haben, holten die Wegners Maurice zu sich nach Hause. Anfang des Jahres zog die Familie von Mahlow nach Mittenwalde. Seit vier Monaten kümmern sich die Eltern rund um die Uhr um ihren Sohn. Mutter Katrin, die ausgebildete Krankenschwester ist, verabreicht mit einer Sonde Babynahrung, Vater Maik sucht nach neuen Behandlungsmethoden, liest Studien und telefoniert mit Ärzten.
Streit um Spezialbett
Als wäre die derzeitige Situation nicht schon schlimm genug, hat die Familie Streit mit der Krankenkasse. Es geht um ein Krankenbett für Maurice und eine medizinische Behandlung. Die Wegners hatten bei der Handelskrankenkasse (HKK) ein neues Pflegebett mit verstellbarem Kopf- und Fußteil beantragt, damit Maurice den Spezial-Rollstuhl benutzen kann, den die HKK anstandslos zur Verfügung gestellt hatte. „Würde man ihn aus der Liegeposition direkt in den Rollstuhl setzen, besteht die Gefahr, dass der Kreislauf zusammenbricht“, sagt Maik Wegner. Mit dem verstellbaren Kopf- und Fußteil sollen Blut und Lymphflüssigkeit besser in die Beine gelangen.
Krankenkasse würde 700-Euro-Bett zahlen, 2000-Euro-Bett nicht
Ein neues Bett mit verstellbarem Kopf- und Fußteil für rund 700 Euro, das die HKK angeboten hatte, lehnten die Wegners ab, da es aus ihrer Sicht nicht die nötigen Funktionen mitbringt, um Maurice zu mobilisieren. Die Familie beantragte ein anderes Bett für 2000 Euro, bei dem sich neben dem Kopf- und Fußteil auch die Seitenteile verstellen lassen. Dies lehnte die Krankenkasse Anfang Oktober ab.
HKK sieht bei teurerem Bett keine besseren Funktionen
Laut HKK bietet das teurere Bett keine besseren Funktionen. „Selbstverständlich kann die Familie das bereits zugesagte Bett erhalten oder eine ärztliche Versorgung einreichen, aus der die Notwendigkeit zusätzlicher Funktionsanforderungen hervorgeht, die das gewünschte Modell rechtfertigen“, teilt Holm Ay, der Sprecher der HKK mit. Maik Wegner ist wütend: „Die Krankenkasse sollte sich schämen, einem schwerkranken Kind ein vernünftiges Bett zu verweigern.“ Er selbst habe angeboten, die Differenz für das teurere Bett zu zahlen.
Chronik eines Kampfes
Im September 2016 stellten Ärzte bei dem heute 14-jährigen Maurice Wegner einen Tumor zwischen Stammhirn und Rückenmark fest. Das Schicksal der Familie bewegt die Menschen weit über Brandenburg hinaus. Mehr als 430 000 Euro wurdeb für eine Behandlung gespendet. 192 000 Euro kamen von der Volker-Reitz-Stiftung, die Polizeiangehörige unterstützt. Maurices Vater Maik ist Polizist, zur Zeit aber freigestellt. Maurices Vater Maik reiste nach in viele Städte in Deutschland, nach Thailand, Indien, China, die USA und weitere Länder und suchte in mehr als 100 Krankenhäusern und über 1000 Apotheken nach einer Behandlung. Immer wieder scheiterte die Behandlung daran, dass Maurice ein Kind ist. Viele Krebsmedikamente, die helfen könnten, sind bislang nur für Erwachsene zugelassen. Ärzte und Medikamentenhersteller haben sich immer wieder geweigert, den 14-Jährigen zu behandeln. Bis Dezember 2017 verbesserte sich durch die Behandlung mit einem Malariamedikament und einem Blutzuckersenker Maurices Zustand. Er konnte wieder zur Schule gehen. Als die Wirkung nachließ, ging es ihm schlechter. Anfang Juni fiel er ins Koma.
Experimentelle Therapie
Dass sich Maurices Zustand seit dem Sommer nicht verschlechtert hat, führt Maik Wegner auf ein neues Medikament zurück. Seit mehreren Wochen bekommt er von einem Arzt aus Berlin jede Woche ein Mittel auf der Basis von Hühnergrippe-Viren verabreicht. Maik Wegner ist überzeugt, dass die sogenannte onkolytische Therapie anschlägt. In einem Reservoir an Maurices Kopf hätten sich abgestorbene Krebszellen gesammelt. „Wäre der Tumor weiter gewachsen, wäre Maurice schon tot“, ist sich der 50-Jährige sicher. Maurice kann wieder besser atmen, hat einen normalen Puls und reagiert, wenn man ihn anspricht.
Eltern zahlen Therapie selbst
Die Kosten von 500 Euro im Monat für die Behandlung, die beiden Eltern als eins der letzten Mittel scheint, um ihren Sohn zu retten, zahlt die Familie selbst. Die HKK lehnt eine Übernahme ab und verweist auf Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), der sich auf das bundesweite Kompetenzcentrum Onkologie beruft. Nach deren Einschätzung handle es sich bei der Virentherapie um ein experimentelles Verfahren, das bei einem Hirntumor nicht wirke. „Die Aussage der Eltern, dass diese Therapie bei Maurice gut angeschlagen hat, ist ein menschlich sehr verständlicher Ausdruck von Hoffnung, kann aber leider durch keine medizinische Untersuchung bestätigt werden“, sagt HKK-Sprecher Holm Ay. Bislang hat die HKK Behandlungskosten in Höhe von 250.000 Euro übernommen, davon 90.000 Euro für Therapien, die nicht dem allgemeinen medizinischen Stand entsprechen, aber eine gewisse Aussicht auf Heilung oder Besserung haben, die durch wissenschaftliche Studien belegt sind oder einen medizinisch belegten Nutzen haben.
Widerspruch gegen Ablehnung
Maik Wegner wirft der HKK vor, Medikamente auch dann noch bezahlt zu haben, als sie nicht mehr wirkten. „Wir haben Tabletten für mehrere Tausend Euro zu Hause“, sagt er. Die HKK sagte ihm, er solle sie einlagern. Maik Wegner versteht die Welt nicht: „Das Geld hätte man in ein Bett und eine Therapie stecken können, die wirklich helfen.“ Er hat Widerspruch gegen die Entscheidungen zu Bett und Virentherapie eingelegt. Seine Frau und er kämpfen weiter: „Wir wollen uns nicht vorwerfen, dass wir nicht alles für Maurice getan hätten.“
Von Christian Zielke
MAZ