„Die schlechteste Ernte seit der Wende“
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Reinhard Müller (l.) und Paul Nymbach sind in der Agrargenossenschaft Jüterbog für den Feldbau zuständig.
© Quelle: Victoria Barnack
Jüterbog. Immer wieder geht der Blick von Reinhard Müller gen Himmel. Der Feldbauleiter der Agrargenossenschaft Jüterbog (Teltow-Fläming) hofft auf Regen. Gerade einmal 15 Liter Niederschlag pro Quadratmeter hat die Wetterstation in der Flämingstadt im Mai gezählt.
„Wir sind inzwischen in der achten Woche ohne nennenswerten Niederschlag“, sagt Mario Schwanke. Er ist Vorsitzender der Agrargenossenschaft, die insgesamt 3200 Hektar Acker bewirtschaftet. Auf dem Großteil der Fläche stehen Druschfrüchte wie Gerste, Weizen, Roggen und Raps.
Hoffen, dass die Einbußen nicht zu groß sind
"Dürrephasen gibt es immer mal", sagt der erfahrene Landwirt, "aber doch nicht so lange am Stück wie jetzt." Schwanke und Müller hoffen, dass sie wenigstens 60 Prozent der normalen Menge ernten können. Schon in den nächsten Wochen soll damit begonnen werden. Noternte nennt sich das. Denn: "Unser Getreide ist noch gar nicht reif", sagt Schwanke. Und nur reife Früchte mit großem, vollem Korn bringen im Verkauf Geld oder machen die Kühe satt.
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Wunsch und Wirklichkeit liegen weit auseinander: Der Roggen rund um Jüterbog ist zu großen Teilen vertrocknet.
© Quelle: Paul Nymbach
Weil es in den vergangenen Wochen viel zu trocken war, standen die Pflanzen unter Stress. Dann werfen sie alle unnötigen Teile ab und die Körner erreichen nicht das Gewicht, das sich die Landwirte wünschen. „Die Pflanze ist bestrebt, sich selbst zu erhalten und nicht Ertrag zu bringen“, erklärt Reinhard Müller. Ohne Wasser bleiben die Ähren mickrig, aber die Pflanze überlebt.
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Eigentlich sollte der Roggen jetzt in Grün erstrahlen und die Ähren samt Körner ordentlich wachsen.
© Quelle: Paul Nymbach
Normalerweise regnet es in Jüterbog 48 Liter im Mai. „Damit kommen wir eigentlich gut hin“, sagt er. Elf Liter kamen in den vergangenen 30 Tagen zusammen, seit 1. Juni vier Liter, an Himmelfahrt waren es sieben. „Manche Stellen auf den Feldern haben gar nichts abbekommen“, sagt Müller.
Im Norden Brandenburgs haben die Bauern dasselbe Problem. „Wir hatten 14 Liter im Mai“, sagt Jan Milatz, der bei der Agrargenossenschaft Karstädt (Prignitz) für den Feldbau zuständig ist. „Wir erwarten die schlechteste Ernte, die wir seit der Wende je erlebt haben“, fasst er zusammen. Nur ein Drittel des Getreides eines normalen Jahres werde die Genossenschaft wohl einfahren können, schätzt Milatz. „Würde jetzt Regen kommen, wäre das für unser verbranntes Getreide sowieso zu spät.“
Prignitz: Nur ein Drittel der geplanten Ernte
Die Karstädter Genossenschaft überlegt deshalb, einen Antrag beim Landwirtschaftsministerium zu stellen. Das hatte den Bauern Anfang des Monats eine Ausnahme genehmigt: Ab Juli dürfen sie Flächen zur Beweidung und Futtergewinnung nutzen, die eigentlich stillgelegt werden müssen und dem Naturschutz vorzuhalten sind. So will es die EU.
„Auch auf unseren über 800 Hektar Grünland wächst zurzeit kaum etwas“, sagt Jan Milatz. Drei- bis viermal im Jahr mähen sie das Gras. Der zweite Schnitt musste komplett ausfallen, da er keinen Ertrag gebracht hätte.
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Auch der Raps der Jüterboger ist vertrocknet. Nur am oberen Ende des Stängels haben sich Schoten mit kleinen Körnern gebildet.
© Quelle: Victoria Barnack
Weil es allen Bauern im Land mal schlecht geht, funktioniert in Brandenburg wenigstens eine Sache noch sehr gut: „Unter Nachbarbetrieben helfen wir uns aus“, berichtet Milatz. In Karstädt haben sie sich bereits Stroh von einem anderen Landwirt gesichert. Nur so konnte die Versorgung der 3000 Rinder sichergestellt werden.
In Jüterbog besteht diese Gefahr nicht. Vorräte vom vergangenen Jahr retten den Betrieb. Doch auch im Niederen Fläming haben schon Nachbarn angefragt, ob die Jüterboger ihnen aushelfen könnten. "Jetzt müssen wir aber erst einmal sehen, welche Menge wir ernten", sagt Reinhard Müller, der nicht zu viel versprechen will. Viele Bauern haben die bevorstehende Kürzung der EU-Fördergelder im Hinterkopf. Weit in die Zukunft planen, können sie deshalb nicht. Mit den fehlenden Erträgen durch die Trockenheit spitzt sich dieses Problem weiter zu.
„Im nächsten Jahr wird jede Investition, die der Betrieb bisher geplant hat, noch einmal auf den Prüfstand gestellt“, sagt Vorstandsvorsitzender Mario Schwanke. Es ist nicht die erste Krise, die der ländliche Betrieb mit etwa 35 Mitarbeitern durchzustehen hat. 2003 sahen die Äcker ähnlich schlimm aus, an die Milchkrise möchten die Bauern gar nicht erst denken. Schwanke bleibt dennoch Optimist: „Das nächste Jahr wird besser.“
Von Victoria Barnack